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# taz.de -- Beamte wollen Verbrechen vorhersagen: Wenn die Polizei zuerst da ist
> Prognostizierende Polizeiarbeit: Computer sollen im Voraus ermitteln, wo
> es Straftaten geben könnte. Stadtteile könnten dabei stigmatisiert
> werden.
Bild: US-Polizisten rücken manchmal schon aus, bevor etwas passiert.
Hamburg taz | Die Hamburger Polizei möchte dem Verbrechen künftig stets
eine Nasenlänge voraus sein. Sie prüft deshalb die Einführung des
sogenannten „predictive policing“ – prognostizierender Polizeiarbeit nach
US-Vorbild. Durch Datenanalyse will sie vorhersagen, wo demnächst
wahrscheinlich Straftaten begangen werden.
Predictive Policing macht sich zu Nutze, dass ein Gutteil der Straftäter
Gewohnheitsmenschen sind: Sind sie in einer Gegend erfolgreich
eingebrochen, probieren sie es oft wieder. Die Rand-Corporation beschreibt
das abstrakter: „Kriminelle und Opfer folgen gemeinsamen Lebensmustern;
dort wo sich die Muster überschneiden wächst die Wahrscheinlichkeit von
Straftaten.“
Erfunden hat die Methode die Polizei von Los Angeles – und zwar als
Sparmaßnahme. Die Polizei sei gezwungen, mit weniger Mitteln mehr zu
erreichen, hieß es 2009 im [1][Fachmagazin] Police Chief und die Autoren
schlossen die Frage an: „Warum bloß Straftaten zählen, wenn man sie
effektiver vorhersehen, verhindern und darauf reagieren kann?“
Wie das gehen könnte, ließ sich Polizeipräsident Ralf Meyer im Juni in
Hamburgs Partnerstadt Chicago zeigen. „Die Amerikaner arbeiten in der
Praxis kaum mit den Vorhersagemodellen“, sagte er dem Hamburger Abendblatt.
„Aber wir schauen uns jetzt an, wie wir ein eigenes System entwickeln
können.“
Wie aus einer Anfrage der FDP-Bürgerschaftsfraktion hervorgeht, prüfen
MitarbeiterInnen des Landeskriminalamtes seit Februar, wie so ein System
für Hamburg aussehen und welche Software beschafft werden könnte. Als
Haupteinsatzgebiete werden die Einbruchsbekämpfung und die Olympischen
Spiele genannt.
„Die Entwicklung zeichnete sich ab“, sagt Susanne Krasmann vom Institut für
Kriminologische Sozialforschung an der Uni. 2011 hat sie achtzig
Polizei-Dienststellen in Deutschland befragt. Bayern betreibt schon
predictive Policing, Niedersachsen prüft es.
Neu sei an dem Vorgehen, dass Kriminalitätsdaten mit Sozialdaten und
Schichtmerkmalen gekoppelt würden, sagt Krasmann. Das könne dazu führen,
dass Stadtteile stigmatisiert werden. Auch das Verhältnis zwischen Staat
und Bürger könnte sich ändern: „Was bedeutet es, dass der Bürger nicht me…
als politisches, sondern als verdächtiges Subjekt betrachtet wird?“
Vorteile sieht sie darin, dass die Polizei schnell auf Veränderungen
reagieren könne.
Andere weisen darauf hin, dass die Verbrechensprognosen auf nur scheinbar
objektiven Daten und Alg orithmen basierten. In den USA würden weit mehr
Schwarze und Latinos wegen Marihuana-Besitzes verhaftet als Weiße, obwohl
letztere nicht weniger rauchten, heißt es auf der Website SOS Privacy.
Werden die Rechner mit solchen Verhaftungsdaten gefüttert, patrouilliert
die Polizei vor allem in den Vierteln der Schwarzen und Latinos, was zu
einem Rückkoppelungseffekt führt. „Die Algorithmen reproduzieren das
ungerechte Polizeisystem bloß“, warnen die Bürgerrechtler.
Der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar kann mit der Methode leben,
solange nur die regionale Wahrscheinlichkeit von Straftaten ermittelt wird.
Er befürchtet jedoch, dass in Zukunft Daten zu allem und jedem gesammelt
und verknüpft und daraus ein personenbezogener Verdacht konstruiert werden
könnte. „Die Leute wissen am Ende gar nicht, warum sie ins Visier geraten“,
warnt er.
6 Jul 2015
## LINKS
[1] http://www.policechiefmagazine.org/
## AUTOREN
Gernot Knödler
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Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
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