| # taz.de -- Kolumne Der rote Faden: Es. Ist. Alles. So. Mühsam. | |
| > Der Streit über die Vorratsdatenspeicherung dreht sich seit 2008 im | |
| > Kreis. Neue Argumente? Gibt es nicht. Dafür aber steile Forderungen nach | |
| > Schockereignissen. | |
| Bild: „The same procedure as every year, Sigmar.“ | |
| Plumps. Da liegt er. Heiko Maas. Am Boden liegt er, mit seinem Projekt, der | |
| SPD so etwas wie ein digitales Bürgerrechtsprofil zu verpassen. | |
| [1][Geschubst von Parteichef Gabriel], der wochenlang so [2][falsche | |
| Behauptungen] über die Vorratsdatenspeicherung aufgestellt hatte, dass die | |
| jetzt Gesetz werden soll in Deutschland. Proudly presented by | |
| SPD-Ex-Privacy-Advokat Heiko Maas. | |
| Es. Ist. Alles. So. Mühsam. Seit 2008 dreht sich der elende Streit über die | |
| Vorratsdatenspeicherung im Kreis. Denn seitdem gibt es sie in Deutschland | |
| nicht mehr – und damit auch keine neuen Argumente für oder gegen sie. Und | |
| Befürworter und Gegner liefern sich einen Schlagabtausch, der so spannend | |
| und überraschend ist wie die alljährliche „Dinner for One“-Wiederholung an | |
| Silvester. | |
| In Frankreich werden Karikaturisten erschossen? Passt auf: Gleich fordert | |
| ein Sicherheitshardliner der Union wieder, anlasslos Daten auf Vorrat zu | |
| speichern, weil alles andere die Polizeiarbeit behindert. Und dann sagen | |
| die Gegner noch mal, dass es keine einzige Studie gibt, die belegt, dass | |
| die Speicherung der Polizeiarbeit hilft oder gar Straftaten verhindert. | |
| Hin, her, hin, her, Vorhang, same procedure as every year. | |
| Eine einzige ewige Wiederkehr – die Nietzsche als unendlich sich | |
| wiederholenden Kreislauf aller Dinge beschreibt, der unerträglich ist, aber | |
| am Ende irgendwie zu Lebensbejahung führt. Vielleicht ist es ja das, was | |
| sich die SPD davon verspricht, einen bereits vom Europäischen Gerichtshof | |
| und großteils auch vom Bundesverfassungsgericht abgeschmetterten | |
| Grundrechteeingriff noch einmal in ein Gesetz zu gießen, obwohl der | |
| Sicherheitsnutzen in höchstens homöopathischen Dosen nachweisbar sein wird. | |
| Und natürlich, so beteuert Maas, werden die Bedenken der Gerichte in den | |
| Gesetzentwurf mit dem neuen technokratischeren Titel „Höchstspeicherfrist | |
| für Verkehrsdaten“ einfließen. Ein wenig an den Fristen rumgeschraubt hat | |
| man ja schon, E-Mail-Verkehr und IP-Adressen ausgenommen – und dafür ganz | |
| unauffällig Funkzellendaten reingemogelt. Wer wollte schon von Argumenten | |
| für ein politisches Vorhaben ablassen, das simuliert, dass man etwas tut | |
| für die Sicherheit seiner Bürger? Im Notfall sollen halt die Gerichte das | |
| Gesetz noch mal kassieren. Verschiebung der Diskussion vom Politischen ins | |
| Juristische – Politikverdrossenheit lässt sich immer vorantreiben. | |
| ## Wer braucht schon die ärztliche Schweigepflicht? | |
| Steile Forderungen nach Schockereignissen – das macht man heute einfach so. | |
| Darum kann man nach dem Absturz einer Germanwings-Maschine ja auch einfach | |
| mal so die Aufhebung [3][der ärztlichen Schweigepflicht fordern] und mal | |
| schauen, wie weit man damit kommt. Kein Schockereignis ohne steile | |
| Forderung. Außer natürlich, es geht um ertrunkene Flüchtlinge – da wird es | |
| erschreckend vorschlagsarm an der Front der Politiker, die sich sonst so | |
| tatkräftig geben. | |
| Etwas weniger symbolpolitisch war der Aufschlag der EU-Kommission, Google | |
| mit einem Verfahren wegen unfairen Wettbewerbs zu drohen: Die zuständige | |
| Kommissarin Margrethe Vestager will Google jetzt endlich in die Schranken | |
| weisen. Immerhin [4][drohen Geldbußen in Milliardenhöhe], weil Google seine | |
| marktbeherrschende Stellung ausnutzen soll, indem es in seinen | |
| Trefferlisten eigene Angebote denen anderer Onlinehändler vorzieht. Recht | |
| so, dürfte der erste Reflex vieler sein, schließlich ist häufig genug | |
| wiederholt worden, dass Google ein böser Monopolist ist. Und tatsächlich | |
| legt der Konzern im Umgang mit Regeln und Gesetzen in Ländern, in denen er | |
| operiert, mitunter eine schwer erträgliche Arroganz an den Tag. | |
| Nur, selbst wenn Google zahlen müsste, löst das das eigentliche Problem, | |
| dem die EU-Kommission beikommen möchte, höchstens zum Teil. Um es wirklich | |
| zu ändern, dass Europa im Sektor IT und Internetwirtschaft weit hinter den | |
| USA herhinkt, müsste man auch selbst ein wenig gestalten. Indem man jetzt | |
| mal wirklich den teuren Ausbau schnellerer Internetverbindungen | |
| vorantreibt, verbindlich die Netzneutralität festschreibt, um Start-ups den | |
| ungehinderten Markteintritt zu ermöglichen, und diese Start-ups und | |
| IT-Firmen anständig fördert. Aber das ist natürlich mühsam. Und hat vor | |
| allem viel weniger Bums als die Ankündigung, jetzt wolle man es Google aber | |
| mal richtig zeigen. | |
| Die Botschaft beider Initiativen ist, dass sich politische Akteure als | |
| handlungsfähig präsentieren wollen im Digitalen. Beschränken und | |
| aufbewahren statt gestalten. Einem Privatunternehmen Ansagen machen, wie es | |
| seine Geschäfte zu führen hat, während man Bürgern mitteilt, dass der Staat | |
| sie potenziell alle für verdächtig hält. Und darum vorsichtshalber | |
| speichert, wann sie von wo aus mit wem gesprochen haben. Das ist wirklich | |
| eine prima Idee | |
| 17 Apr 2015 | |
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| ## AUTOREN | |
| Meike Laaff | |
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