# taz.de -- Aktion gegen Videoüberwachung: Dem Staat das Augenlicht nehmen | |
> Linke Aktivisten rufen in Berlin dazu auf, Kameras im öffentlichen Raum | |
> zu „entwerten“. Der Staatsschutz ist alarmiert. | |
Bild: Objekt der Begierde für linke Aktivisten in Berlin: Überwachungskamera | |
BERLIN taz | Ein Enterhaken an einem Kletterseil, ein schwungvoller Wurf | |
Richtung Hauswand – und weg ist die Kamera. Räuberleiter und ein wenig | |
Muskelkraft genügen – weg ist die nächste. Mit einer Metallstange schlagen | |
die Vermummten an einer Feuerwache irgendwo in Berlin eine weitere | |
Überwachungskamera von der Fassade. | |
Mit einem Mobilisierungsvideo haben linke Aktivisten in Berlin Anfang | |
Januar den Wettbewerb „Camover“ gestartet. Der Aufruf richtet sich gegen | |
den [1][europäischen Polizeikongress], der Mitte Februar in Berlin | |
stattfindet. Autonome Gruppen sollen sich gründen und Kameras im | |
öffentlichen Raum „entwerten“. | |
Die Gruppe, die die meisten „entwerteten Kameras“ nachweist oder durch die | |
„spektakulärsten Aktionen gegen die Überwachung auffällt“, gewinnt einen | |
„Ehrenplatz in der ersten Reihe der Demo gegen den Polizeikongress“, heißt | |
es auf der [2][Homepage] von „Camover“. | |
„Hysterisch ist die Forderung nach mehr Kameras, wenn wieder irgendwo | |
Islamisten vermutet werden oder es eine Schlägerei mal wieder in die Medien | |
schafft“, schreiben die Aktivisten. Nach dem versuchten Sprengstoffanschlag | |
von Bonn im Dezember 2012 war die Debatte über mehr Videoüberwachung erneut | |
aufgeflammt. | |
Einer Umfrage zufolge sprechen sich derzeit 81 Prozent der Deutschen für | |
eine stärkere Überwachung im öffentlichen Raum aus. Nach Meinung von | |
„Camover“ dient diese aber nicht der Aufklärung von Straftaten, sondern sei | |
ein repressives Mittel des Staates, um die eigenen Macht zu festigen. „Also | |
wehren wir uns gegen den Staat und gegen Konzerne und nehmen ihnen das | |
Augenlicht“, heißt es. | |
Auf große Resonanz ist der Aufruf noch nicht gestoßen. Lediglich zwei | |
autonome Gruppen haben sich bisher öffentlich beteiligt. Im Stadtteil | |
Neukölln will die „Combo van der Lubbe“ drei Kameras entfernt haben. Am | |
Wochenende sollen in Friedrichshain zwei weitere Kameras vom „Kommando: | |
Schwarzes Kaninchen des Todes“ entwendet worden sein. | |
## Erhöhte Wachsamkeit | |
Laut Berliner Polizei liegen dazu noch keine Strafanzeigen vor. Darüber | |
hinaus wissen die Behörden von einem weiteren Kameradiebstahl sowie einer | |
versuchte Kameraentwendung. „Uns ist der Aufruf zum Zerstören von | |
Überwachungskameras bekannt. Dazu wird ein Ermittlungsverfahren wegen des | |
öffentlichen Aufforderns zu Straftaten eingeleitet“, bestätigte die | |
Berliner Polizei gegenüber der taz. | |
Wie ernst die Behörden „Camover“ nehmen zeigt auch, dass der Staatsschutz | |
die Berliner Verkehrsbetriebe über die Bewegung informiert hat. Eine | |
BVG-Sprecherin sagte der taz, die Behörden hätten sie zu erhöhter | |
Wachsamkeit bis zum Polizeikongress im Februar aufgefordert. | |
Mit der Bewegung „Camover“ sind nicht alle Überwachungsgegner | |
einverstandne. Die Datenschützer vom [3][AK Vorrat] glauben, dass die | |
Aktionsform nicht zielführend sei. Zwar sei ihre Kritik an Überwachung | |
richtig, ihre Umsetzung aber kontraproduktiv, sagte Werner Hülsmann vom AK | |
Vorrat. „Das führt zu einer Selbstkriminalisierung der Gegner von | |
Überwachung und birgt zudem die Gefahr, dass letztlich noch mehr Kameras | |
aufgehängt werden. Kameras die Kameras überwachen“, sagte er der taz. | |
15 Jan 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.european-police.eu/Welcome/ | |
[2] http://camover.blogsport.de/ | |
[3] http://www.vorratsdatenspeicherung.de/ | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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