# taz.de -- Bundestagsdebatte zum Paragrafen 219a: Enthusiasmus sieht anders aus | |
> Der Bundestag spricht im Plenum über den Regierungsvorschlag zur Reform | |
> des Paragrafen 219a. Das Gesetz soll jetzt schnell kommen. | |
Bild: Aktivist*innen wollen das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche komp… | |
Berlin taz | Enthusiasmus sieht anders aus. „Ich bitte Sie, heute diesen | |
Schritt zu gehen, um die Situation der Frauen zu verbessern“, sagte | |
Justizministerin Katarina Barley (SPD) am Freitag im Bundestag und | |
eröffnete damit die Debatte um den [1][Regierungsvorschlag zur Reform des | |
Paragrafen 219a Strafgesetzbuch]. | |
Dieser verbietet bislang, dass Ärzt*innen öffentlich darüber informieren, | |
dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Der Bundesregierung zufolge | |
sollen Ärzt*innen und Kliniken künftig darüber informieren dürfen, dass sie | |
Abbrüche durchführen. Für jede weitere Information – etwa über die | |
angewandten Methoden – sollen sie aber auf neutrale Stellen verweisen | |
müssen. Dies verbessere die Lage der Frauen „wesentlich“, sagte Barley; | |
gegenüber der jetzigen Lage, „aber auch gegenüber einer vollständigen | |
Abschaffung des Paragrafen“. | |
Die Begeisterung hielt sich während der gesamten Debatte in Grenzen. Selbst | |
aus den Reihen der SPD-Fraktion ertönte nur vereinzeltes müdes Klatschen | |
bei den Worten der SPD-Ministerin. Die Sozialdemokrat*innen hatten | |
ursprünglich die Abschaffung des Gesetzes gefordert, so, wie es auch FDP, | |
Grüne und Linke tun. Doch als die Koalition mit der Union stand, | |
[2][brachte die SPD ihren Antrag nicht ein,] sondern setzte auf einen | |
Kompromiss der Bundesregierung. Ein Aufstand der SPD, um doch noch mehr | |
durchzusetzen, ist kaum noch zu erwarten. | |
Bezeichnend: Die Fraktion überließ das Wort im Plenum vollständig den | |
beiden beteiligten SPD-Ministerinnen. Schon in den vergangenen Tagen | |
wollten abgesehen von dezidierten Kritiker*innen die meisten Abgeordneten | |
nicht zum Kompromiss Stellung beziehen. | |
## Der Kompromiss erntet sehr viel Kritik | |
„Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, löst keinen großen Jubel aus“, sagte | |
der CDU-Abgeordnete Thomas Frei. Die Union hätte den Paragrafen am liebsten | |
gar nicht angerührt. Bei diesem Thema und den „auseinanderklaffenden | |
Vorstellungen“ sei aber „nichts anderes als ein schmerzhafter Kompromiss“ | |
möglich gewesen, sagte Frei. | |
Nachdem die Große Koalition monatelang gerungen hatte, soll es jetzt ganz | |
schnell gehen. Anfang Februar billigte das Kabinett den Entwurf. Schon | |
kommenden Montag hört der Rechtsausschuss Expert*innen an, Ende der Woche | |
könnte das Parlament endgültig über das Gesetz abstimmen. Man will das | |
Thema offenbar vor der Europawahl, bei der Barley als SPD-Spitzenkandidatin | |
antritt, vom Tisch haben. | |
Das Gesetz werde nun in einem „Affenzahn durch den Bundestag gepeitscht“, | |
kritisierte Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der | |
Linksfraktion. Es transportiere ein „Frauenbild der verantwortungslosen | |
Schwangeren, die keine Information verarbeiten kann, keine eigenständigen | |
Entscheidungen treffen kann und die auf Werbung hereinfällt.“ | |
## FDP könnte vor das Bundesverfassungsgericht gehen | |
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae kritisierte, dass die sachliche | |
Information auf der Webseite eines Arztes auch weiterhin strafbar sei. Er | |
stellte die Verfassungskonformität des Vorschlags in Frage. Das Strafrecht | |
könne immer nur Ultima Ratio sein. „Das, was bei Stellen wie der | |
Bundesärztekammer gesetzlicher Auftrag sein soll, ist also auf der Seite | |
eines Arztes so schlimm, dass er mit dem schärfsten Schwert des | |
Rechtsstaates rechnen muss“, kritisierte Thomae. Solle sich daran nichts | |
ändern, werde die FDP eine Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht | |
beantragen. | |
Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, kritisierte | |
die [3][Studie zu vermeintlichen „seelischen Folgen“ von | |
Schwangerschaftsabbrüchen], die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) | |
im Rahmen des Kompromisses für fünf Millionen Euro durchführen lassen will. | |
„Wenn Sie sich um Frauen sorgen, nehmen Sie dieses Geld in die Hand für | |
eine bessere Versorgung mit Hebammen und Geburtsstationen“, sagte Schauws. | |
Sie kritisierte zudem, dass sämtliche Ärztinnen, gegen die derzeit | |
Strafverfahren laufen, auch weiterhin verurteilt würden. | |
Es handle sich um ein „Gesetz für die Zukunft, und nicht für die | |
Vergangenheit“, erklärte Frauenministerin Franziska Giffey (SPD). Während | |
die SPD-Ministerinnen sich bemühten, den Kompromiss zu verteidigen, war | |
Jens Spahn der Debatte ganz ferngeblieben. | |
15 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Kompromissvorschlag-zu--219a/!5568629 | |
[2] /Neue-Drehung-beim-Paragraf-219a/!5491494 | |
[3] /Plaene-des-Gesundheitsministers/!5569100 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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