| # taz.de -- Campact-Engagement im Wahlkampf: Bloß gut gemeint | |
| > Campact unterstützt Direktkandidat:innen von Grünen, Linken und SPD | |
| > gegen rechte Konkurrenz. Der Demokratie tut sie damit keinen Gefallen. | |
| Bild: Laschet bläht sich umsonst auf: Campact unterstützt ihn nicht | |
| Berlin taz | Wenn Interessenverbände, wie der Verband der | |
| Familienunternehmer, gezielt Einfluss auf die Tagespolitik nehmen, dann | |
| finden links denkende Menschen das in der Regel: scheiße. Lobbyismus, geht | |
| gar nicht! Wenn dagegen eine Bürgerbewegung wie Campact, die sich edlen, | |
| linken Zielen verschrieben hat, die für Klimaschutz und gegen | |
| Rechtsextremismus kämpft, eine strategische Erststimmenkampagne fährt, dann | |
| drucksen viele Linke herum. Schon okay, dient ja einem guten Zweck. | |
| Dabei ist das, was Campact vor der Bundestagswahl treibt, mindestens | |
| fragwürdig. Es schadet der Integrität des Vereins und damit seinen | |
| Anliegen. Und es untergräbt demokratische Aushandlungsprozesse. | |
| In sechs Wahlkreisen unterstützt Campact Direktkandidat:innen von | |
| Grünen, Linken und SPD gegen konservative oder rechtsextreme | |
| Gegenkandidat:innen. Der Verein fordert seine 2,4 Millionen | |
| Newsletterabonnent:innen auf, strategisch für die jeweils | |
| aussichtsreichste Kandidat:in zu stimmen – inspiriert von der | |
| kanadischen Kampagnenplattform Leadnow, die 2016 zur Wahl von liberalen | |
| oder sozialdemokratischen Kandidat:innen aufrief und damit die | |
| konservative Mehrheit in mehreren Wahlkreisen kippte. Ein ähnliches Ziel | |
| verfolgt Campact, wobei sich die Frage stellt, wie das zu der in der | |
| Satzung verankerten Überparteilichkeit des Vereins passt. | |
| Im Wahlkreis Leverkusen-Köln IV unterstützt Campact etwa den | |
| [1][SPD-Kandidaten Karl Lauterbach]. Dessen aussichtsreichste | |
| Gegenkandidat:in ist Serap Güler von der CDU. Weder leugnet Güler den | |
| Klimawandel, noch ist sie rechtsextrem. Es gäbe also gar keinen Grund für | |
| Campact, sie zu verhindern. | |
| ## Teils hat sich Campact verrannt | |
| Bei dem Wahlaufruf pro Lauterbach geht es aber auch nicht um Gülers | |
| politische Ansichten, sondern nur um dessen aussichtslosen 23. Platz auf | |
| der Landesliste. Zugespitzt gesagt: Weil Campact das demokratische Votum | |
| der nordhein-westfälischen SPD-Mitglieder falsch findet, unterstützt der | |
| Verein nun einen älteren weißen Mann gegen eine jüngere Frau mit | |
| Migrationshintergrund. Abstrus. | |
| Genauso verrannt hat sich Campact in Thüringen. Im Südthüringer Wahlkreis | |
| 196 kandidiert der CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen, der nicht über die | |
| Landesliste abgesichert ist. Wenn er nicht per Erststimme gewählt wird, | |
| wird es im nächsten Bundestag keine Auftritte von Maaßen geben. Sicher | |
| keine schlechte Aussicht. | |
| Die besten Chancen, Maaßen im Direktwahlkampf zu schlagen, billigt Campact | |
| dem SPD-Kandidaten Frank Ullrich zu und beruft sich dabei auf eine vier | |
| Monate alte Forsa-Umfrage vom Juni. Damals stand für viele auch fest, dass | |
| die Union den nächsten Kanzler stellt. Seitdem macht Campact Druck auf die | |
| Linkspartei: Erst sollte sie ihren eigenen Direktkandidaten Sandro Witt | |
| zurückziehen, was sie nicht tat. | |
| Im September legte Campact nach und rief über sein Netzwerk dazu auf, das | |
| Postfach des linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu fluten. Dieser | |
| sollte zur Wahl des SPD-Kandidaten aufrufen. Falls Maaßen gewänne, müsste | |
| sich die Linke vorwerfen lassen, „persönliche Machtinteressen über den | |
| gemeinsamen Kampf gegen rechts gestellt zu haben“. | |
| Was Witt davon hält, der von seiner Partei immerhin nach demokratischen | |
| Prinzipien als Direktkandidat aufgestellt wurde, schreibt er auf Twitter: | |
| „Habt ihr Spaß daran, einen Menschen psychisch so fertigzumachen?“ | |
| Wie Ramelow zornesrot seine Tastatur traktierte, als er einem der | |
| Mailschreiber antwortete, lässt sich nur erahnen: „Sie bitten den | |
| Ministerpräsidenten eines Bundeslands darum, seinen Einfluss auf Kandidaten | |
| einer freien Wahl auszuüben, damit der seine Kandidatur zurückzieht?“, | |
| schrieb er laut Spiegel. Das sei Verfassungsbruch, so der | |
| Ministerpräsident, und zieht Vergleiche zur gelenkten Demokratie in | |
| Russland, wo die Exekutive bestimmte Kandidaten gar nicht erst zulasse. | |
| Der Vergleich ist heftig, aber nicht falsch. Obwohl es legitim ist, Stimmen | |
| strategisch zusammenzulegen, bleibt doch eine der Stärken der hiesigen | |
| Demokratie, dass die Bürger:innen eben nicht – wie von Rechten | |
| suggeriert – nur die Auswahl zwischen zwei Blöcken haben, sondern zwischen | |
| mehreren Angeboten. | |
| Der Wahlaufruf von Campact nährt die Narrative der Rechten und könnte am | |
| Ende Maaßen nutzen. Denn nun hat die AfD Suhl [2][tatsächlich zu dessen | |
| Wahl aufgerufen]. Aber so resilient ist unser demokratisches System dann | |
| doch, dass es auch einen solchen Wahlausgang verkraften könnte. Was es auf | |
| Dauer nicht verträgt, ist die permanente Infragestellung von Ergebnissen | |
| demokratischer Prozesse. Auch wenn dies von links und in guter Absicht | |
| geschieht. | |
| 24 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wahlkampf-in-Nordrhein-Westfalen/!5798202 | |
| [2] /Direktmandat-in-Suedthueringen/!5803006 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Campact | |
| Hans-Georg Maaßen | |
| Demokratie | |
| Wahlkampf | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| AfD-Wahlkampf in Sachsen: Heimspiel im Osten | |
| Auf der Zielgeraden des Wahlkampfs treten die AfD-Spitzen in Görlitz auf – | |
| das Publikum ist begeistert. Dennoch war der AfD-Wahlkampf durchwachsen. | |
| Wahlkampfthema Mindestlohnerhöhung: Laschets Mindestlohnschwindel | |
| Der Unionskanzlerkandidat pfuscht bei der Frage, warum er eine Erhöhung des | |
| Mindestlohns ablehnt. Dabei hätte der von Anfang an höher sein müssen. | |
| Umgang mit der AfD im Wahlkampf: Zwei Pole in der CDU | |
| Marco Wanderwitz und Hans-Georg Maaßen sind beide CDU-Mitglied und | |
| kandidieren für den Bundestag. Was sie trennt: ihr Umgang mit der AfD. |