# taz.de -- Vorsitzende der Bremer Linksfraktion: Heldin der Arbeit | |
> Linken-Mitglied ist Kristina Vogt 2008 geworden – aus Zorn über die | |
> Performance ihrer Abgeordneten. Seit 2011 hat sie die Fraktion als echte | |
> politische Kraft etabliert | |
Bild: Lob auch von Gegnern: Kristina Vogt, Vorsitzende der Bremer Linksfraktion. | |
BREMEN taz | Als Mitte April endlich die erste Umfrage kam, zur Bremer | |
Bürgerschaftswahl 2015, und die Erhebung Die Linke gerade mal wieder bei | |
sechs Prozent sah, da war sie einen Moment frustriert. Die | |
Fassungslosigkeit von Kristina Vogt, der Vorsitzenden der Linksfraktion, | |
angesichts dieser Zahlen ist nur kolportiert. Aber glaubhaft. Und | |
verständlich. | |
Denn keine Partei, keine Fraktion hat in der vergangenen Legislaturperiode | |
gründlicher ihr Image verbessert, sich deutlicher als konstruktive, | |
kritische Kraft im politischen Diskurs der Stadt etabliert, als die bloß | |
fünfköpfige Rumpftruppe, die Vogt seit 2011 anführt, und die es damals | |
trotz erheblicher Vorwahlquerelen gerade so eben noch ins Parlament | |
geschafft hatte. Und jetzt – wieder nur so klein? Das darf doch wohl nicht | |
wahr sein. | |
Ist es wohl auch nicht: Alle späteren Umfragen sehen Die Linke stramm | |
Richtung zehn Prozent marschieren. Und wenn das sich am Sonntag bestätigt, | |
dann darf sich das Vogt als Verdienst anrechnen, das weiß jeder: „Sie hat | |
wirklich gute Arbeit geleistet“, lässt sich, und das ist mitten im | |
Wahlkampf keine Selbstverständlichkeit, Matthias Güldner zitieren, der Chef | |
der Grünen-Fraktion. Wer sich über Vogt umhört, bekommt etwas über Respekt | |
zu hören, und keine abschätzigen Äußerungen. Nicht vom politischen Gegner. | |
Und noch nicht mal von den ParteifreundInnen: Dass ihr ein ähnliches | |
Missgeschick passiert wie Dora Heyenn, der direkt nach der Wahl | |
abservierten, sehr erfolgreichen Hamburger Linksfraktionsvorsitzenden und | |
Spitzenkandidatin – sorry, das ist bei Vogt einfach nicht vorstellbar: Die | |
Chemie zwischen ihr und der Parteiführung stimmt, und die hat ihre Basis | |
momentan pazifiziert. Und Vogt hat keine sozialdemokratische Vorgeschichte, | |
sondern eine Vita außerhalb von Parteien und Gremien: „Politisch“, hat sie | |
mal der taz gesagt, „war ich von der ’Autonomia Operaia‘ in Italien | |
beeinflusst“, der Autonomen Arbeiterbewegung Italiens. | |
Im Jahr 1984, als deren Vordenker, der Politologe Toni Negri, wegen | |
vermeintlicher Unterstützung des Brigate-Rosse-Terrors zu 30 Jahren Haft | |
verurteilt wurde, war Vogt nach Bremen gezogen. Im Stadtteil Walle betrieb | |
sie eine Kneipe namens „Horizont“. Später wechselte sie als | |
Rechtsanwaltsfachangestellte in die Kanzlei des politisch engagierten | |
Verteidigers Jan Sürig. | |
Dass sie 2011 in die Bürgerschaft ging, darüber war man dort gar nicht | |
glücklich, heißt es: Vogt ist unglaublich arbeitsam, rasend schnell und | |
gründlich, wenn es darum geht, sich in ein Thema reinzufuchsen. Und sie | |
kann es auch als Antrag formulieren: „Wir haben in den letzten Jahren oft | |
genug gezeigt, wo finanzielle Spielräume bestehen, die nicht genutzt | |
werden“, sagt sie. Ein vermeintlich alternativloser Kurs führe zur | |
Resignation, warnt sie: „Der Senat hat Bremen überspart.“ | |
Ihr Themenspektrum reicht von Flüchtlingspolitik, Wissenschaft, | |
Rüstungsfragen bis zu Bildung, ganz sicher Bildung, damit hat sie ja | |
angefangen. Und natürlich, jetzt, im Wahlkampf erläutert sie gern das | |
haushaltspolitische Credo, wonach die Schuldenbremse falsch sei, die | |
Sparpolitik eine Umverteilung zulasten der Armen – und Bremen, „Bremen hat | |
kein Ausgabenproblem“, sagt sie, „sondern ein Einnahmeproblem.“ | |
Vogt trat erst 2008 in die Partei ein, ein Jahr nach der Bürgerschaftswahl | |
und aus Zorn: Sie war sauer, weil die erste Linksfraktion in einem | |
westdeutschen Landtag überhaupt, kaum gewählt, auch schon angefangen hatte, | |
sich zu zerlegen. Da muss doch mehr gehen, in dieser armen, reichen Stadt. | |
Von den Mitgliedern der ersten Fraktion ist eines mittlerweile bei einer | |
Rechtspopulistengruppe gelandet, zwei andere sind bei der SPD, einige ganz | |
verschwunden. Aber ausgerechnet zwei Männer, die einander wenig schätzen, | |
sind dabei geblieben, und … – nichts und. Unter Vogts Führung gab’s keine | |
Hahnenkämpfe mehr, oder: nicht mehr öffentlich. Und seither geht da mehr, | |
in dieser sozial gespaltenen Stadt. | |
7 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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