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# taz.de -- Londons Polizei setzt Spyware „GeoTime“ ein: Der Weg in die tot…
> Die Spyware „GeoTime“ wurde bisher vom US-Militär benutzt. Jetzt kaufte
> es die Londoner Polizei. Sie kann so für exakte Datenprofile fast alle
> Aktivitäten von Verdächtigen aufzeichnen.
Bild: Überwachung reloaded: Londons Polizei reichen die Kameras nicht mehr.
LONDON taz | Verbrechen verhindern, bevor sie passiert sind? Diese
futuristische Idee, die dem Science-Fiction-Thriller „Minority Report“ mit
Tom Cruise zugrunde liegt, könnte eines der Motive der Londoner Polizei für
die Anschaffung der Spyware „GeoTime“ gewesen sein.
Das Sicherheitsprogramm, das bislang vom US-Militär eingesetzt wird, ist
der ultimative Cyber-Spürhund: Mit ihm können alle kommunikativen
Aktivitäten einer Person im Internet, am Handy, mit dem Navigationssystem,
sowie finanzielle Transaktionen und das Einloggen in IP-Netzwerke
festgehalten werden. Daraus erstellt die Software dreidimensionale Grafiken
für hochkomplexe Datenprofile von Verdächtigen und ihren angeblichen
Handlangern.
Die Ordnungshüter der britischen Hauptstadt gehen jetzt noch einen Schritt
weiter. Sie schließen neuerdings den Einsatz der Software auch bei
öffentlichen Unruhen nicht aus.
Großbritanniens Datenschützer laufen dagegen Sturm, denn das
Inselkönigreich ist dem totalen Überwachungsstaat wieder einen Schritt
näher gerückt. Außerdem ist die britische Polizei bereits mehrfach ins
Kreuzfeuer öffentlicher Kritik geraten, weil sie entweder unbescholtenen
Bürgern nachspionierte oder wie im sogenannten Telefonhacker-Skandal die
unlauteren Machenschaften von Rupert Murdochs News International unter den
Teppich gekehrt haben soll.
## Millionen von Mikrodaten
Jetzt werden die Aktivitäten britischer Bürger nicht nur auf Schritt und
Tritt von CCTV-Kameras, sondern auch im Internet aufgezeichnet. „Wenn erst
einmal Millionen von Mikrodaten angehäuft wurden“, erklärt Alex Hanff,
Campaigns Manager von Privacy International entrüstet, „dann hat man am
Ende ein Bild von jemandem mit einer sehr hohen Auflösung. Unsere eigene
Regierung und Polizei sollten uns nicht nachspüren und solche Profile
erstellen.“
David Hamilton, Vorsitzender der Protestgruppe „Big Brother Watch“ hat
ebenso schwere Bedenken über den Einsatz einer solchen Software für die
tägliche Polizeiarbeit: „Die Entscheidung der Polizei, sich Technologie
zuzulegen, die ursprünglich für Kriegsszenarien entwickelt wurde, ist sehr
bedenklich. Die Metropolitan Police muss der Öffentlichkeit glaubhaft
versichern, dass GeoTime nur in schweren Fällen zum Einsatz kommt – nicht
als alltägliche Waffe im Kampf gegen Verbrechen.“
## Digitale Wunderwaffe?
Die Britin Val Swain, Mitglied der Aktivistengruppe „Police Monitoring
Network“ zeigt sich nicht überrascht. Sie erklärt, die Anschaffung dieser
neuen digitalen Wunderwaffe sei nur der letzte Schritt einer Kampagne
sogenannter „intelligenter Polizeiarbeit“ in deren Rahmen die Privatsphäre
der Bürger sukzessive unterminiert werde: „GeoTime kann nicht nur benutzt
werden, um Leuten nachzuspionieren, sondern auch, um ihr Verhalten
vorherzusagen“, resümiert sie.
Laut der [1][Internetseite von GeoTime] kann die Software eine Reihe von
verschiedenen Daten in dreidimensionalen Grafiken kombinieren, die vom
Nutzer gesteuert und außerdem mit einer Zeitleiste versehen werden können.
Auf diese Weise sollen bislang unerkannte Verbindungen von Menschen
aufgedeckt werden.
Kontaktaufnahmen, zum Beispiel im Internet oder per Telefon, sowie
finanzielle Transaktionen können so über eine Zeitspanne dargestellt
werden. Wie Curtis Garton, Produktmanager des US-Unternehmens Oculus, das
das Produkt vermarktet, erläutert, werde die Software nicht exklusiv
beispielsweise an Staaten verkauft. Sondern praktisch jeder könne sich ohne
weitere Auflagen die Software anschaffen.
Aber nicht nur Datenschützer sind besorgt über den geplanten Einsatz der
Software bei der britischen Polizei. Auch andere Bürger sehen dieser
Entwicklung mit Sorge entgegen: „Das ist eine Frechheit“, wettert die
33-jährige Autorin Marcie Powell aus London. „Im Grunde ist der Einsatz
einer solchen Software so, als ob die Polizei mein Haus durchsuchen würde.
Ich bin der Ansicht, diese Technologie darf nur in ganz spezifischen Fällen
zum Einsatz kommen und wenn vorher ein Durchsuchungsbefehl ausgestellt
wurde.“
## Sorge um korrekten Einsatz der Software
Auch der Filmemacher Maurice Hall aus London (45) ist besorgt über einen
möglichen unverantwortlichen Umgang der Polizei mit dieser
Überwachungstechnologie: „Ein weiterer unkontrollierter Streifzug unserer
Regierung in das Privatleben britischer Bürger. Wo soll das enden?“
Zum Einsatz von GeoTime hat sich die Londoner Polizei bislang nur spärlich
geäußert. Es herrscht Unklarheit darüber, was wie lange gespeichert werden
kann und wie die Gesetzeshüter dem Datenmissbrauch vorbeugen wollen. „Wir
befinden uns im Prozess der Bewertung der Software“, erklärt ein Sprecher
der Polizei, „um herauszufinden, wie sie uns bei der Auswertung von Daten
in Raum und Zeit unterstützen kann. Eine Entscheidung darüber, wie diese
Technologie zukünftig zum Einsatz kommen soll, wird noch gefällt.“
Erst kürzlich berichtete der britische Guardian über friedliche
Demonstranten deren Profile sich auf einer Datenbank der Polizei befinden.
Der 86jährige Rentner John Catt, der sich noch nie etwas hat zu schulden
kommen lassen, will die Ordnungshüter, die ihn als „Extremisten“
gebrandmarkt hatten, jetzt verklagen. Vier Jahre lang wurde ihm und seiner
Frau Linda bei mehr als 55 Friedens- und Menschenrechtsdemonstrationen
nachgestellt und dabei die Aktivitäten des Ehepaares minutiös festgehalten.
Catt will jetzt per Gerichtsbeschluss erwirken, dass seine Akte vernichtet
werden soll.
Offensichtlich neigt die britische Polizei zu einem gewissen Übereifer – ob
die neue Software hier noch Öl ins Feuer gießen wird, bleibt abzuwarten.
16 May 2011
## LINKS
[1] http://www.geotime.com/
## AUTOREN
Frank Heinz Diebel
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