# taz.de -- „Werbung“ für Schwangerschaftsabbruch: Countdown für 219a ist… | |
> CDU und SPD müssen sich nun auf eine Reform des Paragrafen einigen. Sonst | |
> wollen SPDler*innen mit der Opposition stimmen. | |
Bild: Kundgebung gegen den Paragrafen 219a in Berlin | |
In den Streit um den Paragrafen 219a, der Werbung für Abtreibung verbietet, | |
könnte in der letzten Sitzungswoche des Bundestages endlich Bewegung | |
kommen. Noch im Herbst, so hatte es die SPD versprochen, solle eine Lösung | |
gefunden werden. Auf dem Juso-Bundeskongress Anfang Dezember hatte | |
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles den 10. Dezember genannt, an dem ein | |
Vorschlag der VerhandlerInnen-Runde auf dem Tisch liegen solle. Also diesen | |
Montag. | |
Doch ob daraus wirklich etwas wird? Seit Monaten verhandeln | |
Justizministerin Katarina Barley und Frauenministerin Franziska Giffey | |
(beide SPD) mit Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtschef Helge | |
Braun (beide CDU), später stieß zudem Innenminister Horst Seehofer (CSU) | |
zur Runde. Während die SPD zuvor bereits einen eigenen Gesetzesvorschlag | |
zur Abschaffung formuliert, ihn dann aber aus Gründen des | |
Koalitionsfriedens auf Eis gelegt hatte, mauert die Union. Die neue | |
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bekräftigte während ihrer Rede beim | |
Bundesparteitag in Hamburg ihre Haltung und sprach sich gegen eine | |
Abschaffung des sogenannten Werbeverbots aus. | |
Das „Werbeverbot“ des Paragrafen ist so weit gefasst, dass es auch | |
ÄrztInnen betrifft, die im Netz darüber informieren, dass sie | |
Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die Verurteilung der Gießener | |
Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel im November 2017 und Hunderte weitere | |
Anzeigen gegen ÄrztInnen durch Abtreibungsgegner lösten eine breite | |
politische Debatte über die Zukunft des Paragrafen aus. | |
Möglich ist jetzt, dass die Koalitionsparteien keinen gemeinsamen Nenner | |
finden und den Ball zurück in die Fraktionen spielen. Für diesen Fall hatte | |
die SPD schon früh angekündigt, gemeinsam mit den anderen „reformwilligen | |
Fraktionen“ abstimmen zu wollen; Grüne und Linke fordern die Streichung des | |
Paragrafen, die FDP mindestens eine Reform. Zugleich jedoch käme die | |
Abstimmung ohne Fraktionszwang einem Koalitionsbruch gleich, befürchten | |
viele. | |
## SPD kompromisslos | |
Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte der | |
taz: „Bei diesem sensiblen Thema wäre es durchaus denkbar, die Abstimmung | |
gemeinsam mit der Union freizugeben.“ Bisherige Kompromissvorschläge der | |
Union hätten die SPD-RechtspolitikerInnen abgelehnt: „Die Union hat bisher | |
nichts vorgelegt, was für uns akzeptabel gewesen wäre.“ Dass etwa die Namen | |
und Adressen von Ärzt*innen in Beratungsstellen ausgelegt werden könnten, | |
sei zwar „sinnvoll, reicht aber nicht aus“. Für die SPD sei „wichtig, da… | |
kein strafrechtlicher Druck auf Ärztinnen und Ärzten lastet“, so Fechner. | |
Einige SozialdemokratInnen fürchten zudem, dass die eigenen VerhandlerInnen | |
letztlich einem Kompromiss zustimmen, der sich zu stark der Position der | |
Union nähert. „Ich gehe davon aus, dass die Diskussion dann kontrovers | |
würde“, sagte der Abgeordnete Falko Mohrs dazu auf Nachfrage. Mohrs hatte | |
gemeinsam mit elf weiteren Abgeordneten kürzlich die Fraktion aufgefordert, | |
eine Abstimmung herbeizuführen, die den Parteivorstand in Sachen 219a zum | |
Handeln zwingt. | |
Seit diesem Sonntag gibt es zudem ein Ultimatum des SPD-Abgeordneten | |
Florian Post an Nahles. In der Bild am Sonntag gab er bekannt: Wenn sie bis | |
Dienstag keine Einigung mit der Union erreiche, werde er „mit einigen | |
Kollegen in der Fraktionssitzung eine Gewissensentscheidung beantragen“. | |
Welche Art von Kompromiss für die GegnerInnen des Paragrafen in der SPD | |
überhaupt infrage käme? „Was den Paragrafen 219a angeht, ist jeder | |
Kompromiss ein Kompromiss zu viel“, sagte Maria Noichl, Bundesvorsitzende | |
der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, der taz. „Wir stehen | |
für seine komplette Streichung.“ Der Paragraf und all diejenigen, die ihn | |
verteidigten, stünden „für ein Land, das Frauen bevormundet und ihnen eine | |
informierte, eigenständige Entscheidung so schwer wie möglich machen | |
möchte“. | |
## 219 abspecken? | |
Ein Kompromiss, der für viele in der SPD wohl trotzdem akzeptabel wäre, wie | |
der Rechtspolitiker Fechner sagte, könnte darin bestehen, den Tatbestand | |
des Paragrafen 219a zu reduzieren. Bisher wird bestraft, wer öffentlich | |
seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise | |
Schwangerschaftsabbrüche „anbietet, ankündigt, anpreist“ – stehen bleib… | |
könnte etwa nur das Anpreisen. | |
Diese Möglichkeit wiederum stößt bei der Opposition auf Kritik: „Solange | |
Paragraf 219a im Strafgesetzbuch stehen bleibt, kann es aus meiner Sicht | |
nur ein fauler Kompromiss sein“, sagte Cornelia Möhring, frauenpolitische | |
Sprecherin der Linksfraktion, der taz. Durch jedes „Werbeverbot“ für | |
Abtreibungen im Strafgesetz werde ein „inakzeptables Frauenbild“ befördert. | |
Ulle Schauws von den Grünen appellierte an die SPD, die Abstimmung | |
freizugeben: Es sei „äußerst fraglich“, ob die Union auch nur eine Reform | |
des 219a mittragen würde: Sie gleiche bei dem Thema „argumentativ der | |
radikalen Anti-Choice-Bewegung.“ | |
„Ich könnte auch mit fraktionsloser Abstimmung leben“, sagte Stephan | |
Thomae, stellvertretender Fraktionschef der FDP, der taz. „Die Mehrheit | |
dabei wäre allerdings nicht dick“, gibt er zu Bedenken: Würden SPD, Grüne, | |
Linke und FDP geschlossen votieren, lägen sie nur mit 13 Stimmen vorne. | |
„Mir wäre insofern eine vorbereitete Lösung lieber“, sagte Thomae. | |
Inhaltlich sei die Messlatte für ihn: „Ärzte und Ärztinnen müssen sachlich | |
informieren dürfen, Frauen und Mädchen müssen die Informationen bei ihnen | |
bekommen. Ein Fall wie der Gießener Fall von Kristina Hänel darf nicht mehr | |
zur Verurteilung führen.“ | |
Doch Hinweise darauf, dass sich die Union in der Sache bewegt, gibt es | |
nicht. Auch aus dem Büro von Elisabeth Winkelmeier-Becker, der | |
rechtspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion, heißt es nur, an ihrer | |
Position habe sich „nichts geändert“ – sie hatte immer für eine | |
Beibehaltung des Paragrafen votiert. | |
## Thema auch für Bundesrat und Justiz | |
Die bei den Christdemokraten für das Leben (CDL) organisierten | |
Abtreibungsgegner*innen verschicken seit etwa zwei Wochen Postkarten mit | |
Bildern von Babys oder Embryos und im Design einer Zigarettenschachtel an | |
Bundestagsabgeordnete. In dem schwarzen Feld, in dem sonst | |
Gesundheitshinweise prangen, steht: „Werbung für Abtreibung ist Werbung für | |
Tötung.“ | |
Nicht nur im Bundestag wird Paragraf 219a dieses Jahr noch einmal Thema: Am | |
14. Dezember stimmt der Bundesrat über einen Gesetzentwurf der Länder | |
Berlin, Bremen, Thüringen, Brandenburg und Hamburg ab, die eine Streichung | |
fordern. Eine Mehrheit dafür gibt es zwar nicht, die Länder wollen aber | |
offenbar den Druck auf die Regierung erhöhen. „Bislang warten wir | |
vergeblich auf die für Herbst angekündigte Initiative zur Streichung des | |
Informationsverbots zu Abtreibungen“, sagte Berlins Justizsenator Dirk | |
Behrendt (Grüne) der taz. | |
Kristina Hänel, [1][die im Oktober in zweiter Instanz verurteilt wurde], | |
hat unterdessen beim Gießener Landgericht Revision eingelegt, um den Kampf | |
um den Paragrafen juristisch auszufechten und bis zum | |
Bundesverfassungsgericht zu gehen. Ihr Appell an die Politik ist deutlich: | |
„Sich an die Seite der Frauen zu stellen, ist ein ureigenes | |
sozialdemokratisches Anliegen“, sagte Hänel der taz. „Dieses endlich | |
einzulösen, stünde der SPD gut zu Gesicht.“ | |
10 Dec 2018 | |
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[1] /Werbeverbot-fuer-Abtreibungen/!5539939 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
Dinah Riese | |
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