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# taz.de -- Kolumne Macht: EU-Armee, weiter eine schlechte Idee
> Die Gründung einer europäischen Armee wird wieder mal vorgeschlagen.
> Leider wird diese Idee nicht besser, wenn man sie wiederholt.
Bild: Soldatenstiefel – hier solche der Bundeswehr.
Ein Strohfeuer hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor ein paar
Tagen entfacht. Er hat sich für die Gründung einer gemeinsamen europäischen
Armee ausgesprochen. Das ist zwar kein neuer Einfall, wird aber immer
wieder gern genommen, wenn man möglichst billig die eigene
Europabegeisterung demonstrieren möchte.
So haben denn auch viele – darunter Kanzlerin Angela Merkel und
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen – schnell erklärt, dass sie
die Idee ganz prima finden, und damit war das Thema erst einmal wieder
erledigt. Was schade ist. Denn die Idee ist gar nicht prima.
Geredet werden sollte über das Verständnis von Demokratie, nicht über
technische und finanzielle Argumente für oder gegen eine europäische
Streitmacht. Die lassen sich nämlich ziemlich schnell abräumen, was ja auch
der Grund dafür ist, dass das Projekt seit Jahrzehnten als „langfristig“
bezeichnet wird: Der Aufbau von Doppelstrukturen mit der Nato wäre kaum
vermeidbar.
Die Kosten für Militärausgaben würden deshalb vermutlich nicht sinken,
sondern steigen. Zumal Arbeitsteilung innerhalb eines Bündnisses – ob nun
Nato oder EU-Armee – und gemeinsame Manöver ja auch ohne Neugründung
möglich sind und längst praktiziert werden.
## Verteidigung der Werte
Worum also geht es, wenn es nicht um Geld und Effizienz? Um die
Demonstration von Macht, wie Juncker gerade dankenswert deutlich betont
hat: Eine gemeinsame Armee würde „Russland den Eindruck vermitteln, dass
wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Werte der Europäischen Union.“
Ach, so sind die Verhältnisse inzwischen wieder? Dass Werte mit dem Schwert
vermittelt werden müssen, weil man sonst nicht glaubwürdig ist? Da waren
wir schon mal weiter. Eigentlich sollte doch gerade die Gründung der
Europäischen Union friedensstiftend wirken und den Abschied von dem Konzept
bedeuten, dass Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist.
Wie schnell sich die Zeiten ändern.
Aber was würde die Schaffung einer europäischen Armee denn konkret für die
Bevölkerung Europas bedeuten? Unter den gegenwärtigen Umständen nichts
anderes als die Abschaffung der Demokratie. Nein, das ist keine
Übertreibung. Leider nicht.
Das Haushaltsrecht wird als „Königsrecht“ des Parlaments bezeichnet. Wie
schnell das innerhalb der EU im Krisenfall geschleift werden kann, war im
Falle Griechenlands zu besichtigen. Eine europäische Streitmacht mit
gemeinsamem Oberkommando beendete jedes Mitspracherecht eines nationalen
Parlaments über die Frage von Krieg und Frieden. Sofort. Aus
realpolitischen Gründen, was immer Staatsrechtler dazu sagen. Die
Europäische Union würde implodieren, sollte ein Staat ausscheren, wenn der
große Rest des Kontinents marschieren möchte.
Die Aushöhlung des Haushaltsrechts und die faktische Abschaffung des
Rechts, über Krieg und Frieden zu entscheiden wäre die Übertragung der
Souveränität des Volkes auf europäische Institutionen, die allenfalls von
Regierungen, nicht jedoch von Parlamenten kontrolliert werden. Und das
reicht nicht für eine breite Diskussion? Was soll denn noch kommen? Wo
versteckt sich eigentlich die Friedensbewegung?
Viele derjenigen, die Interventionen ohne Mandat der Vereinten Nationen
prinzipiell ablehnen, halten es für ein Verdienst, sich nicht für Details
der Militärpolitik zu interessieren. Das mag sich noch bitter rächen. Die
Frage, wer den Marschbefehl gibt, ist keine Fußnote der Demokratie.
15 Mar 2015
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Russland
Juncker
Europäische Armee
Europäische Union
EU-Militärpolitik
lesbisch
Schwerpunkt Rassismus
Wladimir Putin
Garissa
Privatisierung
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Euro-Krise
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