Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Fremd und befremdlich: Hinterhältige Worte
> Es ist perfide, dass bei der Debatte um Paragraf 219a von „Werbung“ die
> Rede ist. Es geht nämlich überhaupt nicht um Werbung.
Bild: Wann fängt ungeborenes Leben an? Sieben Wochen alter Fötus in einer Fru…
In der DDR konnte eine Frau, wenn sie schwanger war, sich in den ersten
zwölf Wochen entscheiden, ob sie das Kind haben wollte oder nicht. Das
nannte man die Fristenregelung. Entschied sie sich für eine Abtreibung,
musste der Arzt diese vornehmen. So einfach war das. Führte das dazu, dass
die Frauen in der DDR weniger Kinder hatten als die Frauen in der
Bundesrepublik? Komischerweise nicht.
In der DDR war die Abtreibung nicht so stigmatisiert, das Muttersein nicht
so heroisiert, denn die Mutter sollte ja auch Werktätige sein und sich
nicht so in ihr Muttersein hineinsteigern. Man sprach auch nicht vom
„ungeborenen Leben“, wie das heute der Fall ist. Den Begriff habe ich
überhaupt das erste Mal in der Bundesrepublik gehört.
Ungeborenes Leben, was soll das sein? Wann fängt das an? Sind Spermien auch
ungeborenes Leben, Eizellen? Fängt das dann aber sofort an, wenn die beiden
sich treffen? Ich habe in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft ein
„ungeborenes Leben“ verloren, in der Toilette. Es war ein ganz kleiner,
schleimiger Klumpen. Hätte ich ihn vielleicht aus der Toilette holen und an
mich drücken sollen, dieses mein „ungeborenes Leben“?
Diese aufgeladene Emotionalität regt mich auf. Warum werden die Leute so
sentimental, so hysterisch, wenn es um einen Zellhaufen geht? Es hat keine
Empfindungen. Es tut ihm nichts weh. Und potenzielle Kinder sind alle
sinnlos vergeudeten Spermien und Eizellen.
Wenn wir da wirklich nichts versäumen wollten, dann müssten wir uns
fortpflanzen, was das Zeug hält, dann dürften wir nicht einmal verhüten,
weil wir auch damit „ungeborenes Leben“ verhindern. Darum geht es doch,
oder? Aber Worte können so hinterhältig sein, so manipulierend. Wer könnte
schon ein „Leben auslöschen“ wollen? Doch nur ein Mörder, oder was?
Und nun geht es um Werbung für den Schwangerschaftsabbruch. Der
niedersächsische Landtag setzt sich für die Abschaffung des Paragrafen 219a
des Strafgesetzbuchs ein. SPD, Grüne und FDP sind sich einig. Das ist gut,
das ist richtig.
Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch, das macht niemand. Es ist sogar
perfide, dass hier von Werbung die Rede ist. Was ist denn Werbung,
bitteschön? Der Kaffee ist so mild, das Auto so schnell. Wie würde denn
Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch aussehen.
„Schwangerschaftsabbruch – so schick nur hier.“ So in der Art?
Ich weiß nicht, ich habe ja solche Sprüche noch nie gesehen. Würde eine
Werbeagentur damit beauftragt werden, Werbung für einen
Schwangerschaftsabbruch zu machen? Würden das die Ärzte in Auftrag geben,
die Krankenhäuser?: „Hier, machen sie uns mal eine richtig coole Werbung
für Schwangerschaftsabbruch, damit auch recht viele Frauen sich dafür
entscheiden.“? „Rechtzeitig zum Fest wieder schlank.“ Oder: „Ohne Kinder
lebt sich’s besser.“ Da wäre doch einiges vorstellbar. Da könnten sich do…
die Agenturen richtig was einfallen lassen. Das ist doch Werbung, oder?
Aber darum geht es gar nicht. Es geht überhaupt nicht um Werbung, es ist
nur immer die Rede von Werbung, obwohl es überhaupt nicht darum geht. Das
macht die Sache nämlich einfacher für die Befürworter dieses beknackten
Paragrafen. Es geht um das Anbieten von Informationen. Es soll ein Arzt
einfach nicht mitteilen dürfen, dass er Abbrüche vornimmt. Deswegen ist ja
diese Gießener Ärztin verurteilt worden, weil sie auf ihrer Website über
Schwangerschaftsabbruch informiert hat.
Informiert werden soll nicht. Sie hat einfach nur auf ihrer Website Links
zum Thema Schwangerschaftsabbruch angegeben. Und das ist halt auch so ein
altertümliches Mittel, um die Menschen unmündig zu machen. Man lässt sie
dumm. Man erschwert ihnen den Zugang zur Aufklärung. Eine Frau soll gar
nicht in allen Details wissen, worauf sie sich einlässt, und soll doch eine
Entscheidung treffen. Und die trifft sie dann, vielleicht, aus Angst. Was
ist das denn für ein menschenfeindliches Verhalten von diesen
„Lebensschützern“ die, wie es scheint, für die Ungeborenen mehr übrig ha…
als für die Geborenen?
12 Dec 2018
## AUTOREN
Katrin Seddig
## TAGS
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Abtreibung
Mithulogie
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Paragraf 219a
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Mithulogie: Deutschland wird Entwicklungsland
Seit 2005 hat sich die Zahl der Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche
anbieten, fast halbiert. Sollen wir wieder zum Kleiderbügel greifen?
Kommentar Vorschlag zum Paragraf 219a: Machterhalt oder Menschenrecht
Es läge bei der SPD, den schwächsten Vorschlag zu 219a noch zu verhindern
und das „Werbeverbot“ zu kippen. Das wäre wichtiger als Koalitionsfrieden.
Abtreibungsgegner*innen von Pro Femina: „Sicher wollen Sie keine Abtreibung“
„Buzzfeed“ berichtet, dass Pro Femina Schwangere manipuliert und drängt,
das Kind zu behalten. Der Verein weist sämtliche Vorwürfe von sich.
Ärztin über den Streit um Paragraf 219a: „Wir fühlen uns verarscht“
Die Ärztin Nora Szász fordert eine Lösung für Paragraf 219a. In die SPD
setzt sie noch Hoffnung, Vorschläge der Union hält sie für Augenwischerei.
„Werbeverbot“ für Abtreibungen: Paragraf 219a belastet die GroKo
Die FDP will per Antrag im Bundestag den Paragrafen 219a zu Fall bringen.
Doch mit den Stimmen der SPD ist derzeit kaum zu rechnen.
Paragraf 219a in Berlin: ÄrztInnen unter Druck
Die Debatte über Schwangerschaftsabbrüche hat Folgen für Berlin: Bleibt der
Paragraf 219a, landet eine Gynäkologin aus Steglitz wohl bald vor Gericht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.