# taz.de -- Bremens Finanzsenatorin Linnert: Alles im grünen Bereich | |
> Als die Grüne Karoline Linnert 2007 in Bremen zur Finanzsenatorin wurde, | |
> kam sie sich wie eine Aussätzige vor. Das ist besser geworden und sie | |
> will jetzt weiter sparen | |
Bild: Unglücklich aufgenommen: Grünen-Spitzenkandidatin Karo Linnert | |
BREMEN taz | Man müsste an die Großplakate der Bremer Grünen dranschreiben: | |
Dieses Foto entstand zu einem höchst unglücklichen Zeitpunkt. Denn, wer das | |
nicht weiß, denkt sich: Hä? Spitzenkandidatin Karoline Linnert guckt ja wie | |
Evelyn Hamann als Sekretärin Fräulein Dinkel, die ihrem Chef gerade | |
gesteht, sie heiße Renate. „Und weiter?“, fragt Loriot, der das Fräulein | |
Dinkel zuvor reingerufen hatte. Sie antwortet ungerührt: „Dinkel“. Und | |
schaut dabei so leer, dass man sich allein für diesen Gesichtsausdruck | |
wegwerfen könnte vor Lachen. | |
Linnert ist aber keine Sekretärin, sondern sitzt als Chefin der Bremer | |
Finanzbehörde im wohl cheffigsten Chefbüro. Denkmalgeschützt ist sogar der | |
quadratische Papierkorb aus Lindenholz. Nur Gemälde hat sie eigene | |
aufhängen dürfen. Die sind von ihrem Mann, einem Maler. | |
Zum Fototermin fürs Wahlplakat hat sie sich hingequält – da lag ihr Mann im | |
Sterben, was sie nicht verschweigt, aber auch nicht thematisiert. | |
Vielleicht hätte man lieber auf Archivmaterial zurückgegriffen, denn | |
Linnert ist kein hoffnungsloser Fall für Fotografen. Und als Bremer | |
Finanzsenatorin hat die grüne Spitzenkandidatin eine brillante Bilanz. | |
Klar, da war die Sache mit der Beamtenbesoldung. Da wollte sie das | |
Tarifergebnis aus dem öffentlichen Dienst nicht übertragen, sondern mit | |
Kürzungen in den mittleren bis oberen Besoldungsgruppen versehen. Es gab | |
Rabatz, und Linnert war dann auf unglückliche Weise ehrlich: Sie finde ja, | |
dass man in Deutschland dazu neige, auf hohem Niveau zu jammern. Und den | |
Beamtenaufstand hatte sie entsprechend als „Kindergarten“ bezeichnet. Nie | |
wird ihr das vergessen, trotz Entschuldigung. | |
Dann hat ausgerechnet Angela Merkel beim Wahlkampfbesuch behauptet, Bremen | |
müsse mal wieder investieren. Das sei besser gewesen, als die CDU | |
mitregierte, und Hunderte Millionen für Indoor-Vergnügungsparks und | |
ähnliche Sinnlos-Projekte verfeuerte. Aber das war Wahlkampf. | |
Sachpolitik macht dagegen der Stabilitätsrat. In dem sitzen alle deutschen | |
Finanzminister und prüfen Bremens Haushalt. Gerade erst haben sie | |
festgestellt: Die Sparvorgaben wurden schon wieder eingehalten. Die nächste | |
Tranche der Konsolidierungshilfe, das sind 300 Millionen Euro, auf die | |
Bremen laut Grundgesetz bis 2019 ein Anrecht hat, sofern es entsprechend | |
der Schuldenbremse die Ausgaben kürzt, wird freigegeben. Es ist alles im | |
grünen Bereich. Und das liegt an Linnert. Die hält den Beutel zu. Aber | |
nicht per se. Wenn sich etwas umschichten lässt – dann bitte. | |
Kein Mensch wird aus Leidenschaft fürs Finanzwesen politisch: Auch Linnert | |
war erst umwelt- und sozialbewegt, bevor sie sich in die Finessen der | |
Kameralistik reinfuchste. Vermutlich steht deswegen „im Herzen grün“ auf | |
den trüben Plakaten. Niemand scheint sich bei der 56-Jährigen ernsthaft zu | |
fragen, ob sie eine volle dritte Amtszeit absolvieren will. „Solange mich | |
meine Partei will“, sagt sie dann. | |
„Ich werde Bremen nicht kaputtsparen“, hat Linnert schon 2007 angekündigt. | |
Seither versucht sie, die extreme Haushaltsnotlage des Landes durch | |
organisatorische Feinjustierungen zu beherrschen – aufzulösen, geht nicht. | |
Dafür sind die alten Verbindlichkeiten von 20 Milliarden Euro zu groß. Von | |
jedem Euro, den Linnerts Behörde einnimmt, muss sie 20 Cent an die Banken | |
weiterleiten, die Kredite wollen bedient sein. Wie da rauskommen? Die | |
Privatisierung öffentlichen Eigentums hält sie für sinnlos. Den Plan der | |
Linken, über höhere Ausgaben die sozialen Schulden abzubauen und die | |
städtebaulichen Sanierungsstaus aufzulösen, um sich dann im Konflikt auf | |
dem Rechtsweg das Geld vom restlichen Deutschland zu holen, hält sie für | |
falsch. „Als ich hier anfing“, sagt Linnert, „kam ich mir im | |
Finanzministerrat wie eine Aussätzige vor.“ Bremens Ruf war ruiniert, | |
nachdem es die vorm Bundesverfassungsgericht eingeklagten | |
Sanierungsmilliarden verjuxt hatte. „Jetzt gibt es eine Gesprächsebene.“ | |
6 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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