# taz.de -- Zivilgesellschaft in Guatemala: Aktivist:innen im Visier | |
> Seit dem Amtsantritt von Giammattei geraten Guatemalas NGOs unter Druck. | |
> Aktivist Santos warnt vor „radikalen Offensiven“ gegen die Gesellschaft. | |
Bild: Juristin Leily Santizo auf dem Weg zum Gericht in Guatemala-Stadt, Februa… | |
HAMBURG taz | Für Jorge Santos, Koordinator der Menschenrechtsorganisation | |
Udefegua, wird die Situation in Guatemala immer bedrohlicher. „Im letzten | |
Jahr haben wir 406 Fälle von Kriminalisierung zivilgesellschaftlicher | |
Aktivist:innen registriert. Parallel dazu wird der Druck auf | |
unabhängige Richter:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen | |
immer größer“, kritisiert Santos. | |
Auch Lucía Ixchíu ist ein Beispiel dafür. Die indigene Aktivistin und | |
Journalistin hat in Spanien Asyl beantragt, weil ihre Rückkehr nach | |
Guatemala derzeit unmöglich ist. Das bestätigt auch ein Schreiben der | |
Ombudsstelle für Menschenrechte in Guatemala. | |
Die vom Juristen Jordán Rodas geleitete staatliche Institution weist darauf | |
hin, dass seit der [1][Amtsübernahme von Alejandro Giammattei] im Januar | |
2020 die Angriffe auf Umwelt- und Menschenrechtsaktivist:innen, aber auch | |
auf Journalist:innen spürbar zugenommen haben. | |
Eine beispiellose Kampagne gegen die Unabhängigkeit der Justiz und | |
zivilgesellschaftliche Organisationen sei derzeit in Guatemala im Gange, | |
so Rodas. Davon ist auch dessen eigene Dienststelle betroffen, deren Etat | |
mehrfach gekürzt wurde. Auch Rodas selbst wollen die Parlamentarier der | |
Regierungsallianz hinter dem konservativen Präsidenten loswerden. Mehrfach | |
wurde versucht, ihn aus dem Amt zu manövrieren – bisher erfolglos. Bis in | |
den August läuft sein Mandat noch, dann wird er wie andere Jurist:innen | |
und Aktivist:innen der Zivilgesellschaft das Land wohl verlassen | |
müssen. Ihre Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet. | |
## Gegen das System Giammettei | |
Auch Juan Francisco Sandoval, Leiter der Sonderstaatsanwaltschaft gegen die | |
Straflosigkeit (FECI), musste [2][im Juli 2021 Guatemala fluchtartig | |
verlassen]. Unter Druck befinden sich derzeit zahlreiche | |
Mitarbeiter:innen seiner ehemaligen Dienststelle. Leily Santizo wurde | |
verhaftet, Rudy Herrera floh gerade noch rechtzeitig in die USA. | |
Beide gehören zu den Jurist:innen, die gegen das auf Korruption und | |
Klientelismus beruhende System Giammattei ermittelten. Dafür trug die FECI | |
Beweise zusammen. Ein Teil dieser Beweise befindet sich im Tresor der | |
unabhängigen Richterin Erika Aifán, die gegenüber dem investigativen | |
Online-Portal El Faro aus San Salvador, aber auch gegenüber CNN Anfang | |
Februar Details bekanntgab. Nun wird auch gegen sie ermittelt. „Sie weiß | |
schlicht zu viel“, sagt Jorge Santos. | |
Santos attestiert dem „Pakt der Korrupten“, der seit 2017 erst gegen die | |
UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) und nach dessen | |
Mandatsende im September 2019 gegen die eigene Justiz vorgeht, eine | |
radikale Offensive auf allen Ebenen. | |
## NGOs wird die Arbeit erschwert | |
Dazu gehört auch die Novelle des „Organisationsgesetzes für | |
Nichtregierungsorganisationen“, das den NGOs nun die detaillierte | |
Offenlegung ihrer Finanzen vorschreibt. Am 2. Februar lief eine Frist aus, | |
um den Status als Nichtregierungsorganisation zu erneuern. Die haben aber | |
nur vier Prozent der Organisationen eingehalten. „Das könnte Folgen haben“, | |
warnt Santos. | |
Unter dem Vorwand der finanziellen Kontrolle und Transparenz könnte der | |
Radius von Nichtregierungsorganisationen merklich eingeschränkt werden, | |
befürchtet er. Er zieht Parallelen zu einem ähnlichen Gesetz in Nicaragua, | |
das dazu führte, dass dort nur eine Menschenrechtsorganisation überlebt hat | |
– alle anderen wurden geschlossen. „Hier droht ebenfalls eine Schwächung | |
der zivilgesellschaftlichen Institutionen“, warnt Santos. | |
Unbequeme Menschenrechtsorganisationen wie Udefegua oder die Stiftung Helen | |
Mack gelten als gefährdet, haben aber im Gegensatz zu kleineren | |
Organisationen alle Unterlagen vorgelegt. Ob das vor Sanktionen eines immer | |
autoritärer auftretenden Staates schützt, ist aber offen. | |
6 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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