| # taz.de -- EU erhöht Druck auf Israel: Nicht mehr „Made in Israel“ | |
| > Stagnation prägt Gaza und das Westjordanland: EU-Diplomaten schlagen eine | |
| > Kennzeichnung von Waren und Boykottmaßnahmen vor. | |
| Bild: Haben einen der wenigen Jobs: Fischer in Gaza Stadt. | |
| JERUSALEM taz | Eine Woche vor einer Palästina-Geberkonferenz in Brüssel | |
| zeichnet die Weltbank ein düsteres Bild von der Wirtschaft im | |
| Westjordanland und dem Gazastreifen. Die Arbeitslosenzahlen steigen, | |
| während die internationale Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Zwar konnten im | |
| öffentlichen Sektor Arbeitsplätze geschaffen werden, doch das „ist keine | |
| mittel- und langfristige Lösung“. | |
| Im Gazastreifen lag die Arbeitslosenrate laut Weltbank-Bericht im letzten | |
| Quartal 2012 bei 32,2 Prozent und damit 2 Prozent höher als im Vorjahr. Bei | |
| ganzen 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt die Exportrate. Sie gehört | |
| damit zu den niedrigsten weltweit. | |
| Grund für die Stagnation seien die anhaltenden Bewegungseinschränkungen wie | |
| auch frühere Wirtschaftsabkommen mit Israel, die auf eine befristete Zeit | |
| angelegt waren, aber durch den Stillstand im Friedensprozess seit fast 20 | |
| Jahren in Kraft sind. Ein weiterer Grund ist der Siedlungsbau, sagen | |
| europäische Diplomaten und fordern striktere Maßnahmen dagegen. | |
| Es ist jedes Jahr fast dieselbe Prozedur, wenn Einzelheiten aus dem | |
| internen Bericht an die Presse durchsickern: Die EU-Vertretung in Jerusalem | |
| verweigert den Kommentar zu dem Appell europäischer Diplomaten, Sanktionen | |
| gegen Israel zu verhängen. Nach Informationen der Tageszeitung Haaretz | |
| legen die Diplomaten der EU nahe, Unternehmen zu boykottieren, die in den | |
| Siedlungen tätig sind oder sich am Siedlungsbau beteiligen. | |
| ## „Product from Israeli settlement“ | |
| Dies scheint auf offene Ohren zu stoßen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine | |
| Ashton rief die Mitgliedsstaaten dazu auf, Produkte aus israelischen | |
| Siedlungen gesondert auszuzeichnen. Bereits seit acht Jahren werden solche | |
| Produkte offiziell von Vergünstigungen des Handelsabkommens zwischen der EU | |
| und Israel ausgenommen. Die jüdischen Viertel und Siedlungen in | |
| Ostjerusalem, im Westjordanland und auf den Golanhöhen sind vom | |
| Assoziationsabkommen ausgeschlossen – und das syrische Alawitendorf Ghadjar | |
| und die vier drusischen Dörfer auf dem Golan. | |
| Die Niederlande halten neuerdings den Einzelhandel an, die fraglichen | |
| Produkte nicht mehr mit „Made in Israel“ zu kennzeichnen, sondern | |
| stattdessen die Herkunft mit „Product from Israeli settlement (West | |
| Bank/Golan Height/East Jerusalem)“ auszuzeichen. Auch Irland und Dänemark | |
| wollen den Boykott per Beschriftung erleichtern. | |
| Der Bericht der EU-Diplomaten empfiehlt, „direkte Investitionen“ für den | |
| Ausbau der „Infrastruktur und Dienstleistungen der Siedlungen zu | |
| verhindern“. Ferner solle die EU bei gemeinsamen Forschungsprogrammen wie | |
| „Horizont 2020“ genauer differenzieren. „Hunderte von Millionen Euro“, | |
| schreibt Haaretz, fließen im Rahmen des Projekts aus Europa „in israelische | |
| Hightechunternehmen“. Ein Teil dieser Gelder erreiche auch die | |
| Forschungslaboratorien des Kosmetikunternehmens Ahava im Jordantal, das | |
| Mineralien aus dem Toten Meer verarbeitet. | |
| ## Fangoschlamm aus besetzten Gebieten | |
| Laut der israelischen NGO „Koalition der Frauen für Frieden“ verzeichnet | |
| das weltweit in 25 Staaten exportierende Unternehmen Ahava einen | |
| Jahresprofit von rund 150 Millionen US-Dollar. Die Initiative | |
| veröffentlicht auf ihrer Internetseite www.whoprofits.org regelmäßig | |
| aktualisierte Listen von Firmen, die in den Siedlungen produzieren oder mit | |
| Siedlungen kooperieren. | |
| Ahava gehört knapp zur Hälfe zwei israelischen Kibutzim | |
| (Landwirtschaftskooperativen) im Westjordanland und zur anderen Hälfte | |
| einem israelischen und einem US-Aktionär. „Ahava ist von den israelischen | |
| Behörden dazu autorisiert, Fangoschlamm aus den besetzten Gebieten am Toten | |
| Meer abzutragen und zu vermarkten“, heißt es in einem Bericht der | |
| „Koalition der Frauen für Frieden“. Den Palästinensern bleibt hingegen | |
| verwehrt, die eigenen Naturschätze wirtschaftlich zu nutzen. | |
| ## Mangels Alternativen arbeiten Palästinenser in den Seidlungen | |
| Aus Mangel an Alternativen sind viele Palästinenser dazu gezwungen, selbst | |
| in den Siedlungen zu arbeiten. Die Firma Sodastream, die im Industriegebiet | |
| der Siedlung Maale Adumim rund 500 Palästinenser beschäftigt, gehört zu den | |
| größten privaten Unternehmen im Westjordanland. „Wir bieten den | |
| Palästinensern nicht nur einen Arbeitsplatz, Krankenversicherung und | |
| soziale Absicherung, sondern auch einen sehr hohen Lohn“, sagt | |
| Geschäftsführer Daniel Birnbaum. Für ihn ist das Unternehmen ein Weg, | |
| einander kennenzulernen und zu respektieren. „Dies ist ein Beispiel für | |
| Frieden“, sagt Birnbaum. | |
| Eine Studie der Ostjerusalemer Al-Kuds-Universität zufolge würden jedoch | |
| über 80 Prozent der Palästinenser lieber in palästinensischen Unternehmen | |
| arbeiten. Gipfel der Paradoxie ist, so berichtet die „Koalition der Frauen | |
| für Frieden“, dass 11 Prozent der Palästinenser, die in der Landwirtschaft | |
| israelischer Siedlungen beschäftigt sind, Land bearbeiten, das vor der | |
| Besatzung ihrer eigenen Großfamilie gehörte. „Es ist ein Teufelskreis“, | |
| sagt Eness Elias, Mitarbeiterin der NGO. „Die Siedlungen bieten den | |
| Palästinensern Arbeit, gleichzeitig sind die Siedlungen Grund dafür, dass | |
| es keine palästinensischen Arbeitsplätze gibt.“ | |
| 14 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Knaul | |
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