# taz.de -- Wahlkampfthema Mindestlohnerhöhung: Laschets Mindestlohnschwindel | |
> Der Unionskanzlerkandidat pfuscht bei der Frage, warum er eine Erhöhung | |
> des Mindestlohns ablehnt. Dabei hätte der von Anfang an höher sein | |
> müssen. | |
Bild: Trickser Armin Laschet argumentiert fälschlich mit den Gewerkschaften ge… | |
BERLIN taz | Wenn es um die von SPD, Grünen und Linkspartei geforderte | |
Anhebung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns geht, gibt Armin | |
Laschet den obersten Verteidiger der Gewerkschaften. Die Tarifparteien | |
machten „einen Vorschlag, wie der Mindestlohn sein soll“, verkündete der | |
Unionskanzlerkandidat bei [1][dem „Triell“ am vergangenen Sonntag]. Da | |
dürfe die Politik nicht dazwischenfunken. Dass Menschen besser bezahlt | |
werden müssten, sehe er zwar auch so, aber er wünsche sich, „dass das mit | |
den Gewerkschaften zusammen geht“. | |
Was für eine verquere Begründung! Schließlich fordern doch die | |
Gewerkschaften selbst eine [2][Erhöhung des Mindestlohns auf mindestens 12 | |
Euro]. Der Grund: Als die Große Koalition – auf Druck der Gewerkschaften – | |
2015 den Mindestlohn einführte, war die festgelegte Höhe von 8,50 Euro | |
brutto eine rein politische Entscheidung. Und er war von Anfang an zu | |
niedrig. | |
Nach dem Triell verbreitete die CDU [3][auf Twitter einen Videoschnipsel] | |
von einer Pressekonferenz der damaligen sozialdemokratischen | |
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Dort sagt sie: „Als wir das | |
Mindestlohngesetz gemacht haben, da haben wir uns sehr schnell in der | |
Großen Koalition darauf verständigen können, dass wir keinen politisch | |
festgelegten Mindestlohn wollen.“ | |
Stattdessen sollten „die Sozialpartner den Mindestlohn festlegen in einer | |
unabhängigen, einer eigenständigen Kommission“, so Nahles. Ihnen alleine | |
obliege es, „künftig zu prüfen, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist�… | |
Denn sonst würden „Willkür und Populismus Tür und Tor“ geöffnet. | |
## Rein politisch motivierte Festlegung | |
Das klingt wie Laschet. Vertritt er also das, was eine Sozialdemokratin | |
früher vertreten hat? Nun ja, das Problem ist: Die Bekundungen von Nahles | |
seinerzeit waren genau so unehrlich, wie es die Laschets heute sind. Denn | |
wie ist die Große Koalition einst auf die 8,50 Euro gekommen? War das etwa | |
ein gemeinsamer Vorschlag der Arbeitgeber und der Gewerkschaften? | |
Mitnichten. | |
Es ist ganz einfach: Die 8,50 Euro forderte die SPD im Bundestagswahlkampf | |
2013. Und das setzte sie halt anschließend in den Koalitionsverhandlungen | |
mit der Union durch, was durchaus erfreulich war. Nur: Eine schlüssige | |
Begründung für die Festlegung auf 8,50 Euro fehlte seinerzeit sowohl im | |
SPD-Wahlprogramm als auch im Koalitionsvertrag. | |
Die Linkspartei – die als erste Partei in der Bundesrepublik bereits zu | |
PDS-Zeiten 2002 die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns gefordert | |
hatte – hat hingegen stets den von ihr jeweils geforderten | |
Bruttostundenlohn damit begründet, dass er hoch genug sein muss, um eine | |
Rente zu erreichen, die über der Grundsicherung im Alter liegt. Deswegen | |
forderte sie zu der Zeit der Einführung des Mindestlohns 10 Euro und heute | |
13 Euro. | |
Die Große Koalition entschied sich 2015 jedoch leider nur für 8,50 Euro. | |
Das bildete dann die Basis, auf der sich Arbeitgeber und Gewerkschaften in | |
der Mindestlohnkommission seitdem über eventuelle Anhebungen verständigen | |
müssen. Dabei dienen die allgemeinen Tarifsteigerungen als Orientierung. | |
Mittlerweile liegt der Mindestlohn deshalb bei 9,60 Euro. Eine höhere | |
Einstiegshöhe hätte hingegen zu einem deutlich höheren Mindestlohn heute | |
geführt. | |
## Gewerkschaftliche Schwäche | |
Es ist dreist, wenn Laschet die Unterstützung der Gewerkschaften für eine | |
Mindestlohnerhöhung unterschlägt, wie sie SPD, Grüne und Linkspartei | |
fordern. Noch dreister ist es, dass er die Gewerkschaften sogar auch noch | |
fälschlich zur Begründung seiner Ablehnung heranzieht. Das ist schon eine | |
ziemlich plumpe Wähler:innentäuschung. | |
Nicht unerwähnt bleiben sollte jedoch, dass ein flächendeckender | |
gesetzlicher Mindestlohn tatsächlich immer auch ein Ausdruck | |
gewerkschaftlicher Schwäche ist – weswegen die Gewerkschaften in | |
Deutschland auch lange Zeit nichts von ihm gehalten haben. Denn er ist die | |
Anerkennung, dass die gewerkschaftliche Kraft nicht ausreichend ist, um die | |
Arbeitgeber zu zwingen, keine Dumpinglöhne zu zahlen. | |
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und die Gewerkschaft | |
Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) waren die Ersten, die bereit waren, | |
die Realität zugunsten der Geringverdiener:innen anzuerkennen. Es hat | |
einige Zeit gedauert, bis die restlichen DGB-Gewerkschaften sich ihnen | |
angeschlossen haben. | |
Wo Gewerkschaften stark genug sind, da braucht es keinen gesetzlich | |
festgelegten Mindestlohn. So gibt es einen solchen zwar in den meisten | |
EU-Staaten, aber nicht in den skandinavischen Ländern. Warum? Weil dort die | |
Tarifbindung bei über 90 Prozent liegt. [4][In Deutschland liegt sie | |
hingegen unter 50 Prozent.] | |
Im Triell auf Sat.1, ProSieben und und Kabel Eins sagte Armin Laschet, die | |
Politik müsse „zu mehr Tarifbindung beitragen, damit die Jobs auch besser | |
bezahlt werden“. Wer wollte ihm da widersprechen? Bedauerlich nur, dass die | |
Union genau für das Gegenteil steht. | |
23 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Drittes-Triell-der-Kanzlerkandidatinnen/!5802368 | |
[2] /Auswirkungen-von-12-Euro-Mindestlohn/!5802548 | |
[3] https://twitter.com/CDU/status/1439660841385832449?s=20 | |
[4] https://www.boeckler.de/pdf/p_ta_elemente_87_2020.pdf | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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