# taz.de -- Insektenküche boomt: Lecker Maden | |
> Sie sind preiswerte Proteinbomben und ihre Zucht schont Ressourcen: | |
> Insekten. Der US-Markt boomt. In Europa gibt es noch Akzeptanzprobleme. | |
Bild: Guten Appetit. | |
SAN FRANCISCO ap | Sie hüpfen. Sie krabbeln. Sie winden sich. Und sie | |
könnten schon bald auf dem Teller zum Abendessen serviert werden. Immer | |
mehr Entopreneure eröffnen Geschäfte, um die Nachfrage nach Grillen, | |
Mehlwürmern oder anderen essbaren Insekten zu befriedigen. Die Wortkreation | |
setzt sich aus „Entomon“ (Insekt) und „Entrepreneur“ (Unternehmer) | |
zusammen. | |
Die Entopreneure versuchen, Menschen zum Verzehr der Krabbeltiere zu | |
bewegen, die im Vergleich zu anderen Quellen für tierisches Eiweiß weit | |
weniger Land, Futter und Wasser benötigen. Die Vereinten Nationen sehen in | |
der Produktion und dem Verzehr von Insekten einen Weg, die | |
Ernährungssituation der Menschheit zu verbessern, die Treibhausgase zu | |
reduzieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. | |
Für mindestens zwei Milliarden Menschen weltweit gehören die Tierchen | |
bereits zur regelmäßigen Ernährung, wie aus einem Bericht der Ernährungs- | |
und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2013 | |
hervorgeht. Doch die meisten Menschen in der westlichen Welt zertreten | |
Käfer noch immer lieber, als sie zu essen. „Insekten werden noch immer als | |
etwas gesehen, was das Essen verdirbt – eine Kakerlake in deiner Suppe, | |
eine Fliege in deinem Salat. Der Ekelfaktor ist das größte Hindernis“, | |
erklärt Daniella Martin, Autorin des Insektenkochbuchs „Girl Meets Bug“. | |
Im „La Cocina“ in San Francisco leert Monica Martinez Hunderte lebende | |
Mehlwürmer in einen Plastikbehälter. Mit Essstäbchen pickt sie die toten | |
Exemplare aus der Masse, bevor sie kriechende Masse auf ein Blech kippt und | |
in den Backofen schiebt. Martinez stammt aus Mexiko, wo Insekten gerne | |
gegessen werden. Zu ihren Spezialitäten zählen scharfe Superwürmer und | |
gesalzene Grillen im Schokoladenmantel. | |
„Die Idee ist, dem Lebensmittelmarkt eine andere Art von Protein zu | |
bieten“, sagt die Künstlerin und Industriedesignerin. Bereits im Jahr 2011 | |
hat sie dazu das Straßenimbiss-Projekt „Don Bugito“ gestartet – das Wort | |
ist gebildet aus dem gefüllten Weizenmehl-Tortilla „Burrito“ und „Bug“… | |
Käfer. „Die größte Herausforderung ist es, mehr Menschen dazu zu bringen, | |
unser Essen zu probieren“, sagt sie. | |
## „Schmeckt nicht wirklich nach Käfer“ | |
Die Snacks von „Don Bugito“ kann man im Internet bestellen oder direkt am | |
Imbiss „La Cocina“ im Ferry Building zu kaufen. Dort gibt es auch immer | |
wieder Gratisverkostungen von Käfern und Würmern. „Nein“, sagt ein kleiner | |
Junge entsetzt, als er gefragt wird, ob er mal probieren möchte. Andere | |
sind wagemutiger. „Es schmeckt nicht wirklich nach Käfer. Es schmeckt wie | |
knusprige Gewürze“, sagt Leslie Foreman, der für eine Medizintechnik-Firma | |
arbeitet. „Ich bin nicht sicher, ob das mein täglicher Snack wird, aber ich | |
denke, es ist witzig und es ist cool.“ | |
In Berkeley am anderen Ufer der Bucht von San Francisco formen Megan Miller | |
und ihre Angestellten Klumpen aus orange-ingwerfarbigem Teig, arrangieren | |
sie vorsichtig auf ein Blech und schieben sie in den Ofen. Hauptzutat ist | |
Mehl aus Grillen. | |
Millers Firma Bitty Foods verkauft ihre Cookies und anderen Backwaren im | |
Internet und in gehobenen Lebensmittelgeschäften. Viele der Kunden sind | |
Mütter, die nach einem gesunden Snack für ihre Kinder suchen. „Ich möchte | |
hervorheben, dass unsere Produkte doppelt so viel Protein, aber nur halb so | |
viel Zucker wie herkömmliche Cookies haben“, sagt die frühere Journalistin. | |
Bei Insekten gebe es ein Problem mit der Markenbildung, sagt sie. Deswegen | |
versuche sie Kunden zu gewinnen, indem sie die Tierchen mit populären | |
Lebensmitteln kombiniert und attraktiv verpackt. „Bevor die Menschen den | |
großen Schritt machen und ganze Tiere essen, sehen wir immer wieder, dass | |
sie Insekten zunächst in Pulverform probieren, eingebunden in Produkte, so | |
dass sie unsichtbar sind“, sagt Miller. | |
## Nachfrage steigt rasant | |
Big Cricket Farms, eine von nur einer Handvoll Firmen in Nordamerika, die | |
Grillen für den menschlichen Verzehr produziert, hat jedoch bereits | |
Probleme, die wachsende Nachfrage zu decken, wie Firmenchef Kevin Bachhuber | |
sagt. Im vergangenen Jahr hatte er das Unternehmen in Youngstown in Ohio | |
gegründet, nachdem er in Thailand erstmals Käfer probiert hatte. | |
Derzeit produziert seine Firma etwa 3.600 Kilogramm Grillen pro Monat. Ziel | |
sei es, die Kapazität auf mehr als 11.000 Kilogramm auszuweiten, doch auch | |
das werde wohl nicht reichen, um den Bedarf von Restaurants und den | |
Herstellern gesunder Nahrungsmittel zu decken. „Wir werden ständig von | |
Bestellungen überschwemmt. Wir kommen nicht hinterher“, sagt Bachhuber. | |
„Die Geschwindigkeit, mit der die Bereitschaft zum Verzehr von Käfern | |
wächst, ist verrückt. Das ist cool.“ | |
Tiny Farms in Oakland versucht, neue Wege zur Massenproduktion von Grillen | |
und anderen Käfern zu entwickeln. Ziel sei es, ein großes Netzwerk von | |
Insektenfarmen zu bilden, um Hersteller wie Don Bugito oder Bitty Foods zu | |
beliefern. „Unser Ziel ist, die industrielle Produktion von Insekten für | |
die Lebensmittelherstellung einfacher und günstiger zu machen“, sagt Daniel | |
Imrie-Situnayake, ein ehemaliger Software-Entwickler, der sich nun als | |
Entopreneur versucht. „Im Moment kratzen wir nur an der Oberfläche, wenn | |
wir versuchen, uns vorzustellen, welches Potenzial Insekten für unser | |
Nahrungssystem haben.“ | |
16 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Terence Chea | |
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