# taz.de -- Parteien diskutieren über IS: Mit Waffen Tragödien beenden? | |
> Die Bundesregierung hält sich zu Kobani zurück. Die Linkspartei streitet, | |
> ob man den Kurden militärisch helfen soll. | |
Bild: Wer einen UN-Militäreinsatz fordere, gehe damit „naiv den Lügen der U… | |
BERLIN taz | In der Angelegenheit Kobani gibt sich die Bundesregierung | |
derzeit betont wortkarg. Denkt man über Waffenlieferungen an die syrische | |
Kurdenorganisation YPG nach, die vom IS-Terror bedrängt wird? Da sei | |
„nichts geplant“, beschied Frank-Walter Steinmeiers Pressesprecher knapp. | |
Und Druck auf die Türkei? Bloß nicht. | |
Es sei „wohlfeil, von hier aus der [1][Türkei Ratschläge] zu erteilen“, so | |
die Version des Außenministeriums. Will sagen: Dass Ankara die Terrormiliz | |
IS und die kurdische Miliz YPG, den syrischen Ableger der PKK, | |
[2][gleichermaßen als Feinde behandelt], stößt in Berlin derzeit auf eine | |
gewisse Nachsicht. | |
In den Oppositionsparteien sind indes hektische Debatten ausgebrochen – | |
auch, vielleicht gerade weil man dort so gar nichts tun kann. In der | |
Linkspartei gab es bei der Fraktionssitzung am Dienstag Krach. Ein Dutzend | |
Realos forderten in einem in sperrigem Linksparteijargon verfassten Aufruf | |
einen Militäreinsatz zur Rettung der Kurden in Nordsyrien, mandatiert vom | |
UN-Sicherheitsrat. Realistisch ist das kaum. Dass Russland einer | |
Militärmission in Syrien mit US-Beteiligung zustimmt, ist schwer | |
vorstellbar. | |
Praktikabel oder nicht – in der Fraktion ging es am Dienstag so laut her | |
wie lange nicht. Fraktionsvize Dietmar Bartsch, der den Aufruf | |
unterzeichnete, sagte der taz am Mittwoch: „Kobane ist ein ähnlicher Fall | |
wie Ruanda oder Osttimor. Man muss alles tun, die dortige Tragödie zu | |
beenden.“ Und: „Die Bombardierungen von IS-Stellungen durch die USA sind | |
völkerrechtswidrig. Ohne diese wäre allerdings die Lage noch | |
katastrophaler.“ | |
## Ist die Linke Friedenspartei? | |
Mit Waffen Tragödien beenden? Verständnis für US-Bomben, auch wenn sie IS | |
gelten? Für manche Genossen ist das starker Tobak. Seit dem Ausbruch der | |
Ukrainekrise klammern sich viele Genossen noch fester daran, die einzige | |
Friedenspartei im Bundestag zu sein. Die Front läuft nicht mehr zwischen | |
West und Ost: Auch manche pragmatischen Ostlinken halten Frieden ohne Wenn | |
und Aber für einen Identitätskern. | |
Entsprechend scharf kanzelt Sahra Wagenknecht, Kopf des linken Flügels, den | |
Realo-Aufruf ab. Wer wie Bartsch & Co einen UN-Militäreinsatz fordere, gehe | |
damit „entweder naiv den Lügen der US-Propaganda auf den Leim“. Oder noch | |
schlimmer: Das Ganze sei nur der Versuch „die friedenspolitischen | |
Positionen der Linkspartei zu schleifen und so das Eintrittsbillett für | |
eine künftige rot-rot-grüne Bundesregierung zu lösen“. Ein Fall von Verrat | |
also. Schon in der Fraktionssitzung wurden die Genossen um Petra Pau und | |
Stefan Liebich als Wiedergänger von Joschka Fischer attackiert. | |
Auch die Parteilinke Ulla Jelpke lehnt den Vorstoß der Realo-GenossInnen | |
ab. Es sei „grundsätzlich falsch“, sich um ein Mandat des | |
UN-Sicherheitsrates für einen Militärschlag zu bemühen. Die USA und | |
Russland seien „mitverantwortlich für das Desaster“ und könnten daher nic… | |
Retter sein. Für den linken Flügel ist es schlicht unvorstellbar, einen | |
Militäreinsatz mit UN-Mandat mit US-Truppen zu fordern. | |
Ulla Jelpke, Expertin für Kurden, sieht aber auch scharf das Desaster in | |
Nordsyrien. „Die Türkei will das selbstverwaltete Kurdengebiet fallen | |
sehen“, so Jelpke zur taz. Daher müsse die Bundesregierung die Türkei | |
drängen, „Waffenlieferungen an die Kurden in Syrien“ zuzulassen. Deshalb | |
müsse Berlin damit drohen, ansonsten „die Gespräche mit der Türkei über d… | |
EU-Mitgliedschaft auszusetzen“. Wie viel das nutzen würde, ist fraglich: | |
Die Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei kommen seit neun Jahren | |
nicht vom Fleck. | |
## Grüne stören sich an Türkei | |
Bei den Nachfolgern von Joschka Fischer wird die Debatte weniger heftig | |
geführt. Viele Grüne halten, wie Jelpke, die Türkei für das Hauptproblem. | |
Claudia Roth wirft dem türkischen Präsident Erdogan vor, „die Kurden in | |
ihrer Selbstständigkeit zu schwächen“, indem er die IS-Miliz gewähren | |
lasse. Es gebe „mehr und mehr“ IS-Trainingscamps in der Türkei. Das sei | |
eine „dreckige Politik“, so Roth. „Da muss die Nato auf den Tisch hauen.�… | |
Auch Grünen-Chef Cem Özdemir wirft der Türkei eine „zynische Strategie“ | |
vor, sie wolle vor allem die PKK schwächen. Man müsse sich mit dem | |
Nato-Partner endlich auf das „Ziel Nummer eins“ verständigen – die | |
Verhinderung eines islamistischen Gottesstaates. | |
Dafür plädiert Özdemir im Notfall für eine Bodenoffensive und militärische | |
Unterstützung für die syrischen Kurden. Er sei „unverdächtig, ein Freund | |
der PKK zu sein“, so Özdemir. „Ich hatte schon Polizeischutz wegen der | |
PKK.“ Dennoch dürfe man „jetzt keine Haarspalterei betreiben, welche Kurden | |
man unterstützt“. Sonst lebe niemand mehr, wenn die Hilfe komme. Doch die | |
Mehrheit der Grünen tickt offenbar anders. Wie bei der Debatte über Waffen | |
an die Kurden im Irak steht Özdemir in der Fraktion vermutlich wieder | |
ziemlich allein. | |
8 Oct 2014 | |
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[1] /Debatte-Kampf-gegen-IS/!147310/ | |
[2] /Gewalt-in-tuerkischen-Staedten/!147328/ | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Astrid Geisler | |
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