# taz.de -- Wassermangel in Brandenburg: Wenn die Poolscham mitschwimmt | |
> Immer mehr Leute bauen sich einen Pool in den Garten. Wie geht der | |
> Wasserverbrauch zusammen mit Dürre und Waldbränden? Ein Ortsbesuch in | |
> Brandenburg. | |
ORANIENBURG, PANKETAL, VELTEN UND BERLIN taz | Matthias Börner wollte das | |
eigentlich alles gar nicht. Von seinem Grundstück im Oranienburger Osten | |
schaut der 65-Jährige auf einen Seitenarm der Havel, auch der Lehnitzsee | |
ist bloß ein paar Minuten mit dem Fahrrad entfernt, das Badeparadies TURM | |
ErlebnisCity ebenfalls. Wasser überall also. Und dann die Vorstellung eines | |
Baggers im Garten, tagelang, die vielen hübschen Quadratmeter Rasenfläche, | |
die einfach verschwinden und mit ihnen ein hoher fünfstelliger Betrag. | |
Zwanzig Jahre habe die Frau an ihm rumgebohrt, Barbara Börner, ehemals | |
Leistungsschwimmerin in der DDR. Sie trägt an diesem Dienstag im Juni | |
Badelatschen und ein Handtuch über der Schulter, die Haare sind im Nacken | |
noch ein bisschen nass. Doch erst die Enkelin „gab wirklich den Ausschlag“, | |
sie wollte unbedingt einen Pool haben. Für sie erträgt Matthias Börner das | |
leichte Unbehagen, das ihn überkommt, wenn er, neben der Poolleiter | |
stehend, auf das sachte [1][fließende Havelwasser] blickt. Aber: | |
„Mittlerweile ist der Opa überzeugt“, sagt er. „Das ist ne tolle Sache, … | |
ist goldrichtig.“ | |
Mit dieser Meinung scheint er nicht allein zu sein. Wer beim Landeanflug | |
auf den Flughafen Berlin-Brandenburg aus dem Fenster schaut, könnte meinen, | |
sich über Miami oder Southern California zu befinden, so hoch ist die | |
Pooldichte. Haus, Garten, Pool reihen sich an Haus, Garten, Pool, reihen | |
sich an Haus, Garten, Pool. Der [2][innereuropäische Flug] fühlt sich | |
plötzlich gar nicht mehr so schäbig an, denn seht mal alle her, da unten | |
planschen die Brandenburger, während ihr Grundwasserspiegel immer weiter | |
sinkt und nebenan die Wälder brennen. | |
Swimmingpools, eingelassen oder aufgestellt, sind natürlich kein spezifisch | |
brandenburgisches Phänomen. Nur ist die Wasserhaushaltsbilanz in kaum einem | |
anderem Bundesland so aus dem Lot. Der Niederschlag reicht nicht mehr aus | |
für die hier lebenden Menschen, die Landwirtschaft, die Industrie, die | |
Natur. Die Regenmenge, die es bis ganz runter zum Grundwasser schafft, ist | |
so gering wie sonst nur in Sachsen-Anhalt. Brandenburg [3][gehört zu den | |
trockensten Regionen Deutschlands] und hatte im vergangenen Jahr am | |
stärksten mit Bränden zu kämpfen. Insgesamt 1.425 Hektar Fläche – in | |
Fußballfeldrechnung mehr als 2.000 Spielfelder – [4][standen in Flammen]. | |
Auch das Ende der Braunkohleförderung in der Lausitz [5][verheißt für die | |
Wasserversorgung entlang der Spree nichts Gutes]. Da künftig deutlich | |
weniger Grundwasser aus den Kohlegruben in den Fluss geleitet wird, fehlen | |
voraussichtlich jährlich 126 Millionen Kubikmeter Wasser – mehr als dreimal | |
so viel, wie der Große Müggelsee im Berliner Osten fasst. Gleichzeitig ist | |
der private Verbrauch mit 120,1 Litern pro Person und Tag so hoch wie seit | |
25 Jahren nicht. Und die Poolbranche? Die boomt. Mehr als zehn Prozent | |
aller Eigenheime haben laut dem Verband Schwimmbad und Wellness | |
deutschlandweit ein eigenes Becken, [6][Tendenz steigend]. Und das, obwohl | |
sich seit geraumer Zeit [7][Vokabeln wie „Poolscham“ verbreiten], Kommunen | |
Bauverbote diskutieren und die Wassernutzung reglementieren. Sich | |
angesichts dieser Lage für einen Pool zu entscheiden, scheint ignorant. | |
Doch wie schlimm sind sie wirklich, die privaten Badeanstalten? Die Suche | |
nach Antworten führt zu einem Bürgermeister, der Pools auf die Agenda | |
gesetzt hat, in die Planschbecken-Abteilung eines Brandenburger Baumarkts | |
und in den Garten der Börners. | |
Matthias Börner, großgewachsen, tiefe Stimme, gleitet inzwischen auch | |
selbst regelmäßig ins Becken, und zwar nicht nur im Hochsommer, sondern ab | |
März. Sie würden den Pool nicht mal heizen, sagt er – wäre da nicht die | |
Enkeltochter, die man, ist sie einmal drin, kaum aus dem Wasser kriegt. | |
„Die würde sonst halb erfrieren“, sagt Barbara Börner. Heute ist wieder | |
„Oma-Opa-Tag“, nach der Schule kommt sie vorbei. Für sie hat das Wasser 28 | |
Grad. Matthias Börner hat es so eingestellt. | |
Wenn Wasser das Element von Frau und Enkelin sind, ist Feuer seines. | |
Genauer gesagt der große Feuerball, die Sonne, noch genauer gesagt: deren | |
Energie. Zufrieden deutet er auf das Dach des Gartenhauses, Photovoltaik. | |
„Und zwar seit 2008 schon, als die Leute noch gesagt haben: ‚Na, rechnet | |
sich denn das?‘“ Auch in der Nachbarschaft habe er damals erfolgreich dafür | |
geworben. Börner ist überzeugt, mit den Technologien rund um sein | |
Einfamilienhaus mehr für die Umwelt zu tun „als so mancher Klimakleber“. | |
Ein ganzes Berufsleben lang war er Heizungsinstallateur, mal selbstständig, | |
mal angestellt und trotz Ruhestand „immer noch viel unterwegs“. | |
Er öffnet die Tür zum Hausanschlussraum, der Pufferspeicher für die | |
Solaranlage fasst eintausend Liter, er nutzt sie fürs Warmwasser, für die | |
Fußbodenheizung und eben den Pool, wenn was überbleibt. Die „Spitzen im | |
Winter“ deckt er [8][mit der Wärmepumpe ab], „wir heizen also hybrid, wenn | |
Sie so wollen“, mit Pumpe und Solarthermieanlage. Das ist state of the art, | |
Robert Habeck würde anerkennend nicken. Im Spätsommer 2022 hatte der | |
Wirtschaftsminister eine Verordnung auf den Weg gebracht, die Besitzern von | |
Schwimmbädern in Wohngebäuden und Privatgärten das Heizen mit Gas oder | |
Strom aus dem Stromnetz untersagt. Die Börners hätte dieses Verbot nicht | |
betroffen, sie erzeugen ihre eigene Wärme. | |
„Und dann“, Börner tritt wieder ins Freie, breitet die Arme aus, „pflanze | |
ich hier Bäume.“ Es gehört alles zusammen, die Solaranlage, die Wärmepumpe, | |
das Grün im Garten – für Börner auch eine Rechtfertigung, dass man sich | |
angesichts eines solchen Umweltbewusstseins den Pool gönnen darf. | |
Der ist natürlich ein Vorzeigemodell, ein Salzwasserpool. Die sind | |
tatsächlich umweltverträglicher als herkömmliche Pools, weil sie ohne | |
künstliche Zusätze von Chlor auskommen. Durch Elektrolyse wird das sich im | |
Pool befindliche Kochsalz in seine Bestandteile Natrium und Chlorid | |
zersetzt. Das Chlor wird für die Desinfektion abgespalten, Natrium bleibt | |
erhalten. Am Ende der Schwimmsaison hören die Börners auf nachzusalzen. Das | |
Chlorid, das dann noch im Pool ist, baut sich langsam ab, sodass sie das | |
Wasser zum Pflanzengießen nutzen können. Ein Drittel, etwa 9.000 Liter, | |
müssen sie nämlich ablassen, damit der Pool im Winter nicht einfriert. Und | |
laut den Börners lande es dann größtenteils nicht in der Kanalisation, | |
sondern in den Beeten. Aber: Um 9.000 Liter Wasser im Garten zu verteilen, | |
müsste der Schlauch 15 Stunden lang auf Anschlag aufgedreht sein. Ob der | |
herbstliche Garten eine so intensive Betreuung benötigt? Vermutlich nicht. | |
Schwimmbecken mit bis zu 100.000 Liter Fassungsvermögen sind in Deutschland | |
übrigens genehmigungsfrei. Theoretisch dürfte man sich noch Sprungtürme und | |
Wasserrutschen bis zehn Meter Höhe aufs Grundstück setzen, auch das: | |
genehmigungsfrei. Der Pool der Börners ist sechs mal drei Meter groß, | |
Standardmaße, er fasst knapp 30.000 Liter. Davon, so Matthias Börner, würde | |
im Sommer so gut wie nichts verdunsten, denn sie hätten ein Schiebedach | |
über dem Becken – ein Rat „vom Christoph“ sei das gewesen. | |
Christoph Smylla, Mitte 40, ist Chef der Firma Poolexpress aus Velten, er | |
hat Reporterin und Familie Börner zusammengeführt. Der wochentaz hat er | |
zugesagt, Einblicke in seine Arbeit zu geben, weil ihn dieses „Pool-Bashing | |
in den Medien“ nervt. Smylla steht an diesem Junitag neben Matthias Börner | |
und nickt zustimmend: Ja, das Dach empfehle er all seinen Kunden. | |
Smylla sieht aus, wie man sich einen Poolverkäufer vorstellt. | |
Braungebrannt, blaues Shirt, kurze Hose mit vielen Taschen. Er sagt Dinge | |
wie „Leider gibt es ja in Deutschland einen Winter“ oder mehrfach | |
hintereinander Polypropylenpool, ohne sich zu verhaspeln. Polypropylen, das | |
ist der Kunststoff, aus dem heute die meisten Pools gebaut werden. | |
Die meisten seiner Kunden seien gewissenhafte Leute, die sich das mit dem | |
Pool gut überlegt hätten, sagt Smylla: Mehr als zwei Drittel wünschten sich | |
heute einen Salzwasserpool. Es gehe also sehr viel weniger Chemie und | |
Wasser drauf, als man so denke. Vorausgesetzt natürlich, man beschäftige | |
sich mit der Anlage, lese die 70 Seiten Bedienungsanleitung, die er den | |
Kunden dalasse. Denn: „Es gibt natürlich auch diejenigen, die nicht | |
interessiert, wenn da irgendwas blinkt. Die beispielsweise vergessen, Salz | |
nachzufüllen“, sagt er. Die hätten das Becken nur, um ihren Nachbarn zu | |
imponieren, das wisse er genau: „Das dauert einen Monat, dann kippt es und | |
ich kriege einen Anruf.“ Das algige, grünliche Wasser landet dann oft im | |
Abfluss. Zehntausende Liter. Laut einer Befragung der Hamburger Wasserwerke | |
aus dem Jahr 2021 passiert so etwas viel zu oft. [9][71 Prozent der | |
Besitzer von eingelassenen Pools gaben an], mindestens einmal im Monat | |
komplett das Wasser zu wechseln. | |
Matthias Börner ist jemand, der die Bedienungsanleitung liest. Und daher | |
auch weiß, wenn mit der pH-Sonde etwas nicht stimmt. Der pH-Wert gibt an, | |
wie sauer oder basisch eine Flüssigkeit ist. Im Pool-Kreislauf ist eine | |
Flüssigkeit integriert, die, sobald die Filteranlage läuft, automatisch ins | |
Wasser abgegeben wird und den pH-Wert auf dem richtigen Level hält. Die | |
pH-Sonde bei den Börners zeigt einen bedenklichen Wert an, aber „alles | |
blitzesauber, hier riecht auch nichts“, sagt Matthias Börner. „Scheint eine | |
falsche Messung zu sein, oder was denkst du?“, fragt er Christoph Smylla. | |
Die Männer beugen sich über etwas, das aussieht wie ein Lockenstab, Barbara | |
Börner geht rüber zu ihrem Hochbeet. Wenn die 65-Jährige frühmorgens vor | |
dem ersten Kaffee ihre Bahnen zieht, dann sei das „Luxus pur“, erzählt sie. | |
Oder spätabends, vorm Zubettgehen. Jahrzehntelang habe die ehemalige | |
Gynäkologin auf dem Heimweg von der Praxis davon geträumt, noch in den | |
eigenen Pool zu springen, jetzt zu Beginn der Rente sei endlich der | |
richtige Zeitpunkt gekommen. Als einstige Leistungsschwimmerin habe sie | |
kurz mit einer Gegenstromanlage geliebäugelt, sich aber doch dagegen | |
entschieden. „Wenn ich richtig schwimmen will, fahren wir mit den Rädern | |
zum See.“ | |
Für Christoph Smylla ist Deutschland in Lieferzonen und Postleitzahlen | |
eingeteilt. Seine Firma sitzt in Velten im Einsergebiet, seine Mitarbeiter | |
seien mittlerweile der auch in „Siebener- und Sechser-, Neuner-Gebieten“ | |
unterwegs. Die vergangenen fünf Jahre waren ein „Ausnahmezustand“. Schon | |
davor sei die Auftragslage nicht schlecht gewesen, aber als während Corona | |
das öffentliche Leben zum Erliegen kam und der Alltag ausschließlich | |
hinterm Gartenzaun stattfand, trafen sehr viele Familien für Smylla sehr | |
geschäftsfördernde Entscheidungen. | |
Dabei seien Pools mittlerweile sowieso Massenware. Früher, als noch | |
gemauert und gefliest wurde, „da hast du einen im Jahr gemacht und warst | |
durch mit deinem Umsatz.“ Heute bestehen die Becken eben aus halbwegs | |
kostengünstigem Polypropylen, oder, noch günstiger, GFK, | |
glasfaserverstärktem Kunststoff. „Kleines Set mit einer ordentlichen Pumpe, | |
da geht’s schon los bei 5.000 Euro.“ In der Preisklasse eines teuren | |
Urlaubs also. | |
Auch wenn der Pandemie-Ausnahmezustand aktuell abebbt, um sein Business | |
macht Smylla sich keine Sorgen. 18 Millionen Einfamilienhäuser gibt es in | |
Deutschland, etwa 2,1 davon haben einen Pool. „Luft nach oben also“, sagt | |
er. Zwar beobachte er, dass Pools vermehrt in die Kritik gerieten – seine | |
seien aber „ordentlich“. Für viel fragwürdiger hält er Aufstellbecken aus | |
dem Baumarkt, die schnell kaputtgingen und oft keine vernünftige Filterung | |
besäßen. Und überhaupt: „Ist das echt die bessere Alternative, wenn ich | |
jedes Wochenende meine zehn Kinder im Auto zum Baggersee fahre und da alles | |
vollmülle?“ | |
Seine Mitarbeiter auf den Baustellen in Bayern berichteten mittlerweile von | |
Drohnen, die über den Wohngebieten die Pooldichte ermittelten. Christoph | |
Smylla beunruhigt das nicht, er findet es eher kurios. In Bayern hatten | |
sich zuletzt Fälle von Anwohnern gehäuft, die ihre privaten Pools mit | |
Wasser aus öffentlichen Hydranten füllten – also kostbares Löschwasser | |
anzapften. Auch das könnte Grund für die Drohnen sein. Etwa 10 Prozent | |
seiner Kunden äußerten beim Erstgespräch Sorgen, dass Befüllungsverbote | |
ihrem Badespaß im Weg stehen könnten. Die würde Smylla beschwichtigen: er | |
glaubt nicht, dass die Politik da wirklich durchgreifen werde. Die anderen | |
90 Prozent würden ans Wasser gar nicht denken, die seien aktuell abgelenkt | |
von der anderen großen Eigenheimbesitzerbürde: Fragen rund ums | |
Heizungsgesetz. | |
Maximilian Wonke hält sich durchaus für jemanden, der beim Thema Wasser | |
durchgreift. Über seiner Gemeinde lässt er zwar keine Drohnen fliegen, | |
schaut dafür aber selbst ganz genau hin. Der 36-jährige SPD-Politiker ist | |
Bürgermeister der Gemeinde Panketal, östlich von Oranienburg, und machte | |
[10][im vergangenen Sommer Schlagzeilen] mit einem Wassersprengverbot | |
zwischen 17 und 21 Uhr. Auch in diesem Jahr ist den Panketalern seit April | |
untersagt, in diesen Stunden ihre Gärten zu bewässern oder den Pool | |
aufzufüllen. Unbelehrbaren droht ein Bußgeld, das laut Wonke bisher aber | |
kein einziges Mal verhängt wurde. Seine Mitarbeiter:innen vom | |
Ordnungsamt würden stattdessen über den Gartenzaun hinweg das Gespräch | |
suchen oder eine Infobroschüre in den Briefkasten werfen. Am liebsten | |
allerdings halte er an und spreche ganz direkt mit den Leuten. „Das mache | |
ich ja auch, wenn ich sehe, dass jemand seine Abfälle am Bahndamm | |
entsorgt.“ | |
Privates Badevergnügen rangiert auf der Pfui-Skala also auf einer Stufe mit | |
Müll in der Gegend rumwerfen? Wonke ist das mit dem Wasser wirklich | |
wichtig. Zuvorderst geht es ihm darum, das kommunale Wasserwerk zu | |
entlasten. Die Gemeinde hat ihr eigenes, ein hübscher Backsteinbau mitten | |
im Wohngebiet. „Dieses Wasserwerk muss man sich vorstellen wie eine große | |
Poolfilteranlage“, sagt er. Die Pumpen entnehmen Wasser aus dem Erdreich, | |
das durch Sandfilter gedrückt wird. Wenn dann alle zu den Stoßzeiten, | |
nämlich nach Feierabend, ihre Rasensprenger anschalten, werden noch ein | |
paar Pumpen hinzugeschaltet, die „dann Dauerlauf machen müssen, das ist wie | |
180 im dritten Gang fahren“. | |
Poolfilteranlage, übertourig Autofahren: Wonke hat seine Metaphern da ganz | |
offensichtlich aufs Publikum abgestimmt. Den Wagen so zu überlasten ginge | |
nicht lange gut: „Das macht das Auto nicht mit. Also zumindest meins | |
nicht.“ Im schlimmsten Fall reicht der Wasserdruck nicht mehr bis in obere | |
Stockwerke. | |
Mit Blick aufs vergangene Jahr zieht Wonke eine positive Bilanz und kann | |
das auch mit Grafiken veranschaulichen. Wonke, studierter | |
Agrarwissenschaftler, hat im Studium viel mit Zahlen gearbeitet und erlaubt | |
sich da „zumindest eine kleine Fachkenntnis“. Und tatsächlich, zwischen 17 | |
und 21 Uhr sank der Verbrauch etwa um ein Drittel, während er in den | |
Stunden vorher und nachher nur minimal oder gar nicht stieg. Seine aktuelle | |
Herausforderung sei es, die Leute daran zu erinnern, dass das keine | |
einmalige Sache war. Dass das in diesem Sommer weitergeht, auch wenn es mal | |
gerade nicht superheiß ist. | |
Auf gar keinen Fall möchte Wonke, dass unter den Panketalern eine Art | |
Denunziantentum entsteht, dass Nachbarn mit kritischen Blicken über die | |
Grundstücksgrenzen ihre Gartenschlauchaktivitäten abgleichen. Eine solche | |
Dynamik scheint aber sowieso eher unrealistisch: Denn seine Bürgerinnen und | |
Bürger seien der Maßnahme nicht unbedingt mit Euphorie begegnet. Zwar | |
halten sie sich offensichtlich größtenteils daran. Aber die ein oder andere | |
Hassmail landete dann doch in seinem Postfach. Wonke möchte da inhaltlich | |
nicht ins Detail gehen, „ein bisschen unter der Gürtellinie“ und | |
„qualitätsbefreit“ sei es schon gewesen. | |
Das Spreng- und Poolbefüllungsverbot ist nicht Wonkes einzige Maßnahme, um | |
die Panketaler für das Wasser-Thema zu sensibilisieren. Ab 1. Januar 2024 | |
werden in seiner Gemeinde die Gartenwasserzähler abgeschafft. Die Zähler | |
erfassen das im Garten verbrauchte Leitungswasser, um es von der | |
Abwassergebühr abzuziehen. Denn da das Wasser im Boden versickert, muss es | |
nicht zurück ins Klärwerk. Fortan sollen pauschal 20 Kubikmeter, also | |
20.000 Liter, von der Jahresabwassergebühr abgezogen werden. Alles darüber | |
hinaus wird also teuer. Es ist Wonkes Versuch, eine Art Obergrenze für die | |
Gartenbewässerung einzuführen. | |
Pools dürfen übrigens nicht über den Gartenwasserzähler befüllt werden, | |
weil das Wasser – außer man macht es wie die Börners – für gewöhnlich | |
irgendwann in der Kanalisation landet. Doch es gab bislang viele | |
Poolbesitzer, die sich nicht an dieses Verbot gehalten haben – diese haben | |
nun keine Möglichkeit mehr, der Abwassergebühr zu entgehen.Seit Anfang des | |
Jahres entfällt außerdem die Grundgebühr auf Trinkwasser, etwa 80 Euro, die | |
Nutzungsgebühr ist hingegen um 50 Prozent gestiegen. Ein weiterer | |
finanzieller Anreiz, auf Trinkwasser achtzugeben, sagt Wonke. Wer mehr | |
verbraucht, zahlt mehr. | |
Wer gegen Signale auf dem Konto immun ist, kann sich von der Pappampel | |
vorm Wasserwerk in Panketal inspirieren lassen. Die zeigt an, wie es um den | |
Wasserverbrauch gerade steht. Aktuell: Gelb. Die Anlage werde bereits mit | |
einer hohen Förderleistung betrieben, steht es dazu auf der Website. „Der | |
Fremdwasserbezug stößt an die Kapazitätsgrenzen, reduzieren Sie Ihren | |
Verbrauch!“ Rund um das Wasserwerk herum befinden sich Einfamilienhäuser | |
mit schrägen Gartenzäunen, bunt bemalten Mäuerchen oder Hecken, die | |
aussehen, als seien sie nach Gefühl gestutzt worden. Eine erfrischend | |
unspießige Speckgürtelgegend. Manche Panketaler weisen auf Schildern am | |
Törchen darauf hin, dass es sich beim Wildwuchs in ihrem Vorgarten um ein | |
Insektenparadies handelt oder dass sie mit Regenwasser gießen – damit bloß | |
keine Infozettel im Briefkasten landen. | |
Auch Maximilian Wonke selbst hat so ein Regenwasser-Schild. Parallel zum | |
Start des Sprengverbots im vergangenen Jahr hob er auf seinem Grundstück | |
eine alte Jauchegrube aus DDR-Zeiten aus. Die dient ihm jetzt als | |
Regenwasserrückhaltebecken. Da könne man ohne Probleme einen Gartensprenger | |
anschließen – der dann auch um 19.30 Uhr laufen darf. Seine Kinder | |
verbringen die heißen Tage allerdings in einem anderen Garten, ein paar | |
Häuser weiter, bei den Großeltern: „Die haben den besten Pool, den man sich | |
vorstellen kann.“ | |
Und er könne ja auch verstehen, wenn ihm Menschen mailten, dass sie sich | |
ihr kleines Paradies „für teuer Geld“ geschaffen hätten und es ihnen nun | |
sehr schwer falle, es nicht nach ihren Vorstellungen hegen zu dürfen. Doch | |
gerade die vielen privaten Pools hält Wonke für „unterschätzte | |
Verbraucher“, bei denen man ansetzen müsse. Er hat Satellitenbilder | |
ausgewertet: Auf einer willkürlich ausgewählten Wohngebietsfläche von | |
37.500 Quadratmetern – gut 5 Fußballfelder – seien 0,6 Prozent Pools. Das | |
klingt erstmal nicht viel, allerdings liege die Verdunstung allein in | |
diesem Areal seinen Berechnungen zufolge bei etwa 1.800 Liter am Tag. | |
Kostbares Trinkwasser, einfach futsch. | |
Das auf Wonkes Satellitenbild vorherrschende Poolmodell sind die günstigen | |
Aufstellbecken aus dem Baumarkt. Besuch also beim nächstgelegenen Obi in | |
Bernau, der genau die im Sortiment hat. Die Pools stehen gleich hinter der | |
Kasse, Verkäuferin Gabriele Wilzing hat heute viel zu tun. Angesprochen auf | |
den Wasserverbrauch schüttelt sie nur den Kopf. Sie selbst besitze seit 22 | |
Jahren einen Stahlwandpool – da geht es los ab 300 Euro – und seit 22 | |
Jahren habe sie das Wasser nicht gewechselt. Das, was ihr abhandenkommt | |
durch Rückspülung des Sandfilters oder Verdunstung, fülle sie mit | |
Regenwasser nach. Im Winter lasse sie das Wasser bis unter die Sprühdüsen | |
ab, damit die Rohre nicht einfrieren, „Plane drüber und fertig.“ | |
Sie findet das Sprengverbot in Panketal richtig, ihr Rasen „sieht aus wie | |
'ne Steppe“. Wenn Wilzing abends ihre Hunderunde läuft, frage sie sich | |
schon hin und wieder, warum manche ihre Gärten so maßlos bewässerten. „Und | |
diese Versenkregner, was soll das?“ Wilzing meint in den Boden eingelassene | |
großflächige Bewässerungsanlagen. Aber die Pools? Die seien nun wirklich | |
nicht das Problem – wenn man sich denn vernünftig anstelle. „Die meisten | |
machen wirklich viel verkehrt. Kippen Algen rein, kippen Flocken rein und | |
lassen dann irgendwann alles ab, weil sie nicht wissen, was sie da gemacht | |
haben.“ | |
Zu Wilzings Kunden gehören an diesem Montagnachmittag unter anderem Roland | |
und Inge, sie sind auf der Suche nach einer vernünftigen Außendusche. Wenn | |
ihr Haus nicht schon einen Pool besessen hätte, „dann hätten wir uns selbst | |
einen gemacht“, erzählen sie. „Und zwar einen größeren.“ Ihrer hätte … | |
3,60 Meter Durchmesser. Warum sie den Pool für ein gutes Konzept halten? | |
„Naja, die Klimazonen werden ja immer wärmer“, sagen sie. „Da braucht man | |
die Abkühlung. Zur Ostsee müssen wir ja erst mal hinfahren.“ | |
Anruf bei Irina Engelhardt, sie ist Hydrogeologin an der TU Berlin, | |
beschäftigt sich also mit dem Wasser auf und unter der Erdoberfläche. Was | |
hält sie von privaten Pools? Dringt das Thema Wassermangel ihrer Meinung | |
nach zu den Menschen durch? | |
Die Wissenschaftlerin beginnt bei Grundlegendem: Brandenburg sei auch wegen | |
der suboptimalen Bodenbeschaffenheit ein Problembundesland. „Die | |
eiszeitlich geprägten Grundwasserleiter sind in der Region porös, bestehen | |
aus Sand und Kies, die das Wasser zwar schnell nach unten weiterleiten, | |
aber anfällig für Verdunstungen sind“, sagt Engelhardt. Dann das Ende der | |
Braunkohleförderung, und dazu die Herausforderungen durch den Klimawandel. | |
Das seien keine guten Aussichten. | |
Den aktuellen Wasserverbrauch in Brandenburg, 120 Liter pro Kopf und Tag, | |
hält sie für nicht so dramatisch. Die Menschen in Thüringen und Sachsen | |
verbrauchen mit 90 Litern am wenigsten, in Hamburg mit 144 Litern am | |
meisten, der Bundesdurchschnitt liegt bei 125 Litern. „Da ist der | |
Brandenburger Verbrauch auch im internationalen Vergleich eher sparsam“, | |
sagt Engelhardt. | |
Trotzdem hat der Wasserverband Strausberg-Erkner, der zahlreiche Kommunen | |
östlich von Berlin versorgt, nun zu drastischen Maßnahmen gegriffen: Der | |
Verbrauch für Neukunden ist ab 2025 auf 105 Liter pro Person und Tag | |
limitiert, überschreitet man die Menge, sind Ordnungs- oder Bußgelder | |
möglich. Aufs Jahr gerechnet sind das pro Person also 37.000 Liter – etwas | |
mehr, als in den Pool der Börners passt. Denn, auch bei all den | |
Beteuerungen, die Verdunstung in Schach zu halten und das Wasser zu | |
pflegen: einen Pool zu besitzen ist künstlicher Überfluss, der an anderer | |
Stelle fehlt – auch wenn man es so nachhaltig wie möglich gestaltet. | |
„Ich persönlich finde, Pools sollten mit Bedacht genutzt und Gärten nicht | |
zwischen 10 und 18 Uhr – also im Sonnenschein und bei entsprechender | |
Verdunstung – bewässert werden“, sagt Irina Engelhardt. Sie ist aber auch | |
der Meinung, dass der private Verbrauch beim Thema Wasser viel zu stark im | |
Fokus stehe. Ein Grund dafür sei, dass man sich bei der Pro-Kopf-Nutzung | |
auf ausführliche Zahlen und Erhebungen berufen könne – für „die richtig | |
großen Baustellen“, nämlich Industrie und Landwirtschaft, fehlten diese | |
schlicht. Daten aus der Landwirtschaft würden teilweise gar nicht erst | |
erhoben und wenn doch, dann nicht zentral verwaltet. Der Verbrauch von | |
Industrieunternehmen werde meist zwar aufgezeichnet, aber aus | |
Datenschutzgründen vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. | |
Die Hydrogeologin wünscht sich auch in Deutschland eine | |
Technologieoffenheit, wie sie sie aus dem Mittelmeerraum, Mittleren Osten | |
oder den USA kennt kenne: „Wiederverwertung von gereinigtem Abwasser für | |
die Landwirtschaft beispielsweise.“ Bisher ist es in Deutschland so, dass | |
Abwasser eben nicht als wertvolle Ressource behandelt, sondern nach | |
Zwischenstopp im Klärwerk meist Flüssen zugeführt wird und dann Richtung | |
Meer das Land verlässt. Sinnvoll wäre beispielsweise, es für | |
Landwirtschaft, Gärten oder Parkanlagen weiterzunutzen. „Aber da ist noch | |
viel Arbeit nötig, um die Akzeptanz zu erhöhen und eine Wasserinfrastruktur | |
aufzubauen.“ | |
Apropos Wasserinfrastruktur. Mehr als 3.000 Seen gibt es in Brandenburg, so | |
viele wie in sonst keinem Bundesland. Müssen die vielleicht einfach | |
attraktiver werden, um das mit den Pools in den Griff zu kriegen? Der | |
Bürgermeister von Panketal lacht nur, wenn man ihn das fragt. „Die sind ja | |
schon sehr attraktiv. So attraktiv, dass zahlreiche Einwohner aus unserer | |
Nachbarkommune Berlin viel Zeit dort verbringen“, sagt Wonke im Scherz, | |
„das ist natürlich gut, man lebt ja voneinander.“ | |
Und Christoph Smylla, der Poolbauer, behauptet, sehr viel seltener in den | |
Sommerurlaub zu fliegen, seitdem die Familie im eigenen Garten schwimmen | |
gehen kann. Auch das, findet er, müsse man mal anerkennen. | |
23 Jul 2023 | |
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Leonie Gubela | |
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