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# taz.de -- Gewalt in türkischen Städten: Der syrische Krieg ist da
> Die Gewalt eskaliert zwischen kurdischen PKK-Sympathisanten und
> kurdischen Islamisten. Allein in Diyarbakir starben zehn Menschen.
Bild: Jugendliche Kurden in Diyarbakir zündeten Barrikaden an – trotz Ausgan…
ISTANBUL taz | Der syrische Bürgerkrieg hat die Türkei erreicht. 18 Tote
und Hunderte Verletzte sind die offizielle Bilanz einer Eruption der Gewalt
in etlichen türkischen Städten in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch. Seit
Mittwochfrüh gilt in sechs Städten im Südosten der eine Ausgangssperre.
Alle öffentlichen Institutionen einschließlich Schulen und Universitäten
sind geschlossen.
Das Zentrum der Auseinandersetzungen war Diyarbakir, die größte kurdische
Stadt der Türkei. Allein zehn Menschen wurden hier bei den
Auseinandersetzungen getötet. Die Hauptstraße im historischen Zentrum der
Stadt glich am Mittwochmorgen einem Trümmerfeld. Ausgebrannte Autos,
zerstörte Geschäfte, rußverkohlte Bankfassaden vermitteln einen Eindruck
von der Heftigkeit der Kämpfe. Dabei kam es nicht nur zu
Auseinandersetzungen zwischen den protestierenden Kurden und der Polizei.
Die Gewalt eskalierte vor allem zwischen kurdischen PKK-Sympathisanten und
kurdischen Islamisten der „Hüdar-Par“-Partei. Hüdar-Par ist ein Ableger d…
in den 90er Jahren entstandenen kurdischen Hizbullah, die nichts mit der
libanesisch-schiitischen Hisbollah zu tun hat, sondern 1992 mit
Unterstützung des Geheimdienstes zur Bekämpfung der PKK gegründet wurde.
Die Hüdar-Par-Anhänger gelten als Freunde der Terrormiliz Islamischer Staat
(IS).
Sechs der zehn Toten von Diyarbakir sollen Islamisten sein. Medienberichten
zufolge griffen in verschiedenen Städten PKK-Anhänger Hüdar-Par-Büros an.
Diese antworteten mit dem Einsatz von Schusswaffen. Um neuerliche
Auseinandersetzungen zu verhindern, gilt erstmals seit 22 Jahren in Teilen
des Südostens eine Ausgangssperre. Auf den zentralen Kreuzungen von
Diyarbakir, Mardin, Siirt, Mus, Batman und Van sind Panzer aufgefahren.
## Wasserwerfer, Tränengas und Knüppel
Die Kämpfe beschränkten sich allerdings nicht auf den Südosten. Auch in den
Metropolen Istanbul, Ankara, Izmir gingen viele Kurden und ihre türkischen
Unterstützer auf die Straße. Tausende Demonstranten drängten in die
legendäre Einkaufsstraße Istiklal, massiv verfolgt von der
Antiaufstandspolizei mit ihren Wasserwerfern, Tränengas und Knüppeln.
Der stellvertretende Ministerpräsident Yalcin Akdogan forderte am Mittwoch
alle Bürger des Landes auf, Ruhe zu bewahren und zu Hause zu bleiben. Die
Vorwürfe der Kurden, die türkische Regierung und das Militär unterstützten
heimlich den IS und schauten zu, wie die Islamisten die Kurden umbringen
würden, nannte er „eine große Lüge“.
Dem widersprach der Vorsitzende der syrisch-kurdischen Partei DYP, Salih
Muslim, der noch am letzten Wochenende in Ankara vergeblich um
Unterstützung gebeten hatte. Gegenüber Hürriyet Daily News erklärte er, die
Türkei habe alle Versprechungen gebrochen, die die Regierung ihm gemacht
habe.
Die wichtigste Forderung der syrischen Kurden lautet, dass die Türkei ihre
Kämpfer quasi im Transit über ihr Territorium in das von den IS-Terroristen
eingekesselte Kobani einlässt, um dort die Verteidiger zu unterstützen. Das
sei zugesagt, aber nicht eingehalten worden, sagte Muslim. Allerdings nimmt
die Türkei derzeit laufend verwundete kurdische Kämpfer aus Kobani in
Krankenhäuser auf.
## Türkei fordert mehr US-Luftangriffe
Andererseits versucht die türkische Regierung die syrischen Kurden derzeit
mit der Forderung zu erpressen, sie müssten zunächst der Freien Syrischen
Armee beitreten, bevor sie substanzielle Hilfe aus der Türkei erhalten
können. Diese kämpft seit Jahren gegen das syrische Assad-Regime. Die DYP
der syrischen Kurden kooperierte dagegen bisher mit dem syrischen Diktator.
Am Mittwochnachmittag traf sich das türkische Sicherheitskabinett mit
Präsident Erdogan, um über das weitere Vorgehen an der syrischen Grenze zu
beraten. Der stellvertretende Ministerpräsident Yalcin Dogan forderte in
einem Interview, die USA sollten ihre Luftangriffe auf die IS-Milizionäre
intensivieren. Allerdings hat das Nato-Mitglied Türkei bislang immer noch
nicht die US-Luftwaffenbasis im türkischen Incirlik für die Kämpfe gegen IS
freigegeben.
Wenn die [1][Nachrichten aus Kobani] zutreffen, wonach es den Kurden am
Mittwoch [2][noch einmal gelang], die Islamisten aus mehreren Stadtbezirken
hinauszudrängen, hätten die Türkei und die USA eine letzte Zeitspanne
gewonnen, um sich darüber zu verständigen, wie Kobani vielleicht doch noch
gerettet werden könnte. Denn falls türkische Truppen am Ende tatsächlich
tatenlos zusehen sollten, wie Hunderte Kurden abgeschlachtet werden, werden
Wut und Trauer der Kurden in der Türkei auch durch Ausgangssperren nicht zu
stoppen sein.
8 Oct 2014
## LINKS
[1] /Debatte-Kampf-gegen-IS/!147310/
[2] /Kaempfe-um-Kobane/!147289/
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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