| # taz.de -- Pläne des Gesundheitsministers: Fünf Millionen gegen Abtreibung | |
| > KritikerInnen halten die von Gesundheitsminister Spahn geplante Studie | |
| > für Geldverschwendung. Und für ein Geschenk an AbtreibungsgegnerInnen. | |
| Bild: Jens Spahn sitzt die Kohle locker | |
| Die Studie zu seelischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen, die | |
| Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Auftrag geben will, soll mit | |
| 5 Millionen Euro zusätzlich finanziert werden. Das berichtete die Bild am | |
| Sonntag unter Berufung auf Regierungskreise. | |
| Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums wollte die Nachricht am Sonntag | |
| „weder bestätigen noch dementieren“. Er gehe davon aus, dass sich das | |
| Ministerium im Lauf der kommenden Woche dazu äußern werde, sagte er der | |
| taz. | |
| Kürzlich hatte das Ministerium auf Anfrage der taz bestätigt, die Studie | |
| trotz heftiger Kritik durchführen zu wollen. Sie solle parallel zum | |
| [1][Gesetzentwurf zum Paragrafen 219a] Strafgesetzbuch in die Wege geleitet | |
| werden. Nun schreibt die BamS, das Kabinett habe beschlossen, in den | |
| Haushaltsjahren 2020 bis 2023 jeweils 1,25 Millionen Euro zusätzlich | |
| bereitzustellen. Die Studie soll also offenbar über vier Jahre durchgeführt | |
| werden. | |
| „Ich halte es für absoluten Schwachsinn, Geld herauszuwerfen, um | |
| fundamentalistischen Abtreibungsgegnern ein Zuckerle hinzuwerfen“, sagte | |
| der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post am Sonntag der taz. Auch der | |
| SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs sagte der taz, es gebe da nichts zu | |
| erforschen: „Ich halte diese Studie für so was von überflüssig.“ Das | |
| sogenannte Post-Abortion-Syndrom werde seit Jahren von Abtreibungsgegnern | |
| herbeigeredet. Leider könne das Bundesgesundheitsministerium im Rahmen der | |
| Ressortzuständigkeit selbst entscheiden, wofür es Geld ausgebe. Trotzdem | |
| müsse man kommende Woche klären, ob das Geld dafür tatsächlich | |
| zweckgebunden sei. | |
| ## „Das grenzt an Korruption“ | |
| Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Cornelia | |
| Möhring, kündigte an, zu prüfen, ob und wie solche Ausgaben verhindert | |
| werden könnten. „Das grenzt an Korruption, Gelder so zu verschleudern“, | |
| sagte sie am Sonntag. Wenn man die bestehende Studienlage zur Kenntnis | |
| nehme und trotzdem eine solche Studie auf den Weg bringe, bedeute das | |
| entweder, dass eine bestimmte Klientel bedient werde – oder dass die | |
| bestehende Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen noch restriktiver | |
| gestaltet werden solle. | |
| „Warum gibt die Bundesregierung denn keine Studie zu häuslicher Gewalt in | |
| Auftrag?“, fragte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im | |
| Bundestag, Ulle Schauws. Anstatt Geld für Studien zum | |
| „Post-Abortion-Syndrom“ auszugeben, solle sie sich „darum kümmern, dass … | |
| keine Versorgungslücken für ungewollt Schwangere gibt und angehende | |
| MedizinerInnen, die Frauen in all ihren Entscheidungen zur Seite stehen, | |
| die bestmögliche Ausbildung bekommen.“ Die SPD habe es in der Hand, dem | |
| restriktiven Gesetz und der Studie nicht zuzustimmen. | |
| Das sogenannte Post-Abortion-Syndrom wurde in den 1980er Jahren von der | |
| US-amerikanischen Anti-Choice-Bewegung geprägt. Es wird behauptet, dass | |
| Frauen von Abtreibungen krank werden, etwa schwere Depressionen bekommen. | |
| Dies sei wissenschaftlich durch mehrere Studien widerlegt, hatte die | |
| Sozialwissenschaftlerin Kirsten Achtelik kürzlich erwidert. | |
| ## „Grundannahmen mehrmals widerlegt“ | |
| So legte etwa die Universität von Kalifornien 2015 eine Studie vor, in der | |
| knapp 700 Frauen über einen Zeitraum von drei Jahren zur Frage interviewt | |
| wurden, ob die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch richtig war. | |
| Mehr als 95 Prozent von ihnen seien laut Studie auch drei Jahre nach dem | |
| Abbruch noch erleichtert darüber und sicher, die richtige Entscheidung | |
| getroffen zu haben. | |
| Auch auf [2][Twitter wurde die Spahn-Studie] vielfach diskutiert. | |
| „Eigentlich müsste es natürlich heißen: Spahn bekommt fünf Millionen Euro | |
| für Quatschstudie zu Abtreibungen, deren Grundannahmen mehrmals widerlegt | |
| wurden“, [3][schrieb eine Nutzerin]. „Prioritäten des Ministers oder: | |
| Derweil haben Schwangere keine Hebammen, die ihnen bei gesundheitlich | |
| relevanten Fragen zur Seite stehen“, schrieb die [4][Journalistin Teresa | |
| Bücker]. | |
| Und als vergangene Woche AbtreibungsgegnerInnen vor der Praxis der Ärztin | |
| Kristina Hänel mit Kreuzen und Rosenkränzen demonstrierten, schrieb | |
| [5][eine weitere Nutzerin]: „Spahn sollte mal untersuchen lassen, was diese | |
| Hassprediger*innen bei Frauen an Traumata auslösen, die sich gerade in | |
| einem Schwangerschaftskonflikt befinden.“ | |
| 10 Feb 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kompromiss-zu-Paragraf-219a/!5567165 | |
| [2] https://twitter.com/jensspahn/status/1090180188896407552 | |
| [3] https://twitter.com/habichthorn/status/1094508261200543744 | |
| [4] https://twitter.com/fraeulein_tessa/status/1094532902489079808 | |
| [5] https://twitter.com/FreifrauGihent/status/1094212821393514496 | |
| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Paragraf 219a | |
| Bundesministerium für Gesundheit | |
| Schwerpunkt Abtreibung | |
| Jens Spahn | |
| Schwerpunkt Paragraf 219a | |
| Jens Spahn | |
| German Angst | |
| Schwerpunkt Paragraf 219a | |
| Schwerpunkt Paragraf 219a | |
| Kristina Hänel | |
| Schwerpunkt Paragraf 219a | |
| Schwerpunkt Paragraf 219a | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Jens Spahns Studie zu Abtreibungen: Die Ausschreibung ist online | |
| Die Studie zu „seelischen Folgen“ eines Schwangerschaftsabbruchs hat | |
| bereits für Wirbel gesorgt. Jetzt wird sie konkret. | |
| Abtreibungsstudie wird richtig teuer: Spahn kann es sich nicht sparen | |
| Gesundheitsminister Spahn will psychische Folgen von Abtreibungen | |
| untersuchen lassen. Es wäre der seit Jahren teuerste Forschungsauftrag in | |
| seinem Ministerium. | |
| Kolumne German Angst: Das Ideal der passiven Frau | |
| Der Kompromiss zum Paragrafen 219a spricht Frauen die Selbstbestimmung ab. | |
| Drei, die dagegen kämpfen, wurden mit einem Preis geehrt. | |
| Bundestagsdebatte zum Paragrafen 219a: Enthusiasmus sieht anders aus | |
| Der Bundestag spricht im Plenum über den Regierungsvorschlag zur Reform des | |
| Paragrafen 219a. Das Gesetz soll jetzt schnell kommen. | |
| Landesminister*innen gegen §219a: Empfehlung „ersatzlos streichen“ | |
| Zwei Ausschüsse empfehlen dem Bundesrat, Einwände gegen den | |
| Regierungsvorschlag zur Reform von Paragraf 219a zu erheben. | |
| „Werbung“ für Schwangerschaftsabbruch: Countdown für 219a ist abgelaufen | |
| CDU und SPD müssen sich nun auf eine Reform des Paragrafen einigen. Sonst | |
| wollen SPDler*innen mit der Opposition stimmen. | |
| Frauenpolitische Sprecherinnen fordern: Abtreibungen sollen straffrei sein | |
| PolitikerInnen von Linken und Grünen sowie mehrere Organisationen wollen, | |
| dass Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird. | |
| Juristischer Umgang mit Abtreibung: Rechtsprechung mit Schimmelansatz | |
| Die Urteile zu Paragraf 219a basieren auf dem Strafrechtskommentar eines | |
| „Lebensschützers“ und eines umstrittenen Ex-BGH-Richters. |