# taz.de -- „Z“-Symbole und Morddrohung: Der Krieg am Hamburger Stadtrand | |
> Immer häufiger tauchen in Hamburg-Bergedorf „Z“-Symbole auf. Eine | |
> Familie, die ukrainische Geflüchtete unterstützt, hat eine Morddrohung | |
> erhalten. | |
Bild: Propagandakrieg via Hauswand: eines der „Z“-Symbole im Hamburger Bezi… | |
HAMBURG taz | Immer wieder taucht im Hamburger Bezirk Bergedorf das | |
„Z“-Symbol auf. An Hauswänden, auf Autos und auch an einer Turnhalle der | |
Gretel-Bergmann-Schule im Stadtteil Neuallermöhe. Gegen eine Familie hat es | |
sogar eine Morddrohung gegeben – warum häufen sich die Vorfälle im | |
Hamburger Osten? | |
Mit dem „Z“, erklärt das russische Verteidigungsministerium auf Instagram, | |
meine man „Za Pobedu“ – für den Sieg. Ein anderer Deutungsversuch erklä… | |
die Wahl ausgerechnet dieses Buchstabens, den es im kyrillischen Alphabet | |
so gar nicht gibt, mit der Himmelsrichtung „Zapad“ – Westen. Das solle die | |
Marschrichtung der russischen Invasion vorgeben. | |
Ursprünglich zur Markierung der eigenen Fahrzeuge im Krieg in der Ukraine | |
gedacht, um Beschuss aus den eigenen Reihen zu verhindern, avancierte das | |
Symbol zu einem [1][Zeichen der Unterstützung des russischen | |
Angriffskrieges]. Wenige Wochen nach Kriegsbeginn kündigten erste | |
Bundesländer an, das Zeichen [2][strafrechtlich zu verfolgen], wenn es in | |
eindeutiger Verbindung zum Krieg stehe. | |
Die Androhung juristischer Konsequenzen hält Putin-Unterstützer:innen im | |
Hamburger Bezirk Bergedorf allerdings nicht auf, das Zeichen verbreitet | |
sich hier schneller als in anderen Stadtteilen, so das Bergedorfer | |
[3][Bündnis gegen Rechts (BBgR)]. Auch die Zahlen der Hamburger Polizei | |
bestätigen diesen Eindruck. Von 50 Strafanzeigen im gesamten Stadtgebiet | |
bezüglich der Z-Symbole entfallen allein 30 auf das Polizeikommissariat 43, | |
das den gesamten Bezirk Bergedorf abdeckt. | |
„Es tauchen auch immer wieder neue Symbole auf“, sagt Patrick Kühl, | |
Grünen-Politiker in der Bezirksversammlung Bergedorf und Mitorganisator des | |
BBgR. Er selbst habe zuletzt viele Z-Symbole beobachten können, aber auch | |
von außen seien Bürger:innen an das Bündnis herangetreten, um auf die | |
Propaganda-Symbole aufmerksam zu machen. | |
„Ich sehe mir die Symbole meist auch genauer an, es sieht so aus, als seien | |
es an vielen Stellen dieselben Täter:innen gewesen, als sei dieselbe | |
Farbe verwendet worden“, sagt Kühl. Dass es eine signifikante Häufung in | |
Bergedorf gebe, das könne daran liegen, dass in Neuallermöhe viele | |
russische Spätaussiedlerinnen wohnen. Unter ihnen gebe es einige, die | |
russische Propaganda und alternative Medien konsumierten, sich in | |
Echokammern verlören, um sich schlussendlich mit dem Angriffskrieg zu | |
solidarisieren. | |
Wichtig ist Kühl zu betonen, dass es auch aus der russischen Community | |
Widerstand gibt, der sich gegen Putins Krieg stellt. Z-Symbole wurden | |
teilweise übersprüht, manche mit „net voyne“ („Nein zum Krieg“) | |
kommentiert. | |
„Der Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern des russischen | |
Angriffskrieges wird jedoch nicht allein mit Farbe ausgetragen. Vor Kurzem | |
erhielt eine Familie in Neuallermöhe einen Drohbrief, sie hatte ukrainische | |
Geflüchtete aufgenommen. „Wenn du ein Echter Deutscher bist […] raten wir | |
dir; deine Gäste samt der Flagge in deren Auto zusetzen und ab mit denen | |
Richtung Osten. Gefählt dir so eine Variante nicht, raten wir dir dasselbe | |
zu machen“, so das Zitat aus dem Drohbrief, den das | |
Online-Nachrichtenportal „24hamburg“ [4][veröffentlicht hat]. Die | |
Verfasser:innen drohen im Nazi-Sprech, „die ‚Öfen‘ die seit 75 Jahre | |
Außer betrieb sind wieder anfeuern“. Es gebe ja genug „Brennmaterial“. | |
In Folge der Drohung organisierte das Bergedorfer Bündnis gegen Rechts eine | |
Fahrraddemo, die Polizei teilt derweil mit: „Vor dem Hintergrund | |
andauernder Ermittlungen können zu diesem konkreten Verfahren noch keine | |
weiteren Auskünfte erteilt werden.“ | |
Ein Einzelfall sei das nicht, auf der Straße gebe es regelmäßig | |
Morddrohungen aus der rechten Szene, immer wieder werden Vorfälle an das | |
BBgR herangetragen. In einem Fall soll die Polizei das Opfer nicht ernst | |
genommen und sogar die Aufnahme von Ermittlungen verweigert haben. Die | |
Polizei erklärt, man gehe allen Morddrohungen intensiv nach. | |
Bezüglich der Z-Symbole gibt es bereits eine polizeiliche Feststellung, | |
berichtet die Bergedorfer Zeitung. Der Täter wurde beim Sprayen eines „Z“ | |
auf eine Mülltonne gesehen. Seitdem gebe es etwas weniger neue Symbole, | |
meint Patrick Kühl. Er hofft, dass es sich um einen kleinen Kreis von | |
Täter:innen handelt, seine Beobachtungen und die Reduktion neuer Zeichen | |
nach dem Vorfall unterstützen diese Vermutung. | |
## Auch viel andere rechte Symbolik | |
Auch an der Gretel-Bergmann-Stadtteilschule in Neuallermöhe wurde ein „Z“ | |
auf die Turnhalle gemalt. Die Schulbehörde teilt auf taz-Anfrage mit, dass | |
das Symbol kurzfristig entfernt wurde. Eine Anzeige sei ebenfalls erstattet | |
worden, die Ermittlungen dauerten an. „Es ist grundsätzlich Teil der | |
Gesellschaftsunterrichte der Schule, wie mit Propagandasymbolen Botschaften | |
vermittelt werden sollen. Die Z-Symbole wurden behandelt“, so ein Sprecher | |
der Behörde. | |
Prorussische Zeichen sind jedoch nicht die ersten Zeugnisse rechten | |
Gedankenguts in Bergedorf. Häufiger kommt es in dem Bezirk zu Kritzeleien | |
aus der rechten und verschwörungsideologischen Ecke. Patrick Kühl kann sich | |
an viele Corona-leugnende Parolen auf einem Radweg in Neuallermöhe | |
erinnern, auch Hakenkreuze seien im Bezirk immer wieder zu entdecken. | |
Bei der Bürgerschaftswahl 2020 hat die AfD in Neuallermöhe mit 11,8 Prozent | |
mehr als doppelt so gut abgeschnitten wie im gesamten Hamburger | |
Stadtgebiet. Auch das ist ein Teil der Erklärung für die Häufung rechter | |
Symbolik in Neuallermöhe. | |
Doch nicht nur in Hamburg führt der Krieg zu Auseinandersetzungen. Am | |
Ohlenstedter Quellsee in Bremen filmte eine ukrainische Geflüchtete eine | |
Auseinandersetzung mit einem Mann, der sie auf russisch angeht und | |
beleidigt – ihre Tochter hatte andere russisch sprechende Kinder wohl zuvor | |
mit „Slawa Ukraini“ („Ruhm der Ukraine“) gegrüßt. Nun berichten sowohl | |
russische wie ukrainische Medien über diesen Vorfall. | |
17 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Symbol-fuer-Frieden-und-gegen-Diktatur/!5851615 | |
[2] /Vorbereitung-auf-8-Mai-in-Berlin/!5853133 | |
[3] https://twitter.com/bbgr2022?lang=de | |
[4] https://www.24hamburg.de/hamburg/drohbrief-symbole-und-antisemitismus-eine-… | |
## AUTOREN | |
Niklas Berger | |
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