# taz.de -- Waffen für Bundeswehrdrohnen: Nicht um den Preis ziviler Opfer | |
> Eine Bewaffnung von Drohnen sollte nur mit strengen Vorgaben erfolgen. | |
> Der Schutz für die Bundeswehr darf nicht auf Kosten Unbeteiligter gehen. | |
Bild: Noch unbewaffnet: Bundeswehrdrohne vom Typ Heron beim UN-Einsatz in Mali | |
Die USA verabschiedeten sich im August mit einem Fehlschlag aus [1][Kabul]. | |
Der „Islamische Staat“ (IS) hatte gerade einen [2][Anschlag auf den | |
Flughafen verübt], wo die Evakuierungsaktion des Westens lief. Über 170 | |
Zivilist*innen und 13 US-Soldat*innen starben. | |
Drei Tage später wollte das US-Militär das nächste Attentat verhindern und | |
einen IS-Terroristen ausschalten, in dessen Wagen es Sprengstoff vermutete. | |
Das Problem: Die vermeintlichen Bomben waren Wasserkanister, der angebliche | |
Attentäter ein Unschuldiger. Er und neun Angehörige starben durch den | |
[3][Angriff einer amerikanischen Kampfdrohne]. | |
Was das mit den [4][Koalitionsverhandlungen in Berlin] zu tun hat? Die | |
Ampel-Verhandler*innen könnten beschließen, dass auch die Bundeswehr ihre | |
Drohnen bewaffnen darf. Die FDP ist ohnehin für Kampfdrohnen und die Grünen | |
haben auf ihrem Parteitag im Juni ihren Widerstand abgeräumt. | |
Und der SPD-Vorstand hat in dieser Woche wohlwollend die Empfehlung einer | |
parteiinternen Arbeitsgruppe entgegengenommen, die sich für die Bewaffnung | |
unter bestimmten Umständen ausgesprochen hat: Keine gezielten Tötungen | |
jenseits des Völkerrechts, kein Einsatz ohne Bundestagsmandat, klare | |
Einsatzregeln für die Pilot*innen und so weiter. | |
## Die SPD-Spitze holt sich die Legitimation der Partei | |
Für dieses Ergebnis an sich hätte es zwar keine Arbeitsgruppe gebraucht. | |
Die Debatte zum Thema läuft seit Jahren, der jetzige Vorschlag lag mit | |
anderen Worten schon auf dem Tisch und neue Argumente hat das Gremium auch | |
nicht präsentiert. | |
Immerhin hat es die SPD-Spitze aber geschafft, sich durch das Verfahren die | |
Legitimation der Partei zu holen. Ganz leise ist noch Protest aus dem | |
linken Parteiflügel zu vernehmen, den großen Aufschrei gibt es aber nicht – | |
weder inner- noch außerhalb der SPD. | |
Dafür gibt es verständliche Gründe: Nach der jahrelangen Debatte hat sich | |
die Öffentlichkeit an den Gedanken der Bewaffnung gewöhnt. Kampfdrohnen | |
sind keine neue Technik mehr, sie haben sich international durchgesetzt und | |
werden nicht mehr verschwinden. Ein deutscher Verzicht hat heute keinen | |
Symbolwert mehr. Und Regeln, wie die SPD sie formuliert hat, machen ja | |
tatsächlich einen Unterschied. | |
Ein Drohnenkrieg im Stile der USA, die ungefragt in diverse Länder | |
einfliegen und dort Todeslisten abarbeiten, ist damit ausgeschlossen. Es | |
bleiben zwar trotzdem gewichtige Gegenargumente, zum Beispiel, dass die | |
politischen Hürden für Einsätze sinken, wenn künftig jede | |
Bundeswehrpatrouille durch eine Drohne abgesichert wird und damit das | |
militärische Risiko schrumpft. | |
## Zivile Opfer sind auch mit Kampfjets möglich | |
Allerdings ändert sich dadurch nicht die grundlegende Art und Weise, wie | |
die Bundeswehr Kriege führt. Luftunterstützung gibt es heute schließlich | |
schon durch Kampfjets, sie sind nur weniger effizient als Drohnen, die | |
schneller einsetzbar sind und länger in der Luft bleiben können. | |
Alles kein Problem also? So ist es auch wieder nicht. Nehmen wir als | |
Beispiel den US-Fehlschlag aus dem August: Den Regeln, die die SPD | |
formuliert hat, widerspricht ein solcher Angriff nicht unbedingt. Es ging | |
nicht um eine extralegale Hinrichtung, sondern im weitesten Sinne um den | |
Schutz eigener Soldat*innen mit Mitteln, die man mit gutem Willen | |
völkerrechtlich begründen kann. | |
Auch solche Angriffe und damit einhergehende zivile Opfer sind zwar nichts | |
grundlegend Neues. Sie sind auch mit Kampfjets möglich, man denke nur an | |
[5][die Tanklaster von Kundus]. Allein durch die Flexibilität der Drohnen, | |
durch die häufigere Verfügbarkeit könnte es aber sein, dass die Bundeswehr | |
in künftigen Einsätzen öfter Raketen abfeuert als heute. Obwohl Drohnen | |
präziser sind als Kampfflugzeuge, könnte in der Summe die Zahl ziviler | |
Opfer steigen. | |
Entscheidend ist deshalb in den Koalitionsverhandlungen: Wenn die | |
Kampfdrohnen schon kommen, dann dürfen die Einsatzregeln nicht nur streng | |
aussehen. Sie müssen Zivilist*innen tatsächlich so viel Schutz | |
garantieren, wie es in einem Krieg überhaupt möglich ist. | |
Sollte andernfalls die Sicherheit deutscher Soldat*innen auf Kosten der | |
Bevölkerungen in den Einsatzländern steigen, wäre das nicht nur moralisch | |
fragwürdig. Es könnte strategisch auch nach hinten losgehen: Zivile Opfer | |
sorgen vor Ort bestimmt nicht für Akzeptanz. | |
30 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Afghanistan/!t5008056 | |
[2] /Explosionen-in-Kabul/!5796522 | |
[3] /Abzug-aus-Afghanistan/!5796815 | |
[4] /Ampel-Koalition-und-bewaffnete-Drohnen/!5806447 | |
[5] /Luftangriff-in-Afghanistan-2009/!5623097 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
## TAGS | |
Drohnenkrieg | |
Kampfdrohnen | |
Bundeswehr | |
Afghanistankrieg | |
SPD | |
GNS | |
Verteidigungspolitik | |
Ampel-Koalition | |
Kampfdrohnen | |
Grüne | |
Bundeswehr | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Friedensexperte über Rüstungsexporte: „Es muss eine Verschärfung geben“ | |
Die Ampel verhandelt derzeit über Verteidigungspolitik. Alexander Lurz von | |
Greenpeace fordert ein Gesetz für Rüstungsexporte. | |
Ampelkoalition und Menschenrechte: Grüne Staatsraison | |
Einige verstehen unter radikalem Klimaschutz neue Weltbürgerlichkeit und | |
Abbau weißer Privilegien. Die werden von der Ampel frustriert sein. | |
Ampel-Koalition und bewaffnete Drohnen: Bedingt kampfdrohnenbereit | |
Kurz vor Beginn der Koalitionsverhandlungen öffnet sich die SPD für die | |
Bewaffnung von Drohnen. Die FDP ist ohnehin dafür, die Grünen sind | |
flexibel. | |
Wahlprogramm der Grünen: Kampfdrohnen? Ja, nein, vielleicht | |
Das Nein der Grünen zur Bewaffnung von Drohnen wackelt. Es ist ein | |
unangenehmes Thema für den Wahlkampf. Der Parteitag soll abstimmen. | |
Kampfdrohnen für die Bundeswehr: Befremdliche Debatte | |
Kramp-Karrenbauer will eine „Debatte“ über den Kauf von Kampfdrohnen. Die | |
Union ist dafür – die SPD macht mit. |