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# taz.de -- Wohnungsnot und Verelendung: 2.000 Obdachlose in Berlin gezählt
> Die erste Obdachlosenzählung in Berlin bringt überraschend niedrige
> Ergebnisse. Viele Betroffene haben sich wohl entzogen.
Bild: Schlafplätze von Obdachlosen im U-Bahnhof Moritzplatz, Berlin
Berlin taz | Die bundesweit erste flächendeckende Zählung von Obdachlosen
in Berlin brachte überraschend niedrige Ergebnisse. Insgesamt wurden nur
1.976 Obdachlose gezählt, davon 942 Personen in Einrichtungen der
Kältehilfe und 807 Menschen bei der Straßenzählung im öffentlichen Raum.
Die Zahlen wurden am Freitag von der [1][Berliner Senatsverwaltung] für
Soziales bekannt gegeben. Die [2][Zählung] durch mehr als 600
Freiwilligenteams hatte vergangene Woche in der Nacht vom 29. zum 30.
Januar stattgefunden. Bisher war man in Schätzungen immer von 6.000 bis
10.000 Obdachlosen ausgegangen, die angeblich in Berlin leben.
Die Zahl von fast 2.000 Obdachlosen, die sich im Winter auf der Straße
aufhielten, sei immer noch eine „dramatische Zahl“, sagte Sozialsenatorin
Elke Breitenbach (Linkspartei) am Freitag. Durch die Zählung und Befragung
habe man herausfinden wollen, wo man Hilfeangebote noch „konkret
verbessern“ könnte.
Von den Obdachlosen, die im Straßenraum gezählt wurden, ließen sich 288
Menschen mithilfe eines kurzen mehrsprachigen Fragebogens interviewen.
Danach waren 113 Betroffene deutscher Herkunft, 140 kamen aus dem
EU-Ausland, 31 Personen aus Drittstaaten. Nur 14 Prozent waren Frauen, 3
Personen waren noch minderjährig. Von den Befragten hatte fast die Hälfte
seit mehr als drei Jahren nach eigenen Angaben keine feste Wohnung mehr.
## EU-Obdachlose ohne Anspruch
Breitenbach wies darauf hin, dass es unter den Obdachlosen aus dem
EU-Ausland zwei Gruppen gebe. Eine Gruppe habe zuvor in Deutschland
gearbeitet, oft seien sie „Opfer von Arbeitsausbeutung“ geworden, so
Breitenbach. Diese Personen haben in Deutschland unter Umständen Anspruch
auf Hartz-IV-Leistungen und auf Unterbringung in einem Wohnheim.
Wer allerdings direkt nach Deutschland eingereist ist und hier in der
Obdachlosigkeit landet, habe weder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld noch
auf Unterbringung, sagte Breitenbach. In Notübernachtungen und Suppenküchen
in Berlin werden diese Menschen aber nicht abgewiesen.
[3][Kritik an der Zählung] kam von Betroffenen. Die Zahlen seien „nicht
repräsentativ“ für die tatsächliche Zahl der Obdachlosen, sagte Werner
Franke von der [4][Selbstvertretung wohnungsloser Menschen] zur taz.
Obdachlosigkeit sei mit Scham behaftet, wer obdachlos sei, wolle sich als
solcher nicht identifizieren lassen.
## Ankündigung in den Unterkünften
„Vielleicht sind manche in dieser Nacht an den Stadtrand gegangen oder
haben sich irgendwo verkrochen, um nicht erfasst zu werden“, so Franke. Die
Zählung war vorher mehrfach öffentlich angekündigt worden, auch mit
mehrsprachigen Anschlägen in den Notunterkünften.
Susanne Gerull, Professorin für Soziale Arbeit in Berlin, die das Konzept
der Zählung erarbeitete, erklärte, man habe die Zählung in Berlin vorher
„offen kommunizieren“ wollen. Die Ergebnisse könnten daher nur
repräsentativ sein für diejenigen, die man in der Nacht angetroffen habe.
Eine zweite Zählung soll im Sommer oder Herbst nächsten Jahres folgen.
7 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/sen/ias/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilu…
[2] /Obdachlosenzaehlung-in-Berlin/!5660929
[3] /Obdachlosenzaehlung-in-Berlin/!5657311
[4] http://www.wohnungslosentreffen.de/projekt/71-selbstvertretung.html
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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