# taz.de -- Twitter-Interview mit Frankfurter Polizei: Auf zum #Grillfest | |
> Sie gilt als Deutschlands munterste Twitter-Behörde und hat bei Blockupy | |
> mit Bildern Politik gemacht. Im Austausch mit der Macht des 140-Zeilers. | |
Bild: Nicht lustig, aber vielleicht doch: Wie blicken wir auf Demos und Krawall? | |
BERLIN taz | Daran zumindest ist nicht zu zweifeln: Dass die hessischen | |
Beamten mit ihrer Tastatur im tristen Alltag der bundesweiten | |
Behördensprache neue Maßstäbe gesetzt haben. Gerade erst bei den | |
Auseinandersetzungen in Frankfurt rund um die [1][Blockupy-Proteste am 18. | |
März] hatte sich das Twitter-Team der Frankfurter Polizei bundesweit einen | |
Namen gemacht. Ihr Alleinstellungsmerkmal: Anders als die oft schnarchigen | |
Verlautbarungstweets wie sie etwa die Berliner Polizei rund um den 1. Mai | |
pflegt, kennen die Hessen das Twitter-Prinzip: [2][Handkäs mit Musik]. | |
So greifen die Beamten vom Bildschirm aus direkt in das Ortsgeschehen ein – | |
auch per Du und in der Rolle der Anwälte aller rechtschaffenen | |
Demonstranten. Zum Beispiel so: | |
Oder so: | |
Oder so: | |
Es dauerte nicht lang, bis unter Aktivisten die Auseinandersetzung darüber | |
begann, welche Rolle das neue offensive Selbstverständnis der Polizei für | |
künftige Proteste und Demonstrationen hat. So stellte etwa der | |
[3][Metronaut]-Blogger John F. Nebel [4][in einem Blogeintrag] fest: | |
„Vorbei die Zeiten, in denen Twitter einen Vorteil brachte. Der | |
kommunikatorische Vorsprung ist weg. Der Lack ist ab. Twitter wird von der | |
Gegenseite genauso schnell, virtuos und intelligent genutzt.“ Nebel warf in | |
seinem Beitrag auch die Frage auf, ob auch freundliches Behördenhandeln | |
repressives Potenzial haben kann. | |
Denn was ist das eigentlich, eine twitternde Polizeieinheit? Ist es | |
Aufklärung oder Gegenaufklärung? Propaganda einer beteiligten Behörde oder | |
Dokumentation? Im Netz gehen die Meinungen dazu auseinander – auch wenn die | |
Frankfurter Truppe für ihren undogmatischen und neuen Umgang in Sachen | |
Öffentlichkeitsarbeit von vielen Seiten mit Respekt betrachtet wird. | |
Am Mittwochmorgen war die taz zu einem Interview mit der | |
[5][Twitter-Einheit] von [6][@polizei_ffm] verabredet. Wir führten das | |
Interview via Twitter. Wir nannten es #Grillfest. Leider kamen sie ohne | |
Justiziar. Denn tatsächlich wurde die neue Twitter-Strategie nicht nur | |
innerhalb der Frankfurter Polizei [7][kontrovers diskutiert] – sie ist auch | |
juristisch betrachtet ein interessantes Phänomen. | |
## Auch Ungespeichertes kann die Grundrechte einschränken | |
Zur Einordnung: Erst Anfang Februar hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz | |
in einem [8][interessanten Urteil] festgestellt, dass auch „bloße | |
Übersichtsaufnahmen einer Versammlung durch die Polizei“ selbst dann in die | |
verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit eingreifen könnte, | |
wenn die Filmaufnahmen nicht aufgezeichnet oder gespeichert werden. Die | |
Überlegung der Richter: Allein zu wissen, dass sie polizeilich gefilmt | |
werden, kann Demonstranten davor abschrecken, ihr Grundrecht wahrzunehmen. | |
Das hat noch gar nichts mit Twitter zu tun. | |
Die Frankfurter Polizei filmt jedoch bei Demonstrationen nicht nur – sie | |
hatte bei den Blockupy-Protesten nach eigenen Angaben sogar bis zu vier | |
zivile Beamte allein dafür im Einsatz, dass diese mit Handyaufnahmen Fotos | |
für den Twitter-Account lieferten. Das heißt: Demonstranten müssen damit | |
rechnen, von unerkannten Polizeibeamten abfotografiert zu werden – und auch | |
damit, dass Bilder von ihnen im Netz auftauchen. Zwar verpixelt die | |
Frankfurter Polizei die meisten Gesichter, sodass Individuen nicht ohne | |
weiteres zu erkennen sind. | |
Dennoch stellt sich die Frage: Ist das eigentlich ein medialer Pranger? | |
Oder ist es in Zeiten von Twitter und Facebook nicht umgekehrt die Aufgabe | |
der Polizei, über das Geschehen auf der Straße nach eigenen Quellen zeitnah | |
zu berichten? Zumal, wenn es dort auch durchaus sehr krawallig zugeht? Geht | |
es nach den Frankfurter Behörden, so haben diese allein am 18. März zu den | |
Blockupy-Demonstrationen über [9][sämtliche von ihr benutzten Kanäle 10 | |
Millionen Seitenaufrufe] erreicht. Ein beachtliches Publikum. | |
Nur: Was ist ein Tweet der Polizei eigentlich im juristischen Sinne: Eine | |
Meinungsäußerung? Ein Dokument? Eine Verfügung? Laut Frankfurter Polizei, | |
soll die neue Form der Öffentlichkeitsarbeit eine Wirkung auf der Straße | |
erzielen, aber für niemanden bindend sein. | |
## Kommunikation ist nicht nur Kommunikation | |
Die Behörde möchte ihre Öffentlichkeitsarbeit [10][nur als kommunikativen | |
Akt, nicht als behördliches Eingreifen verstanden wissen]. Dass ein Tweet | |
im Netz keiner Verfügung entspricht und für Demonstranten nicht bindend ist | |
– klar. Umgekehrt jedoch müssen die Beamten sich sehr wohl festnageln | |
lassen auf das, was sie dort in Windeseile – und übrigens direkt angebunden | |
an die Einsatzleitung – äußern. Denn dass behördliche Kommunikation in | |
einer Lage, in der die Polizei ein beteiligter Akteur ist, nicht lediglich | |
„Kommunikation“ darstellt, das dürfte ebenfalls klar sein. | |
Die Frage jedoch, welche einschränkende Wirkung eine twitternde | |
Polizeibehörde auf die Demo-Absichten von Demonstranten haben könnte, hat | |
noch kein Gericht geklärt. Auch deshalb ist das Frankfurter Beispiel ein | |
interessantes Fallbeispiel. Ansonsten dient es, sowieso, zur Unterhaltung. | |
Beim nächsten #Grillfest, das ist die Verabredung, ist auch [11][Blockupy] | |
dabei. Blockupy-Sprecher Aaron Bruckmiller [12][will dann Grillanzünder | |
mitbringen]. Die taz hat, natürlich, die [13][Kohle]. Und die erfrischenden | |
Kollegen aus Hessen besorgen gerade irgendwas anderes als Frankfurter | |
Würstchen. Denn die kann man nur brühen. [14][Man sollte sie niemals | |
grillen]. | |
Das vollständige Twitter-Interview mit der Frankfurter Polizei und die | |
Debatte rund um das kleine #Grillfest können sie hier nachvollziehen: | |
2 Apr 2015 | |
## LINKS | |
[1] /!t8098/ | |
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Handk%C3%A4se | |
[3] http://twitter.com/metronaut | |
[4] http://www.metronaut.de/2015/03/twittern-zur-aufstandsbekaempfung/ | |
[5] http://twitter.com/Polizei_Ffm/status/583185570702225408 | |
[6] http://twitter.com/Polizei_Ffm | |
[7] http://twitter.com/Polizei_Ffm/status/583186123943460864 | |
[8] http://beck-aktuell.beck.de/news/ovg-koblenz-f-r-bersichtsaufnahmen-von-ver… | |
[9] http://twitter.com/Polizei_Ffm/status/583188188036001793 | |
[10] http://twitter.com/Polizei_Ffm/status/583194234020360192 | |
[11] http://twitter.com/Blockupy | |
[12] http://twitter.com/bruckmiller/status/583215265929908224 | |
[13] http://de.wikipedia.org/wiki/Kohle | |
[14] http://twitter.com/Schmier_Fink/status/583202423298224128 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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