# taz.de -- Prozess wegen Z-Symbol: Der allerletzte Buchstabe | |
> Das Hamburger Amtsgericht verurteilt einen 62-Jährigen, der ein Z-Symbol | |
> im Auto angebracht hat. Der Angeklagte bestreitet jede politische | |
> Bedeutung. | |
Bild: Führt auch mal zu einer ordentlichen Geldstrafe: Propaganda für den rus… | |
HAMBURG taz | „So viel Publikum für mich“, sagt der Angeklagte und sieht | |
sich beifällig im Saal 201a des Amtsgerichts Hamburg um. Das Publikum ist | |
nicht mal zweistellig, die Hälfte davon Journalist:innen. Immerhin ist dies | |
der erste Prozess in der Stadt, der wegen der [1][Verwendung des russischen | |
Z-Symbols] geführt wird. Das „Z“ meint „Za Pobedu“ – für den Sieg �… | |
es zumindest das russische Verteidigungsministerium auf Instagram erklärt. | |
„Guten Tag allerseits“, sagt der Angeklagte, ein kleiner Mann in blauem | |
Sweatshirt, mit gestutztem Schnurrbart und einer runden Brille. Sie | |
verleiht ihm einen Hauch von Peter Lustig, der sich als trügerisch erweisen | |
wird. Die Richterin lässt die Fotograf:innen herein, aber hier stockt | |
das übliche Ritual: „Ich will mich nicht fotografieren lassen“, sagt Jörg | |
S., über dessen Personenstand man nicht mehr erfahren wird, als dass er 62 | |
Jahre alt ist und in Hamburg-Schnelsen lebt. | |
Andere Auskünfte möchte er dem Gericht nicht geben. Jörg S. verlässt den | |
Gerichtssaal, sein Anwalt kann ihn nicht davon überzeugen, zu den | |
Fotograf:innen zurückzukehren. „Dann ist die Marschroute ja klar“, sagt | |
die Richterin. | |
Jörg S. ist mit 15 Minuten Verspätung zur Verhandlung erschienen, weil das | |
Personal „einen ziemlichen Aufstand gemacht hat“, als es eine Kinderschere | |
in seiner Tasche fand. Er scheint ein Mann zu sein, der bereit ist zu | |
Widerspruch, so auch gegen den Strafbefehl über 60 Tagessätze wegen der | |
Billigung von Straftaten. Er soll am 29. März ein weißes DIN-A4-Blatt mit | |
aufgemaltem blauen Z gut sichtbar an der Heckscheibe seines PKWs angebracht | |
haben und damit gefahren sein. | |
## S. bagatellisierte den Krieg | |
Warum er Einspruch gegen den Strafbefehl einlege, will die Richterin von S. | |
wissen. „Ich sehe das als letzten Buchstaben des lateinischen Alphabets, | |
mehr nicht“, sagt S. „Alles andere ist eine steile These.“ „Warum haben… | |
den letzten Buchstaben des Alphabets in Ihrem Auto?“, fragt die Richterin. | |
„Das steht jedem frei.“ Die Befragung hat eine gewisse Ähnlichkeit mit | |
einem Tennisspiel, aber das Ganze endet mit einem Ass für die Richterin. | |
„Mir steht frei, was ich von Ihrer Einlassung halte“, sagt sie und ruft den | |
Zeugen herein. | |
Der Zeuge ist der Polizeibeamte, bei dem die Anzeige wegen des Zettels | |
einging, tatsächlich gab es sogar zwei Anzeigen. „Das funktioniert ja ganz | |
gut in Deutschland, das Denunziantentum“, sagt S. dazu. Der Beamte rief bei | |
ihm an, nachdem S. erklärt hatte, nicht zur Vernehmung zu erscheinen. Sie | |
hätten nicht direkt über das Z gesprochen, sagt der Beamte, S. habe den | |
Krieg in der Ukraine bagatellisiert. | |
„So haben Sie das ausgelegt“, fährt S. dazwischen. „Sie sind nicht dran�… | |
pfeift ihn die Richterin zurück. Als S. dran ist, hinterfragt er die | |
Aussage des Polizisten. „Was habe ich gesagt – Putin forever?“, will er | |
wissen. Der Polizist rudert ein wenig, aber nicht weit zurück. Die | |
Richterin liest den Aktenvermerk vor: S. stellte den Angriffskrieg in | |
Frage, „Marionetten des Staates wollten ihn einschüchtern und versuchten | |
sein Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken“. | |
Die Richterin schließt die Beweisaufnahme, die Staatsanwältin verlangt eine | |
Strafe von 80 Tagessätzen à 50 Euro. Der Verteidiger fordert, S. | |
freizusprechen. Das Z werde in den Medien auch in ganz anderer Bedeutung | |
benutzt, erklärt er und zitiert: „So tickt Hamburg Generation Z.“ „Erwä… | |
Sie den Film ‚Z‘ von Costa“, unterbricht ihn S. „Ja, ja“, sagt der An… | |
und fährt fort. Das Z sei kein verbotenes Symbol, eine Billigung von | |
Straftaten sei nur gegeben, wenn für die wahrnehmende Gesellschaft keine | |
andere Deutung möglich sei. | |
## Z ist nicht nur Kneipe oder Film | |
Der Angeklagte hat das letzte Wort und er nutzt es ausführlich, um weitere | |
Z-Deutungen anzubieten: [2][Den Film „Z“] eines französisch-algerischen | |
Regisseurs, in dem es um den Mord an einem griechischen Gewerkschaftler | |
geht, aber auch eine Kneipe gleichen Namens, die es in Hamburg gegeben | |
habe. | |
Es ist still im Gerichtssaal, die Richterin schreibt, die Staatsanwältin | |
schaut vor sich auf den Tisch. „Doch noch eine Bemerkung“, sagt der | |
Angeklagte. Die Leute am Empfang hätten sein Handy einkassiert, sonst | |
könnte er das Foto seiner Heckscheibe zeigen, die in „diesem Zusammenhang“ | |
zertrümmert worden sei. Es klingt so, als wolle S. sagen, dass man ihm | |
doppelt unrecht tue. | |
Die Richterin verurteilt S. zu 80 Tagessätzen à 50 Euro und erklärt | |
ausführlich, warum. Laut Paragraf 140 des Strafgesetzbuchs stehe die | |
Billigung von Straftaten in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen | |
Frieden zu stören, unter Strafe. Es gehe weniger darum, was der Angeklagte | |
denke, sondern darum, was das Z in einem verständigen Durchschnittsbürger | |
auslöse. | |
Tatsächlich sei es als Symbol der russischen Kriegsführung durch die Medien | |
gegangen. Der öffentliche Frieden werde gestört, wenn sich potenzielle | |
Täter:innen gestärkt fühlten. „In der Bevölkerung wird Verunsicherung | |
geschürt, wenn solche Äußerungen straffrei bleiben“, sagt die Richterin. | |
„Sie müssen mit dem Urteil nicht einverstanden sein“, endet sie. „Bin ich | |
auch nicht“, sagt Jörg S. | |
25 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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Bedeutung. |