# taz.de -- Bürgerschaftswahl in Bremen: Kein Bock auf Sparzwang | |
> Streit gehört der Vergangenheit an: Die Linkspartei in Bremen bereitet | |
> sich auf ihre nächste Legislaturperiode in der Opposition vor. | |
Bild: Kristina Vogt, die unangefochtene Spitzenkandidatin der Bremer Linksparte… | |
BREMEN taz | „Haushaltsnotlage“, „Schuldenbremse“ und „Kreditverbot�… | |
Bremen wird kaum eine politische Debatte ohne diese Schlagworte geführt. | |
Die Linkspartei kann das nicht mehr hören, will wieder von der sozialen | |
Frage sprechen, ohne sich vom elenden Geld ausbremsen zu lassen. | |
Sie sind die einzigen, die zur Wahl am 10. Mai [1][mit einem eindeutigen | |
Nein zum Sparzwang antreten]. Dafür würden sie sich notfalls auch vor | |
Gericht mit dem Stabilitätsrat anlegen, sagen sie. Und zumindest im seit | |
1946 durchgehend sozialdemokratisch regierten Bremen klingt das fast schon | |
ein bisschen nach Kommunismus. | |
Die soziale Spaltung ist in Bremen kein Wohlstands-Wehwehchen: [2][Die | |
Schere zwischen arm und reich, so sagt die Linke zu Recht bei jeder sich | |
bietenden Gelegenheit, ist hier weiter als irgendwo sonst.] Bremen hat im | |
bundesweiten Vergleich anteilig nicht nur die meisten Millionäre – zugleich | |
leben hier auch die meisten an der Armutsgrenze. | |
## Linkspartei will in die Opposition | |
Nun wird sich, wenn die Wahl dann vorbei ist, wohl kaum etwas ändern – | |
weder an der Armut noch an den parlamentarischen Mehrheiten: Die Prognosen | |
entsprechen in etwa dem Ausgang der vergangenen Wahl. Auch die Linkspartei | |
will wieder dahin, wo sie bereits ist: in die Opposition – um von dort zwar | |
nicht an der Regierung, wohl aber an deren Politik zu rütteln. | |
Das hat sich so eingespielt. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass | |
die Linke 2007 mit ihrem Einzug in die Bremische Bürgerschaft erstmals in | |
einem westdeutschen Länderparlament vertreten war. Mittlerweile ist | |
anderswo wieder Niedergang angesagt: 2012 der Abgang in Schleswig-Holstein | |
und Nordrhein-Westfalen, 2013 das Aus in Niedersachsen. Dann Anfang der | |
Jahres die Pleite in Hamburg. Obwohl die Linke da sogar zulegen konnte, | |
verweigerte die Fraktion ihrer Spitzenkandidatin Dora Heyenn die | |
Gefolgschaft – eine effektvolle Selbstdemontage, die bis in den | |
Bundesvorstand für Unruhe gesorgt hat. | |
In Bremen wird nun weder das eine noch das andere passieren: Der erneute | |
Einzug ist so gut wie sicher und der Kreis um Spitzenkandidatin Kristina | |
Vogt sitzt fest im Sattel. Das liegt nicht zuletzt am Management des | |
Landesverbands, dessen Führung sichtbar hinter der Fraktion steht, ohne an | |
der Basis jemanden zu brüskieren. Die Bremer Linkspartei ist ein | |
Sammelbecken diverser linker Strömungen, die sich ständig alle irgendwo zu | |
Wort melden, ohne dabei ernsthaft am Realoprofil der Partei zu rütteln. | |
Das war nicht immer so. Vor der letzten Wahl war die Partei bis aufs Blut | |
zerstritten und sägte ihre Führung ab. Durchgesetzt hat sich die bis dahin | |
kaum bekannte Kristina Vogt, die erst kurz zuvor aus der Apo in die Partei | |
gewechselt war und schnell zum Gesicht der Partei wurde. Ein Umsturz, ja – | |
der Machtkampf wurde aber offen ausgetragen. | |
## Die Basis steht hinter der Fraktion | |
Auf dem Listenparteitag kandidierte diesmal niemand gegen Vogt, die ihre | |
erneute Kandidatur unter Beifall bekannt gab. Und auch auf den folgenden | |
Plätzen gab es nur zaghafte Versuche aus der antikapitalistischen | |
Parteiströmung, in Kampfabstimmungen einzutreten. Für die Partei war das | |
letztlich eine Selbstversicherung: Die überwältigende Mehrheit der Basis | |
steht hinter der Fraktion. Auch intern folgten alle der Dramaturgie und | |
bewarben sich auf die ihnen angedachten Plätze. | |
Auch die Inhalte sind festgezurrt. Eine kurze Auseinandersetzung gab es um | |
den im Programm geforderten Altschuldenfonds. Einige wollten hier radikaler | |
vom „Schuldenschnitt“ sprechen. So werde „die Systemfrage“ gestellt, hi… | |
es. Fünf Minuten Schärfe in der Luft – bis sich die taktische Formulierung | |
der Realos durchsetzte: An die „entwickelte Debatte um den Altschuldenfonds | |
anknüpfen“, hatte Landessprecher Christoph Spehr das genannt. | |
Das war auch okay so. Eigentlich wollten eh alle nach Hause, weil ja Werder | |
gespielt hat. Linke Politik, sagt die linke Partei, findet ja nun nicht nur | |
im Parlament und erst recht nicht nur im Wahlkampf statt. So wird dann auch | |
in der kommenden Legislatur die Linkspartei in der Bürgerschaft debattieren | |
und anschließend gegenüber vorm Rathaus demonstrieren – und zusammen mit | |
der Apo „Druck machen“. | |
7 May 2015 | |
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## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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