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# taz.de -- Ermittlungen gegen Bayern München: Armut beim Krösus
> Gegen den Branchenprimus FC Bayern München wird wegen Dumpinglöhnen
> ermittelt. Aber auch andere Klubs sollen ihre Jugendtrainer zu knapp
> entlohnen.
Bild: Prekärer Job? Jugendtrainer des FC Bayern bei einem Spiel der A-Jugend
Das Flutlicht leuchtet in der Dämmerung, und während auf einem der acht
Fußballplätze eine Jugendmannschaft des FC Bayern gerade ihre Einheit
beendet hat, übt auf einem anderen Feld der rund 30 Hektar großen Anlage
eine einzelne Spielerin, angeleitet von zwei Trainern. Die Szenerie auf dem
Campus des Weltklubs trägt fast idyllische Züge, zumal hier, am Rande des
Naturschutzgebietes Südliche Fröttmaninger Heide.
Die juristischen Behörden Münchens interessieren sich derzeit für das
Geschehen rund um den Campus. Mit der Idylle dort hat das weniger zu tun.
Es wird ermittelt. Wieder einmal, muss man sagen, nachdem bereits im Sommer
2020 [1][ein Rassismusskandal im NLZ] für Aufsehen gesorgt hatte. Damals
ging es vor allem um den Straftatbestand der Volksverhetzung in Chats. Ein
Jugendtrainer des FC Bayern stand im Zentrum des Skandals. Der Verein
trennte sich von diesem sowie von weiteren Mitarbeitern und verurteilte die
Vorfälle.
Seit fast einem Jahr beschäftigt den FC Bayern ein weiteres delikates
Thema. Es geht um mutmaßliche Verstöße gegen das Mindestlohngesetz am
Campus. Inzwischen soll der FC Bayern zwar keine Trainer mehr auf
450-Euro-Minijob-Basis beschäftigen, womöglich auch wegen der
Berichterstattung darüber. Zuvor aber sollen Jugendtrainer mit
Dumpinglöhnen abgespeist worden sein. Das Hauptzollamt München wurde von
der Staatsanwaltschaft München I mit Ermittlungen beauftragt.
Kurz vor dem Jahresende 2021 wurde bekannt, dass gegen aktuelle und
ehemalige Vorstandsmitglieder der FC Bayern München AG ermittelt wird:
Gegen Oliver Kahn (Vorsitzender), Hasan Salihamidzic (Sport), Jan-Christian
Dreesen (Finanzen) und Andreas Jung (Marketing) ebenso wie gegen Kahns
Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge und gegen das ehemalige Vorstandsmitglied
Jörg Wacker. Das WDR-Magazin „Sport inside“ hatte zuerst darüber berichtet
und aus einem Scheiben des Zolls zitiert, wonach es um den Verdacht „des
Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt“ gehe, sowie um das
mutmaßlich „nicht richtige Führen von Stundenaufzeichnungen, Nichtgewährung
des Mindestlohns“.
## Klage gegen Kündigungen
Konkret schilderten Jugendtrainer, sie seien angehalten worden,
beispielsweise auf Turnieren nur die Nettospielzeit als Arbeitsstunden
aufzuschreiben, nicht aber die sonstige Reise- und Betreuungszeit.
„Selbstverständlich kooperieren wir in dieser Angelegenheit vollumfänglich
mit den Behörden. Es liegt in unserem Interesse, dass diese Vorgänge
restlos aufgeklärt werden“, sagte Kahn Ende Dezember.
Seither ist es ruhig geworden. Fragt man auf Seiten der ehemaligen
Jugendtrainer nach, decken sich die Eindrücke nicht mit Kahns Versprechen.
Der FC Bayern agiere nicht kooperativ und bestreite die Vorwürfe, heißt es.
Einige Jugendtrainer hatten gegen den FC Bayern geklagt, nachdem dieser
ihnen gekündigt hatte. Die Kündigungen seien mit der Begründung
ausgesprochen worden, die Jugendtrainer hätten Betriebsgeheimnisse
gegenüber Medien verraten, angeblich auch im Zuge des Rassismusskandals,
heißt es. Für nächsten Dienstag ist eine Entscheidung des Arbeitsgerichts
angesetzt in der Frage, ob einem Jugendtrainer rechtmäßig gekündigt worden
ist.
Zudem geht es für mehrere ehemalige Jugendtrainer um die Zahlung [2][des
mutmaßlich rückständigen Mindestlohns]. Dieser kann bis zu drei Jahre
rückwirkend eingeklagt werden. Ein Vergleich wird angestrebt, zuletzt sei
aber ein viel zu niedriges Angebot gemacht worden, heißt es. Im Hintergrund
laufen derweil beim Hauptzollamt Zeugenbefragungen. Ein Eingeweihter
spricht davon, dass durch das Hauptzollamt „ein Verstoß gegen das
Mindestlohngesetz in ziemlich vielen Fällen“ festgestellt werden dürfte.
Käme es wirklich so, ergäbe sich daraus der Straftatbestand des
Sozialversicherungsbetrugs. Angeblich geht es um rund 20 betroffene
Jugendtrainer.
Der deutsche Branchenprimus ist aber nur der prominenteste Verein, gegen
den ermittelt wird. Betroffen sind auch der FC Augsburg sowie mindestens je
ein Bundesligist und Zweitligist. Das geht aus einer Antwort des
Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Victor
Perli (Die Linke) hervor. Der Politiker sagte jüngst zu „Sport inside“:
„Das ist doch zynisch. Das sind Vereine, die zahlen ihren Spielern und
Funktionären Millionen. Und für die in der zweiten Reihe, die den Nachwuchs
trainieren und für künftige Erfolge mitverantwortlich sind, ist nicht mal
Mindestlohn da?“ Deutscher Fußball-Bund (DFB) und Deutsche Fußball Liga
(DFL) seien gefordert, klare Vorgaben zu machen.
Beim FC Augsburg hatte es bereits am 3. August 2021 eine Razzia durch 61
Mitarbeiter der städtischen Finanzbehörde gegeben. „Derzeit läuft weiterhin
die Auswertung der sichergestellten Unterlagen, das Verfahren dauert an“,
heißt es von der Staatsanwaltschaft Augsburg.
1 Feb 2022
## LINKS
[1] /Rassismus-bei-FC-Bayern-Muenchen/!5703411
[2] /Obergrenze-fuer-Minijobs/!5829401
## AUTOREN
Maik Rosner
## TAGS
FC Bayern München
Trainer
Dumpinglöhne
Kolumne Frühsport
Fußball
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Rassismus
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