| # taz.de -- Paragraf 219a in Berlin: ÄrztInnen unter Druck | |
| > Die Debatte über Schwangerschaftsabbrüche hat Folgen für Berlin: Bleibt | |
| > der Paragraf 219a, landet eine Gynäkologin aus Steglitz wohl bald vor | |
| > Gericht. | |
| Bild: Das Thema Abtreibungen bewegt viele: Demo gegen Lebensschützer im Septem… | |
| Wenn SPD und Union derzeit auf Bundesebene über den Paragrafen 219a | |
| verhandeln, dann beobachtet Bettina Gaber das sehr genau. Die Berliner | |
| Frauenärztin hat – gemeinsam mit einer Kollegin – eine Praxis in Steglitz | |
| und führt auch Schwangerschaftsabbrüche durch. Weil diese Info auf der | |
| Praxis-Homepage steht, wurde gegen Gaber Anzeige erstattet. Je nachdem, wie | |
| sich SPD und Union einigen, könnte gegen die Ärztin demnächst Anklage | |
| erhoben werden – oder eben nicht. | |
| Abtreibungen werden in Deutschland nicht verfolgt, wenn sie innerhalb der | |
| ersten zwölf Wochen stattfinden und sich die Schwangere zuvor hat beraten | |
| lassen. Allerdings gibt es ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, | |
| das in Paragraf 219a geregelt ist – auch Hinweise im Netz sind demnach | |
| strafbar. Vor gut einem Jahr wurde eine Gießener Ärztin deshalb zu einer | |
| Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Zwei Männer aus dem Umfeld der selbst | |
| ernannten Lebensschützer erstatteten zuletzt reihenweise Anzeige gegen | |
| ÄrztInnen, unter anderem gegen Bettina Gaber. | |
| Das kann so nicht bleiben, finden SPD, Grüne, Linke und FDP. Sie plädieren | |
| schon länger für die Abschaffung oder zumindest für eine Reform des | |
| Paragrafen 219a. Die CDU will bislang aber daran festhalten. Für den Fall, | |
| dass sich SPD und CDU nicht einigen, wurde eine Bundestagsabstimmung ohne | |
| Fraktionszwang ins Gespräch gebracht. | |
| Bettina Gaber würde die Abschaffung des Paragrafen 219a die drohende | |
| Strafverfolgung ersparen. Schon im Sommer hatte ihr Anwalt mitgeteilt, dass | |
| sich in den Akten eine Anklageschrift gegen die Ärztin finde. Trotzdem ist | |
| seitdem nichts weiter passiert. „Toi, toi, toi, still ruht der See“, sagt | |
| die Ärztin am Montag der taz. Sie nehme an, dass auch die Richterin | |
| abwarte, ob sich gesetzlich etwas ändere. | |
| ## Liste mit Adressen | |
| Unterstützung für die MedizinerInnen kommt vom rot-rot-grünen Senat: Die | |
| Gesundheitsverwaltung veröffentlichte im Sommer auf ihrer Homepage selbst | |
| eine Liste der ÄrztInnen, die Abbrüche vornehmen. 69 Adressen stehen | |
| inzwischen darauf. Der Paragraf 219a stelle die Werbung für | |
| Schwangerschaftsabbruch unter Strafe, wenn sie eines „Vermögensvorteils | |
| wegen“ erfolge, erklärt ein Sprecher. Das treffe auf die Veröffentlichung | |
| des Senats nicht zu. | |
| Gerade im Vergleich zu den Flächenländern ist die Versorgung mit | |
| FrauenärztInnen, die Abtreibungen anbieten, in Berlin noch gut. Gaber | |
| berichtet von Frauen, die 150 Kilometer aus Brandenburg zu ihr in die | |
| Praxis kommen. „Bei ihnen in der Nähe wird nirgendwo ein medikamentöser | |
| Abbruch angeboten, oder sie kriegen keinen Termin.“ | |
| Ein Problem sowohl in Brandenburg als auch in Berlin ist Gaber zufolge der | |
| fehlende Nachwuchs: „Viele jüngere KollegInnen wollen keine Abbrüche | |
| machen“, so die Erfahrung der 56-Jährigen. Die Jüngeren hätten keine Lust, | |
| Faxe oder Anrufe von AbtreibungsgegnerInnen zu erhalten. Gaber sagt: „Wir | |
| müssen schauen, dass da nicht ein Loch entsteht.“ | |
| „Man macht sich angreifbar“ | |
| Stefan Nachtwey sieht das ähnlich. Er ist Geschäftsführer des | |
| Familienplanungszentrums Balance nahe der Frankfurter Allee. Viele Frauen, | |
| die einen Abbruch wollen, wenden sich an diese Anlaufstelle. Wenn jüngere | |
| ÄrztInnen dem Thema auswichen, könne er das verstehen, sagt Nachtwey. „Man | |
| macht sich damit angreifbar.“ Jeden Tag könne eine Anzeige reinkommen. Auch | |
| mit unliebsamen Anrufen müsse man rechnen. Nachtwey sagt: „Das Beste wäre, | |
| der Paragraf 219a würde abgeschafft, dann hätten wir das Problem nicht.“ | |
| Der Bedarf an ÄrztInnen, die Abtreibungen vornehmen, ist nach wie vor da: | |
| Lange ging die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Berlin zurück, zuletzt | |
| stieg sie wieder etwas an, 9.289 Berlinerinnen trieben im Jahr 2017 ab. Die | |
| gesellschaftliche Debatte wirke sich auch auf die betroffenen Frauen aus, | |
| so Stefan Nachtweys Eindruck: „Die, die zu uns kommen, haben öfter als | |
| früher Schuldgefühle, sie schämen sich eher.“ | |
| Der Senat hat nicht nur die Adressliste der ÄrztInnen veröffentlicht, | |
| Berlin hat auch eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Paragrafen | |
| 219a gestartet, über die am kommenden Freitag abgestimmt werden soll und | |
| die Bremen, Thüringen, Brandenburg und Hamburg unterstützen. Eine Mehrheit | |
| wird es wohl nicht geben. Wichtig sei die Initiative trotzdem, sagt Michael | |
| Reis, Sprecher der Justizverwaltung. „Wir wollen den Druck auf den | |
| Bundesgesetzgeber aufrechterhalten.“Mitarbeit Dinah Riese | |
| 10 Dec 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
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