# taz.de -- Israel/Palästina-Debatte: Keine Kosmetik mehr aus Israel | |
> Ist es richtig, den Boykott israelischer Produkte zu fordern, um mehr | |
> Rechte für Palästinenser zu erwirken? Eine Debatte im taz-Café verlief | |
> überraschend sachlich. | |
Bild: „Code Pink“-Protest in Tel Aviv gegen eine Kosmetikfirma, die Produkt… | |
BERLIN taz | Kontrovers, scharf und provokant, aber immer respektvoll, | |
sachlich und auf hohem Niveau verlief die Diskussion über einen Boykott | |
israelischer Produkte und Institutionen am Mittwochabend im taz Café. Das | |
war, bei dem Thema, keine Selbstverständlichkeit. | |
Der Aktivist Omar Bargouthi, Mitbegründer der „Boycott, Divestment and | |
Sanctions“-Bewegung, die sich seit 2005 für einen Boykott israelischer | |
Produkte und Institutionen einsetzt, umriss deren Ziele: ein Ende der | |
Besatzung, volle Gleichberechtigung der arabischen Bürger Israels und, das | |
war der umstrittenste Punkt, eine Anerkennung des Rechts palästinensischer | |
Flüchtlinge auf Rückkehr. | |
Sein Kontrahent, der Publizist Micha Brumlik, klopfte diese drei | |
Forderungen darauf ab, ob sie moralisch und völkerrechtlich gerechtfertigt | |
und, drittens, auch politisch klug seien. | |
Brumlik räumte ein, dass die Verhältnisse im Westjordanland, wo es Straßen | |
und Siedlungen nur für Juden gibt, an die Apartheid in Südafrika | |
erinnerten. Israel sei aber kein rassistischer Staat. Es sei deshalb | |
richtig, Produkte aus den besetzten Gebieten als solche zu deklarieren, wie | |
es Europa jetzt verlangen will. | |
## „Schwerste Waffe moralischer Kriegsführung“ | |
Ein grundsätzlicher Konsumentenboykott – „die schwerste Waffe der | |
moralischen Kriegsführung“, so Brumlik – sei aber nicht angemessen. Müsse | |
man dann nicht auch chinesische Waren wegen Tibet boykottieren? Oder | |
Saudi-Arabien? Klar, warum nicht, antwortete Barghouti. Er trete aber nun | |
mal für den Boykott Israels ein, weil er Palästinenser sei und dieser Staat | |
ihn unterdrücke. | |
Nur am Rande ging es um die Frage, ob sich ein Israel-Boykott für Deutsche | |
aus historischen Gründen verbiete. Israel abzulehnen speise sich oft aus | |
antisemitischen Klischees, mahnte Brumlik. Barghouti entgegnete, Europa | |
kritisiere auch afrikanische Staaten und Diktaturen, obwohl der | |
Sklavenhandel mehreren Millionen Afrikanern das Leben gekostet habe. | |
Daneben sah er sogar eine besondere deutsche Verantwortung: „Wir sind die | |
Opfer von einigen Opfern des Holocaust.“ | |
## Vergleich Palästina-Südtirol | |
Während Barghouti das Los der Palästinenser damit provokant auf eine | |
historische Ebene hob, relativierte es Brumlik ebenso provokant, indem er | |
es mit der Lage der Deutschen in Südtirol verglich. | |
Zwei weitere Punkte kritisierte Brumlik: Ein Recht auf Rückkehr für alle | |
Palästinenser würde das Ende Israels bedeuten, damit werde man in Israel | |
keine Bündnispartner finden. Auch ein akademischer Boykott würde die | |
Falschen treffen, denn an den Universitäten seien die lautesten Kritiker | |
des Besatzungsregimes zu finden. Barghouti zählte hingegen mehrere | |
Beispiele dafür auf, wie eng israelische Universitäten mit dem | |
Besatzungsregime verbandelt seien. | |
Letztlich aber standen sich zwei Grundüberzeugungen gegenüber. Brumlik | |
glaubt, dass ein echter Wandel nur aus der israelischen Gesellschaft selbst | |
kommen kann. Barghouti dagegen ist überzeugt, dass nur Druck von außen | |
hilft, um Israels Politiker umzustimmen. | |
Als Erfolg wertet er es deshalb, von Israel als „strategische Gefahr“ | |
angesehen zu werden. Als er im Februar auf einem Campus in Brooklyn mit der | |
Philosophin Judith Butler auftreten wollte, machten rechte jüdische | |
Organisationen dagegen mobil. „Wer auf eine Universität gehen möchte, wo | |
die Regierung entscheidet, welche Themen zur Debatte stehen dürfen, der | |
sollte sich in Nordkorea einschreiben“, beschied sie New Yorks | |
Bürgermeister Michael Bloomberg daraufhin. Wohl auch deshalb ist es um | |
Barghoutis Auftritte in Deutschland bislang relativ ruhig geblieben. Auch | |
das ist ein Fortschritt. | |
14 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
Daniel Bax | |
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