| # taz.de -- Bologna statt Bildungsaufbruch: Hochschule klagt zurück | |
| > Weil sich ständig Studiernde einklagen und die Seminare überlaufen, zieht | |
| > die Hamburger Hafencity-Uni vor das Bundsverfassungsgericht. | |
| Bild: Wann der Hörsaal voll ist, wollen in Hamburg die Stadt und die Hochschul… | |
| HAMBURG taz | Hamburg hat im Jahr 2014 als bisher einziges Bundesland ein | |
| „Ausbildungskapazitätsgesetz“ zur Eindämmung von Studienplatzklagen | |
| verabschiedet. Die zuständige Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt | |
| (SPD) sei damit baden gegangen, höhnte die Opposition von Linken und | |
| Grünen, seit die Gerichte zeigten, dass sie nichts von dem Paragrafenwerk | |
| halten. Doch nun folgt die juristische Gegenwehr. | |
| Konkret geht es um die Hafencity-Universität für Bau und Architektur, die | |
| HCU. Sie muss im Fach Stadtplanung statt 70 jetzt 101 neue Studienanfänger | |
| aufnehmen. Sie sei verpflichtet, ihre Kapazitäten auszuschöpfen und dabei | |
| „bis an die Grenze der Funktionstüchtigkeit“ zu gehen, hatte das | |
| Oberverwaltungsgericht (OVG) im Februar entschieden. Damit sei „eine rote | |
| Linie überschritten“, sagt HCU-Präsident Walter Pelka – und reicht | |
| Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. | |
| Die Rechtsprechung orientiere sich an einem Grundsatzurteil von 1972, | |
| argumentiert der Jurist Max-Emanuel Geis, der die Uni vertritt. „Es stammt | |
| aus einer anderen Epoche.“ Damals habe es unter der sozial-liberalen | |
| Koalition den Bildungsaufbruch gegeben, auch für die schwächeren sozialen | |
| Schichten. „Jeder sollte einen Studienplatz kriegen, dafür hat man die | |
| Kapazitäten bis zum Anschlag ausgereizt“, so Geis. | |
| Inzwischen gebe es aber seit der Bologna-Vereinbarung eine neue Situation, | |
| in der die Hochschulen auch Qualitätsmerkmale erfüllen müssen, um im | |
| europäischen Wettbewerb zu bestehen. Geis: „Wir haben eine um 180 Grad | |
| gedrehte Hochschulpolitik seit den 70er-Jahren, aber die Rechtssprechung | |
| der 70er-Jahre.“ Karlsruhe sollte sich Gedanken machen, „ob nicht auch | |
| flexiblere Modelle aus heutiger Sicht verfassungskonform sind“, so der | |
| Professor für Hochschulrecht der Uni Erlangen-Nürnberg. Er rechnet | |
| frühestens 2016 mit der Entscheidung. | |
| Der Vorgang ist ein Politikum und berührt auch die rot-grünen | |
| Koalitionsverhandlungen. Denn die Grünen hatten in Anbetracht der | |
| OVG-Entscheidung gewarnt, das Gesetz werde zu „Chaos“ führen, und noch kurz | |
| vor der Wahl dessen Abschaffung beantragt. Im Kern besagt das | |
| Kapazitätsgesetz, dass Hochschulen und Behörde fixe Platzzahlen für | |
| Studienplätze verabreden und sich von den Gerichten nicht näher in die | |
| Karten gucken lassen. | |
| Die alte „Kapazitätsverordnung“ mit konkreten Angaben über Stellen, | |
| Seminargrößen, Lehraufwand und Schwund pro Studienfach gibt es nicht mehr. | |
| So aber können die Gerichte nicht mehr wie früher nachvollziehen, ob noch | |
| Kapazität für klagende Studienbewerber vorhanden ist. Weil sie diese | |
| fehlende Überprüfbarkeit nicht akzeptieren, verlangen die Gerichte nun, | |
| dass die Hochschulen bei der Immatrikulation bis zum Äußersten gehen. | |
| „Wenn das Gesetz nicht schnell geändert wird, müssen die Hochschulen zum | |
| nächsten Wintersemester erheblich mehr Studierende aufnehmen“, warnt Anwalt | |
| Joachim Schaller, der Studienplatzkläger vertritt. Seiner Ansicht nach | |
| könnte das alte Verfahren beibehalten und verbessert werden. | |
| Doch die noch amtierende Senatorin Stapelfeldt erklärte, dass sie die | |
| Verfassungsbeschwerde der HCU für einen „wichtigen und richtigen Schritt“ | |
| hält. Hamburg nehme mit dem Gesetz die „Rolle des Vorreiters“ ein. Ihre | |
| Behörde hätte wohl selbst geklagt, wenn das möglich wäre. | |
| Die Linken-Abgeordnete Dora Heyenn dagegen findet das Gesetz | |
| „bildungsfeindlich“. Es gebe ohnehin zu wenig Studienplätze in der Stadt. | |
| Werde jetzt noch der Klageweg beschnitten, stelle dies eine Abkehr der SPD | |
| von der Formel „Aufstieg durch Bildung“ dar. Sie habe stets gemeinsam mit | |
| den Grünen gegen dieses Gesetz gestimmt, sagt Heyenn. „Man darf gespannt | |
| sein, wie die sich jetzt in den Koalitionsverhandlungen dazu verhalten.“ | |
| Die Grüne Eva Gümbel sagt: „Unsere Haltung hat sich nicht geändert.“ Es … | |
| eine „schwierige Situation“ entstanden. Wie eine rot-grüne Koalition damit | |
| umgehen werde, sei „nicht abschließend besprochen“. | |
| 19 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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