| # taz.de -- FC Bayern vor dem Titelgewinn: Bayern und die Penner der Woche | |
| > Die Meisterschaft ist so unspanned wie immer. München gewinnt, die | |
| > anderen hoffen ein bisschen. Dem Fußball fehlt das | |
| > Louis-Schmeling-Paradox. | |
| Bild: So eine Meisterfeier ist ein rauschendes Fest: Bayerns Titelgewinn 2021 | |
| Vor langer Zeit, vor über 80 Jahren, das weiß ja keiner mehr, da war die | |
| Bundesliga noch so richtig spannend. Da kämpften noch Joe Louis und Max | |
| Schmeling um den Titel. Aber dann kam Bayern München, und Schluss war’s. So | |
| etwa geht Sportgeschichte, die mit Sport nichts zu tun hat. | |
| Hätte die Sportwelt nämlich von dem Boxer Joe Louis etwas gelernt, dann | |
| wäre alles spannender: das Boxen, das Fußballspielen, vielleicht sogar das | |
| Dressurreiten. In jedem Fall aber stünden wir nicht an diesem Wochenende | |
| vor der ja nun wirklich keine Spannung erzeugenden Frage, ob die FC Bayern | |
| München AG den 32. Deutschen Meister-Titel für den Klub schon am 31. oder | |
| nicht doch erst am 32. Spieltag fix machen wird. | |
| Die Wirtschaftswissenschaften kennen den Begriff des [1][„Louis-Schmeling | |
| Paradox“]. 1964 legte der Forscher Walter Neale seinen klassischen Aufsatz | |
| „The Peculiar Economics of Professional Sports“, die besondere Ökonomie des | |
| Profisports, vor. Während üblicherweise Firmen das Monopol anstreben, um | |
| dann Preise und andere Bedingungen diktieren zu können, was die | |
| Profiterwartung ins Unendliche steigern lässt, ist es im Profisport anders. | |
| Joe Louis lebte wie jede andere Marke im Profisport von der Konkurrenz. | |
| 1936 verlor er, obwohl er als Favorit galt, gegen Max Schmeling. 1938 aber | |
| gewann Louis. Und genau diese Konkurrenz verhalf Joe Louis, der zurecht als | |
| Boxgenie galt, so berühmt zu werden. Wenn Joe Louis quasi ein Monopolist | |
| gewesen wäre, es also keinen Gegner mehr gegeben hätte, der es mit ihm | |
| aufnehmen konnte, wäre das auch das Ende der Marke Louis gewesen, sagte | |
| Walter Neale. | |
| Seit 2013 hat der FC Bayern sämtliche zu vergebenden Deutschen | |
| Meisterschaften gewonnen, und mutmaßlich darf man sich an diesem Wochenende | |
| diese unglaublich langweiligen Bilder von fröhlichen Spielern mit | |
| überdimensionierten Weißbiergläsern, die sie ihrem total überraschten | |
| Trainer über den Kopf gießen, sehen. Bayern ist ein Wettbewerbsteilnehmer | |
| mit Quasi-Monopolstellung. Was so jemand droht, kann man bei Joe Louis | |
| sehen. | |
| ## Hoffentlich wenigstens einen Punkt | |
| Von 1938 bis 1950 haute Louis alle Gegner weg, die ihm in den Ring gestellt | |
| wurden, speziell in den 29 Monaten von Januar 1939 bis Mai 1941 verteidigte | |
| er seinen WM-Titel 13 Mal. Das „Louis-Schmeling-Paradoxon“ griff nicht | |
| mehr, anstelle der sportlichen Konkurrenz wurde ein anderes angeblich für | |
| Spannung sorgendes Phänomen proklamiert: der [2][„Bum of the Month Club“], | |
| der Verein der Penner des Monats, wie Louis’ Gegner gerufen wurden. | |
| Lassen wir den Begriff „Monat“ weg, ersetzen ihn durch „Woche“, schon s… | |
| wir in der [3][Bundesliga]. Klubs reisen nach München oder empfangen die | |
| Bayern kaum in der realistischen Aussicht auf drei Punkte. Hoffen auf einen | |
| Punkt ist das Höchste, das sie erwarten. Wenn doch ein Sieg rausspringt, | |
| was ja tatsächlich sporadisch passiert, schnappen sie entsprechend über. | |
| Joe Louis, der neben Muhammad Ali und Jack Johnson als das Genie im | |
| Schwergewichtsboxen gilt, verlor 1951 gegen Rocky Marciano, und die | |
| Karriere war zu Ende. Ökonomisch betrachtet, hatte er sich kaputtgesiegt. | |
| Die Marke Louis war nichts mehr wert, eine neue Ära konnte beginnen, und | |
| für das US-Profiboxen der fünfziger Jahre hieß das: Ab jetzt regierte die | |
| Mafia etwa 15 Jahre lang, was nun auch nicht gerade für sportliche | |
| Konkurrenz stand. | |
| An diesem Wochenende wird Bayern München vielleicht vorzeitig den Titel | |
| erreichen, eventuell hat die Feier noch ein oder zwei Wochen zu warten. | |
| Joe Louis musste übrigens nach seiner Karriere als Türsteher in Las Vegas | |
| arbeiten und starb 1981 in Armut. Aber das hat auch nichts mit Sport zu | |
| tun. | |
| 22 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.jstor.org/stable/1880543?seq=1#page_scan_tab_contents | |
| [2] https://www.boxing247.com/weblog/archives/115509 | |
| [3] /Kolumne-Press-Schlag/!5200752 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
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