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# taz.de -- Wassermangel in Brandenburg: Wenn die Poolscham mitschwimmt
> Immer mehr Leute bauen sich einen Pool in den Garten. Wie geht der
> Wasserverbrauch zusammen mit Dürre und Waldbränden? Ein Ortsbesuch in
> Brandenburg.
Oranienburg, Panketal, Velten und Berlin taz | Matthias Börner wollte das
eigentlich alles gar nicht. Von seinem Grundstück im Oranienburger Osten
schaut der 65-Jährige auf einen Seitenarm der Havel, auch der Lehnitzsee
ist bloß ein paar Minuten mit dem Fahrrad entfernt, das Badeparadies TURM
ErlebnisCity ebenfalls. Wasser überall also. Und dann die Vorstellung eines
Baggers im Garten, tagelang, die vielen hübschen Quadratmeter Rasenfläche,
die einfach verschwinden und mit ihnen ein hoher fünfstelliger Betrag.
Zwanzig Jahre habe die Frau an ihm rumgebohrt, Barbara Börner, ehemals
Leistungsschwimmerin in der DDR. Sie trägt an diesem Dienstag im Juni
Badelatschen und ein Handtuch über der Schulter, die Haare sind im Nacken
noch ein bisschen nass. Doch erst die Enkelin „gab wirklich den Ausschlag“,
sie wollte unbedingt einen Pool haben. Für sie erträgt Matthias Börner das
leichte Unbehagen, das ihn überkommt, wenn er, neben der Poolleiter
stehend, auf das sachte [1][fließende Havelwasser] blickt. Aber:
„Mittlerweile ist der Opa überzeugt“, sagt er. „Das ist ne tolle Sache, …
ist goldrichtig.“
Mit dieser Meinung scheint er nicht allein zu sein. Wer beim Landeanflug
auf den Flughafen Berlin-Brandenburg aus dem Fenster schaut, könnte meinen,
sich über Miami oder Southern California zu befinden, so hoch ist die
Pooldichte. Haus, Garten, Pool reihen sich an Haus, Garten, Pool, reihen
sich an Haus, Garten, Pool. Der [2][innereuropäische Flug] fühlt sich
plötzlich gar nicht mehr so schäbig an, denn seht mal alle her, da unten
planschen die Brandenburger, während ihr Grundwasserspiegel immer weiter
sinkt und nebenan die Wälder brennen.
Swimmingpools, eingelassen oder aufgestellt, sind natürlich kein spezifisch
brandenburgisches Phänomen. Nur ist die Wasserhaushaltsbilanz in kaum einem
anderem Bundesland so aus dem Lot. Der Niederschlag reicht nicht mehr aus
für die hier lebenden Menschen, die Landwirtschaft, die Industrie, die
Natur. Die Regenmenge, die es bis ganz runter zum Grundwasser schafft, ist
so gering wie sonst nur in Sachsen-Anhalt. Brandenburg [3][gehört zu den
trockensten Regionen Deutschlands] und hatte im vergangenen Jahr am
stärksten mit Bränden zu kämpfen. Insgesamt 1.425 Hektar Fläche – in
Fußballfeldrechnung mehr als 2.000 Spielfelder – [4][standen in Flammen].
Auch das Ende der Braunkohleförderung in der Lausitz [5][verheißt für die
Wasserversorgung entlang der Spree nichts Gutes]. Da künftig deutlich
weniger Grundwasser aus den Kohlegruben in den Fluss geleitet wird, fehlen
voraussichtlich jährlich 126 Millionen Kubikmeter Wasser – mehr als dreimal
so viel, wie der Große Müggelsee im Berliner Osten fasst. Gleichzeitig ist
der private Verbrauch mit 120,1 Litern pro Person und Tag so hoch wie seit
25 Jahren nicht. Und die Poolbranche? Die boomt. Mehr als zehn Prozent
aller Eigenheime haben laut dem Verband Schwimmbad und Wellness
deutschlandweit ein eigenes Becken, [6][Tendenz steigend]. Und das, obwohl
sich seit geraumer Zeit [7][Vokabeln wie „Poolscham“ verbreiten], Kommunen
Bauverbote diskutieren und die Wassernutzung reglementieren. Sich
angesichts dieser Lage für einen Pool zu entscheiden, scheint ignorant.
Doch wie schlimm sind sie wirklich, die privaten Badeanstalten? Die Suche
nach Antworten führt zu einem Bürgermeister, der Pools auf die Agenda
gesetzt hat, in die Planschbecken-Abteilung eines Brandenburger Baumarkts
und in den Garten der Börners.
Matthias Börner, großgewachsen, tiefe Stimme, gleitet inzwischen auch
selbst regelmäßig ins Becken, und zwar nicht nur im Hochsommer, sondern ab
März. Sie würden den Pool nicht mal heizen, sagt er – wäre da nicht die
Enkeltochter, die man, ist sie einmal drin, kaum aus dem Wasser kriegt.
„Die würde sonst halb erfrieren“, sagt Barbara Börner. Heute ist wieder
„Oma-Opa-Tag“, nach der Schule kommt sie vorbei. Für sie hat das Wasser 28
Grad. Matthias Börner hat es so eingestellt.
Wenn Wasser das Element von Frau und Enkelin sind, ist Feuer seines.
Genauer gesagt der große Feuerball, die Sonne, noch genauer gesagt: deren
Energie. Zufrieden deutet er auf das Dach des Gartenhauses, Photovoltaik.
„Und zwar seit 2008 schon, als die Leute noch gesagt haben: ‚Na, rechnet
sich denn das?‘“ Auch in der Nachbarschaft habe er damals erfolgreich dafür
geworben. Börner ist überzeugt, mit den Technologien rund um sein
Einfamilienhaus mehr für die Umwelt zu tun „als so mancher Klimakleber“.
Ein ganzes Berufsleben lang war er Heizungsinstallateur, mal selbstständig,
mal angestellt und trotz Ruhestand „immer noch viel unterwegs“.
Er öffnet die Tür zum Hausanschlussraum, der Pufferspeicher für die
Solaranlage fasst eintausend Liter, er nutzt sie fürs Warmwasser, für die
Fußbodenheizung und eben den Pool, wenn was überbleibt. Die „Spitzen im
Winter“ deckt er [8][mit der Wärmepumpe ab], „wir heizen also hybrid, wenn
Sie so wollen“, mit Pumpe und Solarthermieanlage. Das ist state of the art,
Robert Habeck würde anerkennend nicken. Im Spätsommer 2022 hatte der
Wirtschaftsminister eine Verordnung auf den Weg gebracht, die Besitzern von
Schwimmbädern in Wohngebäuden und Privatgärten das Heizen mit Gas oder
Strom aus dem Stromnetz untersagt. Die Börners hätte dieses Verbot nicht
betroffen, sie erzeugen ihre eigene Wärme.
„Und dann“, Börner tritt wieder ins Freie, breitet die Arme aus, „pflanze
ich hier Bäume.“ Es gehört alles zusammen, die Solaranlage, die Wärmepumpe,
das Grün im Garten – für Börner auch eine Rechtfertigung, dass man sich
angesichts eines solchen Umweltbewusstseins den Pool gönnen darf.
Der ist natürlich ein Vorzeigemodell, ein Salzwasserpool. Die sind
tatsächlich umweltverträglicher als herkömmliche Pools, weil sie ohne
künstliche Zusätze von Chlor auskommen. Durch Elektrolyse wird das sich im
Pool befindliche Kochsalz in seine Bestandteile Natrium und Chlorid
zersetzt. Das Chlor wird für die Desinfektion abgespalten, Natrium bleibt
erhalten. Am Ende der Schwimmsaison hören die Börners auf nachzusalzen. Das
Chlorid, das dann noch im Pool ist, baut sich langsam ab, sodass sie das
Wasser zum Pflanzengießen nutzen können. Ein Drittel, etwa 9.000 Liter,
müssen sie nämlich ablassen, damit der Pool im Winter nicht einfriert. Und
laut den Börners lande es dann größtenteils nicht in der Kanalisation,
sondern in den Beeten. Aber: Um 9.000 Liter Wasser im Garten zu verteilen,
müsste der Schlauch 15 Stunden lang auf Anschlag aufgedreht sein. Ob der
herbstliche Garten eine so intensive Betreuung benötigt? Vermutlich nicht.
Schwimmbecken mit bis zu 100.000 Liter Fassungsvermögen sind in Deutschland
übrigens genehmigungsfrei. Theoretisch dürfte man sich noch Sprungtürme und
Wasserrutschen bis zehn Meter Höhe aufs Grundstück setzen, auch das:
genehmigungsfrei. Der Pool der Börners ist sechs mal drei Meter groß,
Standardmaße, er fasst knapp 30.000 Liter. Davon, so Matthias Börner, würde
im Sommer so gut wie nichts verdunsten, denn sie hätten ein Schiebedach
über dem Becken – ein Rat „vom Christoph“ sei das gewesen.
Christoph Smylla, Mitte 40, ist Chef der Firma Poolexpress aus Velten, er
hat Reporterin und Familie Börner zusammengeführt. Der wochentaz hat er
zugesagt, Einblicke in seine Arbeit zu geben, weil ihn dieses „Pool-Bashing
in den Medien“ nervt. Smylla steht an diesem Junitag neben Matthias Börner
und nickt zustimmend: Ja, das Dach empfehle er all seinen Kunden.
Smylla sieht aus, wie man sich einen Poolverkäufer vorstellt.
Braungebrannt, blaues Shirt, kurze Hose mit vielen Taschen. Er sagt Dinge
wie „Leider gibt es ja in Deutschland einen Winter“ oder mehrfach
hintereinander Polypropylenpool, ohne sich zu verhaspeln. Polypropylen, das
ist der Kunststoff, aus dem heute die meisten Pools gebaut werden.
Die meisten seiner Kunden seien gewissenhafte Leute, die sich das mit dem
Pool gut überlegt hätten, sagt Smylla: Mehr als zwei Drittel wünschten sich
heute einen Salzwasserpool. Es gehe also sehr viel weniger Chemie und
Wasser drauf, als man so denke. Vorausgesetzt natürlich, man beschäftige
sich mit der Anlage, lese die 70 Seiten Bedienungsanleitung, die er den
Kunden dalasse. Denn: „Es gibt natürlich auch diejenigen, die nicht
interessiert, wenn da irgendwas blinkt. Die beispielsweise vergessen, Salz
nachzufüllen“, sagt er. Die hätten das Becken nur, um ihren Nachbarn zu
imponieren, das wisse er genau: „Das dauert einen Monat, dann kippt es und
ich kriege einen Anruf.“ Das algige, grünliche Wasser landet dann oft im
Abfluss. Zehntausende Liter. Laut einer Befragung der Hamburger Wasserwerke
aus dem Jahr 2021 passiert so etwas viel zu oft. [9][71 Prozent der
Besitzer von eingelassenen Pools gaben an], mindestens einmal im Monat
komplett das Wasser zu wechseln.
Matthias Börner ist jemand, der die Bedienungsanleitung liest. Und daher
auch weiß, wenn mit der pH-Sonde etwas nicht stimmt. Der pH-Wert gibt an,
wie sauer oder basisch eine Flüssigkeit ist. Im Pool-Kreislauf ist eine
Flüssigkeit integriert, die, sobald die Filteranlage läuft, automatisch ins
Wasser abgegeben wird und den pH-Wert auf dem richtigen Level hält. Die
pH-Sonde bei den Börners zeigt einen bedenklichen Wert an, aber „alles
blitzesauber, hier riecht auch nichts“, sagt Matthias Börner. „Scheint eine
falsche Messung zu sein, oder was denkst du?“, fragt er Christoph Smylla.
Die Männer beugen sich über etwas, das aussieht wie ein Lockenstab, Barbara
Börner geht rüber zu ihrem Hochbeet. Wenn die 65-Jährige frühmorgens vor
dem ersten Kaffee ihre Bahnen zieht, dann sei das „Luxus pur“, erzählt sie.
Oder spätabends, vorm Zubettgehen. Jahrzehntelang habe die ehemalige
Gynäkologin auf dem Heimweg von der Praxis davon geträumt, noch in den
eigenen Pool zu springen, jetzt zu Beginn der Rente sei endlich der
richtige Zeitpunkt gekommen. Als einstige Leistungsschwimmerin habe sie
kurz mit einer Gegenstromanlage geliebäugelt, sich aber doch dagegen
entschieden. „Wenn ich richtig schwimmen will, fahren wir mit den Rädern
zum See.“
Für Christoph Smylla ist Deutschland in Lieferzonen und Postleitzahlen
eingeteilt. Seine Firma sitzt in Velten im Einsergebiet, seine Mitarbeiter
seien mittlerweile der auch in „Siebener- und Sechser-, Neuner-Gebieten“
unterwegs. Die vergangenen fünf Jahre waren ein „Ausnahmezustand“. Schon
davor sei die Auftragslage nicht schlecht gewesen, aber als während Corona
das öffentliche Leben zum Erliegen kam und der Alltag ausschließlich
hinterm Gartenzaun stattfand, trafen sehr viele Familien für Smylla sehr
geschäftsfördernde Entscheidungen.
Dabei seien Pools mittlerweile sowieso Massenware. Früher, als noch
gemauert und gefliest wurde, „da hast du einen im Jahr gemacht und warst
durch mit deinem Umsatz.“ Heute bestehen die Becken eben aus halbwegs
kostengünstigem Polypropylen, oder, noch günstiger, GFK,
glasfaserverstärktem Kunststoff. „Kleines Set mit einer ordentlichen Pumpe,
da geht’s schon los bei 5.000 Euro.“ In der Preisklasse eines teuren
Urlaubs also.
Auch wenn der Pandemie-Ausnahmezustand aktuell abebbt, um sein Business
macht Smylla sich keine Sorgen. 18 Millionen Einfamilienhäuser gibt es in
Deutschland, etwa 2,1 davon haben einen Pool. „Luft nach oben also“, sagt
er. Zwar beobachte er, dass Pools vermehrt in die Kritik gerieten – seine
seien aber „ordentlich“. Für viel fragwürdiger hält er Aufstellbecken aus
dem Baumarkt, die schnell kaputtgingen und oft keine vernünftige Filterung
besäßen. Und überhaupt: „Ist das echt die bessere Alternative, wenn ich
jedes Wochenende meine zehn Kinder im Auto zum Baggersee fahre und da alles
vollmülle?“
Seine Mitarbeiter auf den Baustellen in Bayern berichteten mittlerweile von
Drohnen, die über den Wohngebieten die Pooldichte ermittelten. Christoph
Smylla beunruhigt das nicht, er findet es eher kurios. In Bayern hatten
sich zuletzt Fälle von Anwohnern gehäuft, die ihre privaten Pools mit
Wasser aus öffentlichen Hydranten füllten – also kostbares Löschwasser
anzapften. Auch das könnte Grund für die Drohnen sein. Etwa 10 Prozent
seiner Kunden äußerten beim Erstgespräch Sorgen, dass Befüllungsverbote
ihrem Badespaß im Weg stehen könnten. Die würde Smylla beschwichtigen: er
glaubt nicht, dass die Politik da wirklich durchgreifen werde. Die anderen
90 Prozent würden ans Wasser gar nicht denken, die seien aktuell abgelenkt
von der anderen großen Eigenheimbesitzerbürde: Fragen rund ums
Heizungsgesetz.
Maximilian Wonke hält sich durchaus für jemanden, der beim Thema Wasser
durchgreift. Über seiner Gemeinde lässt er zwar keine Drohnen fliegen,
schaut dafür aber selbst ganz genau hin. Der 36-jährige SPD-Politiker ist
Bürgermeister der Gemeinde Panketal, östlich von Oranienburg, und machte
[10][im vergangenen Sommer Schlagzeilen] mit einem Wassersprengverbot
zwischen 17 und 21 Uhr. Auch in diesem Jahr ist den Panketalern seit April
untersagt, in diesen Stunden ihre Gärten zu bewässern oder den Pool
aufzufüllen. Unbelehrbaren droht ein Bußgeld, das laut Wonke bisher aber
kein einziges Mal verhängt wurde. Seine Mitarbeiter:innen vom
Ordnungsamt würden stattdessen über den Gartenzaun hinweg das Gespräch
suchen oder eine Infobroschüre in den Briefkasten werfen. Am liebsten
allerdings halte er an und spreche ganz direkt mit den Leuten. „Das mache
ich ja auch, wenn ich sehe, dass jemand seine Abfälle am Bahndamm
entsorgt.“
Privates Badevergnügen rangiert auf der Pfui-Skala also auf einer Stufe mit
Müll in der Gegend rumwerfen? Wonke ist das mit dem Wasser wirklich
wichtig. Zuvorderst geht es ihm darum, das kommunale Wasserwerk zu
entlasten. Die Gemeinde hat ihr eigenes, ein hübscher Backsteinbau mitten
im Wohngebiet. „Dieses Wasserwerk muss man sich vorstellen wie eine große
Poolfilteranlage“, sagt er. Die Pumpen entnehmen Wasser aus dem Erdreich,
das durch Sandfilter gedrückt wird. Wenn dann alle zu den Stoßzeiten,
nämlich nach Feierabend, ihre Rasensprenger anschalten, werden noch ein
paar Pumpen hinzugeschaltet, die „dann Dauerlauf machen müssen, das ist wie
180 im dritten Gang fahren“.
Poolfilteranlage, übertourig Autofahren: Wonke hat seine Metaphern da ganz
offensichtlich aufs Publikum abgestimmt. Den Wagen so zu überlasten ginge
nicht lange gut: „Das macht das Auto nicht mit. Also zumindest meins
nicht.“ Im schlimmsten Fall reicht der Wasserdruck nicht mehr bis in obere
Stockwerke.
Mit Blick aufs vergangene Jahr zieht Wonke eine positive Bilanz und kann
das auch mit Grafiken veranschaulichen. Wonke, studierter
Agrarwissenschaftler, hat im Studium viel mit Zahlen gearbeitet und erlaubt
sich da „zumindest eine kleine Fachkenntnis“. Und tatsächlich, zwischen 17
und 21 Uhr sank der Verbrauch etwa um ein Drittel, während er in den
Stunden vorher und nachher nur minimal oder gar nicht stieg. Seine aktuelle
Herausforderung sei es, die Leute daran zu erinnern, dass das keine
einmalige Sache war. Dass das in diesem Sommer weitergeht, auch wenn es mal
gerade nicht superheiß ist.
Auf gar keinen Fall möchte Wonke, dass unter den Panketalern eine Art
Denunziantentum entsteht, dass Nachbarn mit kritischen Blicken über die
Grundstücksgrenzen ihre Gartenschlauchaktivitäten abgleichen. Eine solche
Dynamik scheint aber sowieso eher unrealistisch: Denn seine Bürgerinnen und
Bürger seien der Maßnahme nicht unbedingt mit Euphorie begegnet. Zwar
halten sie sich offensichtlich größtenteils daran. Aber die ein oder andere
Hassmail landete dann doch in seinem Postfach. Wonke möchte da inhaltlich
nicht ins Detail gehen, „ein bisschen unter der Gürtellinie“ und
„qualitätsbefreit“ sei es schon gewesen.
Das Spreng- und Poolbefüllungsverbot ist nicht Wonkes einzige Maßnahme, um
die Panketaler für das Wasser-Thema zu sensibilisieren. Ab 1. Januar 2024
werden in seiner Gemeinde die Gartenwasserzähler abgeschafft. Die Zähler
erfassen das im Garten verbrauchte Leitungswasser, um es von der
Abwassergebühr abzuziehen. Denn da das Wasser im Boden versickert, muss es
nicht zurück ins Klärwerk. Fortan sollen pauschal 20 Kubikmeter, also
20.000 Liter, von der Jahresabwassergebühr abgezogen werden. Alles darüber
hinaus wird also teuer. Es ist Wonkes Versuch, eine Art Obergrenze für die
Gartenbewässerung einzuführen.
Pools dürfen übrigens nicht über den Gartenwasserzähler befüllt werden,
weil das Wasser – außer man macht es wie die Börners – für gewöhnlich
irgendwann in der Kanalisation landet. Doch es gab bislang viele
Poolbesitzer, die sich nicht an dieses Verbot gehalten haben – diese haben
nun keine Möglichkeit mehr, der Abwassergebühr zu entgehen.Seit Anfang des
Jahres entfällt außerdem die Grundgebühr auf Trinkwasser, etwa 80 Euro, die
Nutzungsgebühr ist hingegen um 50 Prozent gestiegen. Ein weiterer
finanzieller Anreiz, auf Trinkwasser achtzugeben, sagt Wonke. Wer mehr
verbraucht, zahlt mehr.
Wer gegen Signale auf dem Konto immun ist, kann sich von der Pappampel
vorm Wasserwerk in Panketal inspirieren lassen. Die zeigt an, wie es um den
Wasserverbrauch gerade steht. Aktuell: Gelb. Die Anlage werde bereits mit
einer hohen Förderleistung betrieben, steht es dazu auf der Website. „Der
Fremdwasserbezug stößt an die Kapazitätsgrenzen, reduzieren Sie Ihren
Verbrauch!“ Rund um das Wasserwerk herum befinden sich Einfamilienhäuser
mit schrägen Gartenzäunen, bunt bemalten Mäuerchen oder Hecken, die
aussehen, als seien sie nach Gefühl gestutzt worden. Eine erfrischend
unspießige Speckgürtelgegend. Manche Panketaler weisen auf Schildern am
Törchen darauf hin, dass es sich beim Wildwuchs in ihrem Vorgarten um ein
Insektenparadies handelt oder dass sie mit Regenwasser gießen – damit bloß
keine Infozettel im Briefkasten landen.
Auch Maximilian Wonke selbst hat so ein Regenwasser-Schild. Parallel zum
Start des Sprengverbots im vergangenen Jahr hob er auf seinem Grundstück
eine alte Jauchegrube aus DDR-Zeiten aus. Die dient ihm jetzt als
Regenwasserrückhaltebecken. Da könne man ohne Probleme einen Gartensprenger
anschließen – der dann auch um 19.30 Uhr laufen darf. Seine Kinder
verbringen die heißen Tage allerdings in einem anderen Garten, ein paar
Häuser weiter, bei den Großeltern: „Die haben den besten Pool, den man sich
vorstellen kann.“
Und er könne ja auch verstehen, wenn ihm Menschen mailten, dass sie sich
ihr kleines Paradies „für teuer Geld“ geschaffen hätten und es ihnen nun
sehr schwer falle, es nicht nach ihren Vorstellungen hegen zu dürfen. Doch
gerade die vielen privaten Pools hält Wonke für „unterschätzte
Verbraucher“, bei denen man ansetzen müsse. Er hat Satellitenbilder
ausgewertet: Auf einer willkürlich ausgewählten Wohngebietsfläche von
37.500 Quadratmetern – gut 5 Fußballfelder – seien 0,6 Prozent Pools. Das
klingt erstmal nicht viel, allerdings liege die Verdunstung allein in
diesem Areal seinen Berechnungen zufolge bei etwa 1.800 Liter am Tag.
Kostbares Trinkwasser, einfach futsch.
Das auf Wonkes Satellitenbild vorherrschende Poolmodell sind die günstigen
Aufstellbecken aus dem Baumarkt. Besuch also beim nächstgelegenen Obi in
Bernau, der genau die im Sortiment hat. Die Pools stehen gleich hinter der
Kasse, Verkäuferin Gabriele Wilzing hat heute viel zu tun. Angesprochen auf
den Wasserverbrauch schüttelt sie nur den Kopf. Sie selbst besitze seit 22
Jahren einen Stahlwandpool – da geht es los ab 300 Euro – und seit 22
Jahren habe sie das Wasser nicht gewechselt. Das, was ihr abhandenkommt
durch Rückspülung des Sandfilters oder Verdunstung, fülle sie mit
Regenwasser nach. Im Winter lasse sie das Wasser bis unter die Sprühdüsen
ab, damit die Rohre nicht einfrieren, „Plane drüber und fertig.“
Sie findet das Sprengverbot in Panketal richtig, ihr Rasen „sieht aus wie
'ne Steppe“. Wenn Wilzing abends ihre Hunderunde läuft, frage sie sich
schon hin und wieder, warum manche ihre Gärten so maßlos bewässerten. „Und
diese Versenkregner, was soll das?“ Wilzing meint in den Boden eingelassene
großflächige Bewässerungsanlagen. Aber die Pools? Die seien nun wirklich
nicht das Problem – wenn man sich denn vernünftig anstelle. „Die meisten
machen wirklich viel verkehrt. Kippen Algen rein, kippen Flocken rein und
lassen dann irgendwann alles ab, weil sie nicht wissen, was sie da gemacht
haben.“
Zu Wilzings Kunden gehören an diesem Montagnachmittag unter anderem Roland
und Inge, sie sind auf der Suche nach einer vernünftigen Außendusche. Wenn
ihr Haus nicht schon einen Pool besessen hätte, „dann hätten wir uns selbst
einen gemacht“, erzählen sie. „Und zwar einen größeren.“ Ihrer hätte …
3,60 Meter Durchmesser. Warum sie den Pool für ein gutes Konzept halten?
„Naja, die Klimazonen werden ja immer wärmer“, sagen sie. „Da braucht man
die Abkühlung. Zur Ostsee müssen wir ja erst mal hinfahren.“
Anruf bei Irina Engelhardt, sie ist Hydrogeologin an der TU Berlin,
beschäftigt sich also mit dem Wasser auf und unter der Erdoberfläche. Was
hält sie von privaten Pools? Dringt das Thema Wassermangel ihrer Meinung
nach zu den Menschen durch?
Die Wissenschaftlerin beginnt bei Grundlegendem: Brandenburg sei auch wegen
der suboptimalen Bodenbeschaffenheit ein Problembundesland. „Die
eiszeitlich geprägten Grundwasserleiter sind in der Region porös, bestehen
aus Sand und Kies, die das Wasser zwar schnell nach unten weiterleiten,
aber anfällig für Verdunstungen sind“, sagt Engelhardt. Dann das Ende der
Braunkohleförderung, und dazu die Herausforderungen durch den Klimawandel.
Das seien keine guten Aussichten.
Den aktuellen Wasserverbrauch in Brandenburg, 120 Liter pro Kopf und Tag,
hält sie für nicht so dramatisch. Die Menschen in Thüringen und Sachsen
verbrauchen mit 90 Litern am wenigsten, in Hamburg mit 144 Litern am
meisten, der Bundesdurchschnitt liegt bei 125 Litern. „Da ist der
Brandenburger Verbrauch auch im internationalen Vergleich eher sparsam“,
sagt Engelhardt.
Trotzdem hat der Wasserverband Strausberg-Erkner, der zahlreiche Kommunen
östlich von Berlin versorgt, nun zu drastischen Maßnahmen gegriffen: Der
Verbrauch für Neukunden ist ab 2025 auf 105 Liter pro Person und Tag
limitiert, überschreitet man die Menge, sind Ordnungs- oder Bußgelder
möglich. Aufs Jahr gerechnet sind das pro Person also 37.000 Liter – etwas
mehr, als in den Pool der Börners passt. Denn, auch bei all den
Beteuerungen, die Verdunstung in Schach zu halten und das Wasser zu
pflegen: einen Pool zu besitzen ist künstlicher Überfluss, der an anderer
Stelle fehlt – auch wenn man es so nachhaltig wie möglich gestaltet.
„Ich persönlich finde, Pools sollten mit Bedacht genutzt und Gärten nicht
zwischen 10 und 18 Uhr – also im Sonnenschein und bei entsprechender
Verdunstung – bewässert werden“, sagt Irina Engelhardt. Sie ist aber auch
der Meinung, dass der private Verbrauch beim Thema Wasser viel zu stark im
Fokus stehe. Ein Grund dafür sei, dass man sich bei der Pro-Kopf-Nutzung
auf ausführliche Zahlen und Erhebungen berufen könne – für „die richtig
großen Baustellen“, nämlich Industrie und Landwirtschaft, fehlten diese
schlicht. Daten aus der Landwirtschaft würden teilweise gar nicht erst
erhoben und wenn doch, dann nicht zentral verwaltet. Der Verbrauch von
Industrieunternehmen werde meist zwar aufgezeichnet, aber aus
Datenschutzgründen vor der Öffentlichkeit geheim gehalten.
Die Hydrogeologin wünscht sich auch in Deutschland eine
Technologieoffenheit, wie sie sie aus dem Mittelmeerraum, Mittleren Osten
oder den USA kennt kenne: „Wiederverwertung von gereinigtem Abwasser für
die Landwirtschaft beispielsweise.“ Bisher ist es in Deutschland so, dass
Abwasser eben nicht als wertvolle Ressource behandelt, sondern nach
Zwischenstopp im Klärwerk meist Flüssen zugeführt wird und dann Richtung
Meer das Land verlässt. Sinnvoll wäre beispielsweise, es für
Landwirtschaft, Gärten oder Parkanlagen weiterzunutzen. „Aber da ist noch
viel Arbeit nötig, um die Akzeptanz zu erhöhen und eine Wasserinfrastruktur
aufzubauen.“
Apropos Wasserinfrastruktur. Mehr als 3.000 Seen gibt es in Brandenburg, so
viele wie in sonst keinem Bundesland. Müssen die vielleicht einfach
attraktiver werden, um das mit den Pools in den Griff zu kriegen? Der
Bürgermeister von Panketal lacht nur, wenn man ihn das fragt. „Die sind ja
schon sehr attraktiv. So attraktiv, dass zahlreiche Einwohner aus unserer
Nachbarkommune Berlin viel Zeit dort verbringen“, sagt Wonke im Scherz,
„das ist natürlich gut, man lebt ja voneinander.“
Und Christoph Smylla, der Poolbauer, behauptet, sehr viel seltener in den
Sommerurlaub zu fliegen, seitdem die Familie im eigenen Garten schwimmen
gehen kann. Auch das, findet er, müsse man mal anerkennen.
23 Jul 2023
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## AUTOREN
Leonie Gubela
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