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# taz.de -- Brandenburgs AfD-Chef Gauland: Erfolgreiche Anpassung
> Alexander Gauland war ein auch bei Linken geachteter konservativer
> Intellektueller. Als AfD-Spitzenkandidat betreibt er jetzt rechten
> Populismus.
Bild: Rutscht immer weiter ins Ressentiment: Alexander Gauland
Am Ende dieses lehrreichen Abends wird Konrad Adam durch die Brandenburger
Nacht zum Bahnhof Bestensee stapfen. Alleine, im feinen Zwirn, eine Flasche
Wein im Arm. Adam, heute 72 und einer der drei AfD-Bundessprecher, war mal
eine große Nummer der deutschen Publizistik: Feuilletonredakteur der FAZ,
Chefkorrespondent der Welt, schon damals durchaus aufgeschlossen für
bizarre Ideen, etwa die Aberkennung des Wahlrechts für Arbeitslose.
Aber das hier hat doch eine andere Qualität. „Und wer fragt uns?
Asylbewerberheime und Bürgerbeteiligung“ heißt die Veranstaltung am 5.
September in Bestensee südlich von Berlin. Die Luft ist stickig, der kleine
Saal eher spärlich gefüllt. Auftritt Steffen Kotré, AfD-Listenplatz 14 bei
der Brandenburg-Wahl, grauer Anzug, helle Krawatte.
Kotré wirft einen Vortrag über das deutsche Asylrecht an die Wand. Nur ein
Prozent der Bewerber würde anerkannt. Dann zeigt er Beispiele aus aller
Welt, wo die Integration von Einwanderern missglückt sei. Rotherham in
England, wo 1.400 Kinder von meist pakistanischen Einwanderern missbraucht
wurden. Schweden, wo die Zahl der Vergewaltigungen parallel mit der
Zuwanderung von Muslimen gestiegen sei. „Das lass ich mal so im Raum
stehen“, sagt Kotré. Und plädiert für Volksabstimmungen in jeder Gemeinde,
ob die Bürger ein Flüchtlingsheim am Ort wollen oder nicht.
Konrad Adam schimpft später über Grenzkriminalität – Diebe aus Polen und
Drogenhändler aus Tschechien. Das wirkt nach Kotrés Auftritt fast schon
zivil.
Als die taz den Spitzenkandidaten dieses Wahlkampfs drei Wochen zuvor in
seiner Potsdamer Wohnung traf, war die Welt fast noch in Ordnung. Alexander
Gauland, 73, ist das Gesicht der Brandenburger AfD. Der Wahlkampf hatte
kaum begonnen, das gedruckte Kurzwahlprogramm ist harmlos. Aber eine
Pressekonferenz sorgt für Irritationen. Gauland verlangte dort, eine
Kriminalstatistik mit der Nationalität der Täter einzuführen. „Die Menschen
wollen wissen, ob es bestimmte Einwanderungsgruppen gibt, die in unserer
Gesellschaft problematisch sind – und Mut zur Wahrheit ist, dass ich das
feststelle“, sagt er der taz dazu. Thema beendet. Der Rest der Gesprächs
dreht sich um Landespolitik und die AfD.
## Abteilung Salon
Gauland passt in keine einfachen Schubladen. Er war Staatskanzleichef unter
Hessens Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU), später geachteter
Herausgeber der Märkischen Allgemeinen, des Potsdamer Lokalblattes. Ein
konservativer CDUler, aber einer, der gerne mit Linken und Grünen
debattierte. Abteilung Salon, nicht Attacke.
Auch in der taz genoss Gauland bisher Sympathien. In den Nullerjahren
verfasste er Debattenbeiträge für die Meinungsseite. Die Linke hätte
inzwischen die traditionelle Rolle der Konservativen als „Romantiker,
Maschinenstürmer und Nachzügler der Weltgeschichte“ übernommen, die
Konservativen seien „auf die Seite der Industriegesellschaft gedrängt“
worden, schrieb er 2003. Diesem Dilemma entkämen „die Konservativen nicht
durch die Anrufung des Patriotismus“. Und zitiert den Aphoristiker Garnier:
„Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird man am ehesten konservativ sein, nicht
unbedingt in der Absicht, die Interessen der Besitzenden zu schützen,
sondern um die Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Veränderungen zu
drosseln.“
In der Merkelschen „Inhalte überwinden“-CDU hielt es Gauland nicht mehr
aus. Als er Spitzenkandidat der neuen Partei wurde, schrieb die taz von
einem „Glücksfall“ für die AfD. Gauland versprach einen intellektuell
spannenden Konservatismus – einen, der darauf verzichtete, in
Rechtspopulismus zu machen.
Aber so kommt es nicht. Eine Woche nach dem taz-Gespräch streitet Gauland
für die deutsche Drei-Kind-Familie: „Traurig: Sie lehnen die von uns
geforderte Willkommenskultur für deutsche Kinder ab, befürworten aber eine
Willkommenskultur für Zuwanderer“, wirft er dem CDU-Kandidaten Michael
Schierack vor. Drei Tage danach geht es gegen die CSU: „Wer will, dass die
Zuwanderung in unsere Sozialsysteme aufhört, hat nur eine Wahl: Das
Original, die AfD!“ verkündet Gauland.
## Futter für die niederen Instinkte
Die AfD rutscht in jeder Wahlkampfwoche mehr ins Ressentiment, ins große
und kleine: Für ihr Sommerfest in Potsdam engagiert sie den Liedermacher
Torsten Riemann. Der singt gegen den Prenzlauer Berg an: „Alles ist hier
sauber/Alles ist im Lot/Hochbegabte Kinder/scheißen Dinkelbrot.“ Gauland
klatscht eher pflichtbewusst – das ist nicht sein Stil.
Im taz-Gespräch hatte sich Gauland nicht zum ersten Mal positiv über sein
Vorbild, den Iren Edmund Burke und dessen „vernünftige liberal-konservative
Reformpolitik“ geäußert. Burke, der 1797 starb, war Gegner der
Französischen Revolution und fürchtete die Macht des Pöbels.
Jetzt im Wahlkampf gibt Gauland den niederen Instinkten Futter. Auf der
Wahlkundgebung in Frankfurt/Oder am vergangenen Samstag ist ein geplantes
Flüchtlingsheim sein Hauptthema. „Es geht nicht darum, dass wir Asylbwerber
aufnehmen müssen, es geht darum, dass es im Geheimen geschieht.“ Der
dortige Landrat habe die Bevölkerung nicht informiert, sagt er – und klagt
dann über Kindergeld abkassierende Rumänen.
Gauland wahrt exakt die Linie, dass man ihm nicht Rassismus vorwerfen kann.
Aber an der AfD-Basis verstehen sie seinen Wahlkampf als Freibrief, wieder
sagen zu dürfen, was sie denken. „Alle wundern sich, dass die Flüchtlinge
Scheiße bauen. Aber die sind es ja aus ihrem Land gewöhnt. Da können sie
alles machen, was sie wollen“, verkündet der Direktkandidat Hartmut
Händschke.
Burkes Konservatismus, sagt Gauland, habe sich „in Deutschland aus
vielerlei Gründen nicht durchgesetzt“. Irgendwann muss Gauland beschlossen
haben, dass es im Wahlkampf besser sei, wieder an einen deutschen
Traditionsstrang anzuknüpfen: den schmuddeligen Rechtspopulismus, den die
Merkel-CDU aufgegeben hat. Die letzte Umfrage zur Brandenburg-Wahl sieht
die AfD bei 9,5 Prozent.
13 Sep 2014
## AUTOREN
Martin Reeh
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Rechtspopulismus
Alexander Gauland
Brandenburg
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