# taz.de -- Historiker Bredenbeck über das Unesco-Welterbe: „Hamburg sollte … | |
> Die Stadt übersieht das verbindende Element von City Hof und | |
> Kontorhausviertel, sagt Martin Bredenbeck vom Heimatbund. | |
Bild: Noch keinen Kultstatus erlangt: Nachkriegsbauten am City Hof. | |
taz: Herr Bredenbeck, wieso braucht das Kontorhausviertel den City Hof, um | |
Unesco-Welterbe zu werden? | |
Martin Bredenbek: Es geht nicht so sehr um ein Schreckensszenario, wie es | |
von vielen anderen Medien nach unserem offenen Brief an Bürgermeister Olaf | |
Scholz kolportiert wurde: Kein Welterbe ohne City Hof! Aber es ist schon | |
so, dass das Unesco-Welterbekomitee, das im Sommer darüber berät, ob das | |
Kontorhausviertel in die Liste aufgenommen werden soll, keine aus der Stadt | |
herausgeschnittenen Schaustücke haben will. | |
Sondern? | |
Die möchten auch wissen, was das, was sie zu prüfen haben, im gesamten | |
Kontext der Stadt bedeutet. Da wird sich dann natürlich die Frage stellen, | |
wieso Hamburg die verbindenden Qualitäten vom Kontorhausviertel der 1920er | |
und den benachbarten vier Hochhäusern aus den 1950ern nicht sieht. | |
Was ist das verbindende Element? | |
Sie stehen in Sichtbeziehung zueinander und wir haben mit Rudolf Klophaus | |
einen Architekten, der sowohl im Kontorhausviertel als auch später die | |
Hochhäuser des City Hofs gebaut hat. Außerdem sind sowohl die 1920er als | |
auch die 1950er-Jahre zwei Aufbruchszeiten Hamburgs. Zeiten, in denen die | |
Stadt sehr geboomt hat und viel gebaut wurde. | |
Wieso sähen es viele Leute lieber, wenn die vier elfstöckigen Häuser | |
verschwänden? | |
Die Periode der Nachkriegsarchitektur hat noch nicht diesen Kultstatus wie | |
das Kontorhausviertel und die 20er-Jahre. Viele Leute haben Vorbehalte und | |
möchten instinktiv eher das Trennende als das Verbindende sehen. | |
Mittlerweile gibt es aber eine recht starke Bewegung, die das anders sieht | |
und sagt, dass auch die Architektur der 50er und 60er kulturelles Erbe ist. | |
Muss um das Kontorhausviertel herum alles eingefroren werden, um den | |
Welterbe-Titel ja nicht zu gefährden? | |
Es wird keine Veränderungssperre um das gesamte Kontorhausviertel erlassen, | |
damit jenseits dieser Grenze das Welterbe unangetastet bleibt. Aber es muss | |
besonders sorgfältig überlegt werden, was abgerissen, gebaut und verändert | |
wird. Der Abriss eines Denkmals in unmittelbarer Nähe eines Welterbes wäre | |
da einfach schrecklich inkonsequent. Warum sollte man sich an dieser Stelle | |
amputieren? | |
Wieso mischen Sie sich da als Heimatbund eigentlich ein? | |
Es muss schon um herausragende Objekte von nationaler Bedeutung gehen, wenn | |
wir die Stimme erheben und einen offenen Brief schreiben. Wie in diesem | |
Fall gemeinsam mit dem deutschen Nationalkomitee vom Rat für Denkmalpflege. | |
In den letzten anderthalb Jahren haben wir uns nur für den Erhalt der | |
Leipziger Hauptpost aus den 1960er-Jahren und für das Berliner | |
Kongresszentrums aus den 1970ern eingesetzt. Und jetzt eben für das Hamburg | |
der 1950er, denn hier geht es auch um Heimat und Identität und darum geht | |
es uns auch was an. | |
Um was geht es Ihnen denn da konkret? | |
Wir fragen: Was war Hamburg, was möchte Hamburg sein und welches | |
baukulturelle Erbe ist Zeuge dieser Selbstbilder der Stadt im Wandel der | |
Zeit? Uns geht es um bürgerschaftliches Engagement und da sieht man ja, | |
dass sich auch in Hamburg Bürgerinitiativen gegen Pläne der Stadt bilden, | |
Baudenkmäler abreißen zu lassen. | |
Aber jenseits von Bewegungen wie der City Hof Initiative, auf die Sie | |
ansprechen, fühlen sich viele Hamburger dem City Hof und den 50er-Jahren | |
offenbar nicht so sehr verbunden. | |
Es gibt immer so Stimmungsbilder aus der Bevölkerung. Fragen Sie Leute in | |
der Fußgängerzone, geben viele nur so aus dem Bauch heraus ein Statement | |
ab: Hässlich! Passt nicht hierhin! Fragt man aber nach einer Begründung, | |
kommen die Leute schon ins Nachdenken. Zeigt man ihnen dann altes | |
Bildmaterial, erkennen sie, dass es zwischen City Hof und Kontorhausviertel | |
Bezüge gibt und dass die Architektur an sich nicht schlecht ist. Vielleicht | |
ist der City Hof ungepflegt und mit dieser grauen Plattenverkleidung | |
malträtiert, aber das muss ja nicht so bleiben. Außerdem gibt es Menschen, | |
die sind genau damit groß geworden und für die sind diese Gebäude aus den | |
50er-Jahren ein Stück Heimat. | |
Wieso haben es die 50er so schwer, zu bestehen? | |
Es gibt überall in Deutschland die Tendenz, Städte auf bestimmte | |
Zeitschichten festzulegen. So will Dresden unbedingt Barock sein und | |
Hamburg unbedingt die 20er-Jahre hochhalten. Andere Zeiten wie die 50er | |
werden lieber ausgeblendet. Es hat ja auch lange gedauert, bis die | |
Speicherstadt wiederentdeckt wurde, und auch der Hype ums Kontorhausviertel | |
währt noch nicht ewig. | |
Was bedeutet das nun? | |
Man muss den Hamburgern, und hier meine ich die Bürger und auch die | |
politisch Verantwortlichen, einfach erklären, was die Gründe für den Erhalt | |
des City Hofs sind; muss erklären, dass er jenseits ästhetischer Maßstäbe | |
das Gesicht der Innenstadt prägt und Teil der Biografie Hamburgs ist. Und | |
dass hier eine Chance liegt, die Stadt nicht auf bestimmte Schaustücke zu | |
reduzieren, sondern sie in ihrer Ganzheitlichkeit zu würdigen. | |
20 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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