Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Obergrenze für Minijobs: Erhöht statt abgeschafft
> Die Obergrenze für Minijobs soll von 450 auf 520 Euro im Monat steigen.
> Gewerkschaften fürchten die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze.
Bild: Der Mindestlohn wird angehoben auf 12 Euro
BERLIN taz | Wenn der Mindestlohn [1][zum 1. Oktober 2022 auf 12 Euro]
erhöht wird, soll auch die Obergrenze für Minijobs von derzeit 450 Euro auf
520 Euro erhöht werden – so hat es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
(SPD) am Wochenende angekündigt. Auch die Verdienstgrenze für einen Midijob
soll von 1.300 auf 1.600 Euro im Monat steigen. Überraschend ist das nicht;
SPD, Grüne und FDP hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt.
Ein entsprechender Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums, der der
taz vorliegt, gibt nun einen detaillierteren Einblick. Begründet wird die
Anpassung der Minijobgrenze ganz einfach: Wenn Minijobber:innen – die
zumeist schlecht bezahlt sind – mit der Einführung des Mindestlohns über
die jetzige Geringfügigkeitsgrenze kommen, müssten sie ihre Arbeitszeit
verkürzen, um im Minijobverhältnis zu bleiben.
Das soll offenbar verhindert werden. Denn dadurch würden „nicht nur die
Hinzuverdienstmöglichkeiten der Beschäftigten, sondern auch ein wichtiges
Beschäftigungspotenzial begrenzt“. Gleichzeitig solle aber verhindert
werden, „dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse
missbraucht werden“.
Laut Entwurf ist in der Sozialversicherung „durch geringere Beiträge“ mit
rund 800 Millionen Euro weniger Einnahmen zu rechnen. Für die Wirtschaft
entstünde laut Schätzung des Bundesarbeitsministeriums einmaliger
Erfüllungsaufwand von rund 500 Millionen Euro. Sie könne dagegen aber
jährlich mit rund 280 Millionen Euro Entlastung rechnen.
Die Anhebung der Minijobgrenzen hat aber auch Folgen für Menschen, die
bislang versicherungspflichtig beschäftigt waren. Diejenigen, „die vor der
Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze auf 520 Euro monatlich
versicherungspflichtig beschäftigt waren und durch die Anhebung
versicherungsfrei beschäftigt würden, bleibt die Versicherungspflicht
längstens bis zum 31. Dezember 2023 erhalten“, heißt es im Entwurf. Bis
dahin sollen sie ihr Beschäftigungsverhältnis anpassen – was genau das
bedeutet, steht nicht darin.
## FDP freut sich, Gewerkschaften nicht
Die Erhöhung der Minijobgrenzen, die vor allem ein Anliegen der FDP war,
wird [2][sehr kontrovers] diskutiert. Finanzminister Christian Lindner
begrüßte das Vorhaben. „Das ist für viele fleißige Menschen wie Studieren…
oder Rentnerinnen und Rentner die Chance auf etwas mehr Netto“, twitterte
er am Wochenende, während die Abgeordnete der Linken, Susanne Ferschl, das
scharf kritisierte. Sie beklagte „noch mehr Beschäftigte, die nicht sozial
abgesichert sind und ein Arbeitsverhältnis 2. Klasse mit niedriger
Entlohnung“ haben.
Die Ausweitung der Minijobs sei „ein Riesenfehler“, erklärte auch
Vorstandsmitglied Anja Piel vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Gerade die
Coronapandemie habe gezeigt, dass geringfügig Beschäftigte „im Ernstfall
sozialen Schutz vor Arbeitslosigkeit und Anspruch auf Krankengeld“
benötigten. Mit der Erhöhung bestehe die Gefahr, dass „Minijobs immer mehr
reguläre Arbeitsplätze verdrängen“, warnte auch der Vorsitzende der
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Guido Zeitler.
Viveka Ansorge von der Beratungsgesellschaft ArbeitGestalten weist darauf
hin, dass „der Großteil der Minijobs im Niedriglohnbereich“ liege und viele
Frauen betreffe. „Minijobs sind sozial nicht abgesichert und werden schnell
zur Armutsfalle“ sagte sie. 80 Prozent der MinijobberInnen verzichteten
freiwillig darauf, Rentenbeiträge zu bezahlen. „Mag sein, dass sich
Beschäftigte über mehr Geld freuen. Aber Minijobs sollten grundsätzlich
abgeschafft werden“, sagte sie der taz.
1 Feb 2022
## LINKS
[1] /Geplante-Erhoehung-des-Mindestlohns/!5827970
[2] /Prekaere-Arbeit/!5750311
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
## TAGS
IG
Schwerpunkt Coronavirus
Studierende
Minijob
Hubertus Heil
Lieferdienste
Aufstocker
Arbeitsmarkt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Mindestlohn und Minijobs im Kabinett: Mindestlohn hui, Minijobs pfui
Ab Oktober soll nicht nur der Mindestlohn, sondern auch die Minijob-Grenze
steigen. Das stößt bei Gewerkschaften und Sozialverbänden auf Kritik.
Ausbeutung bei Lieferdiensten: Uneasy Rider
Fünf Monate arbeitete unsere Autorin als Fahrerin beim
Lebensmittel-Lieferdienst Flink. Nicht nur ihr Handy ist dabei kaputt
gegangen.
Studie zu Armut trotz Arbeit: Aufstocken könnte wegfallen
Hunderttausende sind trotz Job auf Hartz IV angewiesen. Manche Pläne der
neuen Regierung könnten helfen – andere könnten das Problem verfestigen.
Arbeitsmarkt in der Pandemie: Kellner, Rider, verzweifelt gesucht
Während der Pandemie haben viele Arbeitskräfte aus dem
Dienstleistungsbereich die Branche verlassen. Warum haben sie die Nase
voll?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.