# taz.de -- Debatte Amerika-Gipfel: Foto fürs Geschichtsbuch | |
> Erstmals nimmt Kuba am Gipfel der amerikanischen Staaten teil. | |
> US-Präsident Obama will damit den Einfluss der USA wiederherstellen. | |
Bild: Wie ein Schlag in die Magengrube der USA: Kubas Rolle bei dem Gipfeltreff… | |
Ein Bild geht um die Welt: Der Händedruck zwischen US-Präsident Barack | |
Obama und Kubas Präsident Raúl Castro wird wohl das Foto werden, das den | |
Amerika-Gipfel charakterisieren wird, der an diesem Freitag und Samstag in | |
Panama stattfindet. Die im Dezember vergangenen Jahres von den USA und Kuba | |
verkündete Annäherung soll das Vehikel sein, um Washingtons diplomatische | |
Isolation in seiner eigenen Hemisphäre zu beenden. | |
Es ist der siebte Amerika-Gipfel, aber der erste, an dem Kuba teilnimmt. | |
Als US-Präsident Bill Clinton 1994 zum ersten Mal zu dieser Veranstaltung | |
nach Miami einlud, war Kuba selbstverständlich ausgeschlossen. Vier Jahre | |
zuvor hatte in Chile die letzte der verbliebenen Militärdiktaturen | |
Südamerikas abgedankt. Es war das Jahrzehnt der Redemokratisierung | |
Lateinamerikas, aber auch das des ungebremsten Neoliberalismus. Clintons | |
Ziel war schon damals die Errichtung einer Freihandelszone von Nord nach | |
Süd unter den Konditionen der USA. | |
Doch es dauerte bis zum Gipfel 2005 im argentinischen Mar del Plata, bis | |
der Vorschlag ausgearbeitet war. Da hatte sich jedoch das politische Klima | |
bereits gewaltig gewandelt. Die USA steckten tief in den Kriegen in | |
Afghanistan und Irak. In Venezuela führte Präsident Hugo Chávez das Land in | |
den selbst erklärten „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, in Argentinien | |
versuchte Nestor Kirchner, die Folgen des neoliberalen Totalzusammenbruchs | |
der Jahrtausendwende in den Griff zu bekommen, im größten | |
lateinamerikanischen Land Brasilien regierte mit Präsident Lula da Silva | |
ein Vertreter der Arbeiterpartei PT. | |
Und seit 2001 hatten die Weltsozialforen im brasilianischen Porto Alegre | |
für eine gute Vernetzung linker und Basisbewegungen aus dem ganzen | |
lateinamerikanischen Kontinent gesorgt. Im Ergebnis führte Argentiniens | |
Präsident Kirchner selbst eine globalisierungskritische Demonstration gegen | |
die Freihandelspläne an, die bei dem Gipfel beschlossen werden sollten, zu | |
dem er selbst eingeladen hatte. Die Idee war vom Tisch. | |
## Chinas Relevanz in Lateinamerika gestiegen | |
Der Einfluss der USA in der Region ist seither immer weiter zurückgegangen. | |
Chinas Rolle als Investor und Abnehmer lateinamerikanischer Rohstoffe ist | |
gewachsen, das lateinamerikanische Selbstbewusstsein gestiegen. | |
Der letzte Amerika-Gipfel, abgehalten 2012 im kolumbianischen Cartagena, | |
zeigte deutlich, wie isoliert die USA inzwischen agierten. Gerade ein Jahr | |
zuvor war auf venezolanische Initiative hin in Caracas die „Celac“ | |
gegründet worden. Sie umfasst alle 33 lateinamerikanischen und karibischen | |
Staaten – und lässt die einstigen Hegemonen aus dem Norden, die USA und | |
Kanada, explizit außen vor. | |
Die 2008 gegründete Union Südamerikanischer Staaten (Unasur) und die 2004 | |
zunächst als Kooperation von Venezuela und Kuba gegründete Bolivarianische | |
Allianz für die Völker unseres Amerika (Alba), der inzwischen neun Staaten | |
Lateinamerikas und der Karibik angehören, komplettieren die | |
lateinamerikanische Regionalkooperation ohne die USA. | |
## Desaster in Cartagena | |
So war es kaum verwunderlich, dass US-Präsident Barack Obama in Cartagena | |
2012 ein Desaster erlebte. Angeführt von den Alba-Staaten machten die | |
Lateinamerikaner unmissverständlich deutlich, dass es einen weiteren | |
Amerika-Gipfel ohne Kuba nicht geben werde. Dass sich | |
US-Secret-Service-Leute im Vorfeld des Gipfels auch noch in Cartagenas | |
Bordellen reichlich danebenbenommen hatten, komplettierte die | |
PR-Katastrophe Washingtons. | |
Die Annäherung an Kuba, also das teilweise Aufgeben eines seit einem halben | |
Jahrhundert scheiternden Versuchs, das von den Castro-Brüdern angeführte | |
System per Druck zu beseitigen, soll Washingtons Schlüssel sein, in der | |
Diplomatie des Kontinents wieder Fuß zu fassen. Eiligst erklärte das | |
Außenministerium in dieser Woche, man sei fast damit fertig, zu überprüfen, | |
ob Kuba wirklich noch auf die Liste der „staatlichen Terrorunterstützer“ | |
gehöre. Auf dieser Liste hat das Land schon lange nichts zu suchen – die | |
Streichung von der Liste ist die Voraussetzung für die Wiederaufnahme | |
voller diplomatischer Beziehungen. | |
## Stolperstein Venezuela | |
Doch schon droht Präsident Obama neue Unbill: Seine Entscheidung vom März | |
dieses Jahres, Venezuela zu einer „Bedrohung der nationalen Sicherheit der | |
USA“ zu erklären und Sanktionen gegen sieben venezolanische Funktionäre zu | |
verhängen, hat nicht nur in Venezuela einen kleinen Popularitätsaufschwung | |
für die Regierung von Präsident Nicolas Maduro bewirkt, sondern auch erneut | |
die lateinamerikanische Solidarität auf den Plan gerufen. | |
Denn sosehr auch in Lateinamerika mit Sorge auf die politische und | |
ökonomische Krise Venezuelas geschaut wird: Die Sanktionen Washingtons | |
wirken in der Region wie ein Rückschritt in vergangene Zeiten. Niemand | |
glaubt zwar ernsthaft an die von Maduro immer wieder aufs Neue beschworene | |
Gefahr einer US-Militärintervention in Venezuela – das ist blanker Unsinn. | |
Aber allein die Erinnerung an die unzähligen Interventionen der USA in | |
Lateinamerika im 19. und 20. Jahrhundert, vom Putsch gegen Guatemalas | |
Jacobo Arbenz 1954 über Chile 1973, die Unterstützung der Militärdiktaturen | |
in den 70ern bis zur Finanzierung des Krieges gegen das sandinistische | |
Nicaragua in den 80er Jahren, sitzt im lateinamerikanischen Bewusstsein so | |
tief wie die Angst der Polen vor Russland. | |
## Ironie der Geschichte | |
Obama will sich den Erfolg des Gipfels nicht durch den Konflikt mit | |
Venezuela verderben – und so ließ er am Dienstag erklären, das sei doch | |
alles nicht so gemeint gewesen, natürlich halte man Venezuela nicht für | |
eine Bedrohung. | |
Ob das zur Beschwichtigung reicht, wird der Gipfel zeigen. Obama will | |
verhindern, dass Lateinamerika sich weiterhin China, Russland und der EU | |
zuwendet, will wieder eine Rolle in der eigenen Hemisphäre spielen. | |
Dass ausgerechnet dem kubanischen Staatschef Raúl Castro dabei die Rolle | |
zukommt, das möglich zu machen, ist eine Ironie der Geschichte und für die | |
US-Politik ein Schlag in die Magengrube. Einer, den sie sich redlich | |
verdient hat. | |
10 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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