# taz.de -- Umstrittene Hochschulpolitik: Letzte Schlappe für Stapelfeldt | |
> Gesetz sollte Studienplatz-Klagen verhindern. Nun erklärt OVG es für | |
> verfassungswidrig. | |
Bild: Kapazität für viele Studierende: Mancher hat sich mit diesem Argument e… | |
Wäre die SPD auf die Grünen angewiesen, wäre die Abschaffung des | |
„Ausbildungskapazitätsgesetzes“ wohl ein Zugeständnis, dass ihnen wie eine | |
faule Frucht in den Schoß fällt. Noch vor einer Woche lehnte die SPD einen | |
Antrag der Grünen, dieses Gesetz zurückzuziehen, ab. Drei Tage vor der Wahl | |
erklärte das Oberverwaltungsgericht (OVG) das Gesetz für verfassungswidrig. | |
Schon bisher konnten abgewiesene Studienbewerber bei Gericht einen Platz | |
einklagen, wenn die Hochschulen nicht nachwiesen, dass ihre Kapazität | |
erschöpft ist. Dies war aus Sicht der Hochschulen oft ein Ärgernis, etwa | |
wenn auch unbesetzte Stellen mitzählten. In den „Kapazitätsverordnungen“ | |
wurde aufgeführt, welche Betreuungsintensität für einen Studiengang nötig | |
ist, welche Lehrkapazität und wie viel Schwund es gibt, und daraus eine | |
Platzzahl abgeleitet. Da packten dann die Gerichte manchmal noch was drauf. | |
Das ganz ähnlich klingende „Ausbildungskapazitätsgesetz“, das | |
SPD-Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt 2014 auf den Weg brachte, | |
enthält solche Angaben nicht. Stattdessen sollen Hochschulen und Behörde | |
fixe Platzzahlen verabreden, die dann der Bürgerschaft zur Kenntnis gegeben | |
werden. Eine Überprüfung durch die Gerichte war nicht vorgesehen. | |
Nicht mit uns, scheinen sich die Hamburger Richter zu sagen. Bereits im | |
Oktober hagelte es eine Reihe von Beschlüssen, mit denen klagende Bewerber | |
zum Semesterstart noch ihren Platz bekamen. Die Hafen-City-Uni (HCU) zum | |
Beispiel hatte in Stadtplanung nur 71 Plätze. Das Gericht fand heraus, dass | |
die HCU zuvor im Schnitt 100 aufgenommen hatte und wies ihr die Differenz | |
von 29 Anfängern zu. Weitere 22 wurden abgewiesen. | |
Der Anwalt Joachim Schaller vertritt einen von ihnen und zog vors OVG. Das | |
entschied jetzt, dass die HCU auch noch den 101. aufnehmen muss. Da es | |
keine nachvollziehbaren „Parameter“ mehr gäbe, müsse die HCU so lange | |
Bewerber aufnehmen, bis sie an die Grenze ihrer „Funktionsfähigkeit“ | |
gelange. | |
Das Argument der HCU, dass Lehrgebäude reiche nur für eine reduzierte | |
Studentenzahl, lassen die Richter nicht gelten, solange Bibliothek und | |
Mensa noch für externe Ausstellungen genutzt werden. Auch dass die PC-Pools | |
nicht reichten und kleine Lerngruppen erforderlich seien, überzeugt die | |
Juristen nicht. Könnten Studierende doch auch private PCs nutzen und | |
Seminare online gucken. „In der Konsequenz werden die Scheunentore jetzt | |
ganz weit aufgemacht“, sagt Schaller. In Fächern mit „hartem NC“ stünden | |
die Chancen für Einkläger sogar besser als früher. | |
Mehr noch: Die Richter halten das ganze Stapelfeldt-Gesetz für | |
verfassungswidrig. Denn das Grundrecht auf freie Ausbildungsstättenwahl | |
werde behindert. Es fehle in dem Gesetz das Gebot, die mit öffentlichen | |
Mitteln geschaffene Hochschulkapazität „erschöpfend zu nutzen“. „Diese | |
Bedenken waren lange bekannt“, sagt die Grüne Eva Gümbel und spricht von | |
einer „Klatsche mit Ansage“. Es gebe Chaos bei der Studienplatzvergabe, das | |
man dringend beenden müsse. | |
Stapelfeldts Sprecher Alexander von Vogel erklärte, die OVG-Entscheidung | |
liege der Behörde noch nicht vor. Man strebe mit den Hochschulen eine | |
Klärung an und werde „alle hierfür erforderlichen Wege beschreiten“. | |
15 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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