| # taz.de -- Vor der Präsidentschaftswahl in Burundi: Spiel mit dem Feuer | |
| > Ganz Ostafrika hat Angst, dass Burundis umstrittene Wahl die Region in | |
| > eine neue Gewaltspirale stürzt. Alle Seiten rüsten sich für einen Krieg. | |
| Bild: Kabarore, Provinz Kayanza: Bewaffnete Sicherheitskräfte bei einer Wahlve… | |
| BUJUMBURA taz | Es wird einsam um Pierre Nkurunziza. Als der burundische | |
| Präsident bei seiner letzten Wahlveranstaltung am Freitag auf der Bühne | |
| steht und winkt, fehlen um ihn herum seine engsten Generäle, die mit ihm | |
| vor zehn Jahren als Rebellenchefs an die Macht gekommen waren. Dazu | |
| gehörten der gefürchtete Adolphe Nshimirimana, bis vor Kurzem | |
| Geheimdienstchef, und Alain Guillaume Bunyoni, einstiger Polizeichef. Sie | |
| hatten bei den letzten Wahlen 2010 noch mit Nkurunziza getanzt und | |
| gefeiert. Jetzt steht der Präsident allein da, mit einem Hirtenstab, an dem | |
| drei Luftballons baumeln, und wirkt irgendwie fehl am Platz. | |
| Die Wahlkampfveranstaltung findet in der nördlichen Provinz Kayanza statt, | |
| im kleinen Ort Kabarore zwischen Hügeln und Maniokfeldern. Eine Woche | |
| vorher hat es dort angeblich Gefechte zwischen der Armee und mysteriösen | |
| Rebellen gegeben. Doch von Gefahr ist dem Präsidenten nichts anzumerken. | |
| Ein paar Militärs und Polizisten mit Maschinengewehren, Dutzende | |
| Geheimdienstler in Zivil mit Sonnenbrillen: Im Vergleich zum | |
| Truppenaufmarsch bei den Wahlen vor fünf Jahren ist das relativ lax. | |
| Der Präsident trägt Jeans und T-Shirt, seine Augen versteckt er hinter | |
| einer verspiegelten Sonnenbrille. Er gibt sich als einfacher Mann des | |
| Volkes. Anstatt lange Reden zu schwingen, spielt er am nächsten Tag lieber | |
| Fußball mit seinen Anhängern. Zu sagen hat er ohnehin nicht viel. Fünf Mal | |
| wiederholt er in Kabarore sein Versprechen von Frieden und Sicherheit, | |
| damit er 20 Minuten voll kriegt. Die paar tausend Zuhörer klatschen nach | |
| Aufforderung. | |
| Nkurunziza weiß, warum er lieber ohne seine alten Gefährten vor das Volk | |
| tritt: Sie sind der Grund, warum im April und Mai die Massen auf die | |
| Straßen gingen und gegen seine dritte Amtszeit demonstrierten. Sie sind der | |
| Grund, warum Teile der Armee im Mai einen Putsch versuchten. Viele | |
| Burundier haben die Mafia-ähnliche Clique um den Präsidenten satt. Denn | |
| auch wenn die Ex-Rebellen der CNDD-FDD (Nationalkomitee/Kräfte zur | |
| Verteidigung der Demokratie) 2003 bei der Unterzeichnung des | |
| Friedensvertrags und dem Eintritt in Burundis Regierung erklärten, sie | |
| seien jetzt eine politische Partei, besteht die verschworene | |
| Kriegergemeinschaft fort. | |
| ## Berüchtigter Umschlagplatz | |
| Seit ihrer Machtergreifung 2005 ist Burundi berüchtigt als Umschlagplatz | |
| für Waffen, Gold und Drogen. Die Korruption ist sichtbar: Im ärmsten Land | |
| Afrikas, in dem 80 Prozent der Bevölkerung von unter einem Dollar pro Tag | |
| leben, reihen sich in der Hauptstadt Bujumbura luxuriöse Villen mit | |
| Swimmingpools aneinander. Nur wer zur Partei gehört, kriegt einen Job oder | |
| auf andere Weise ein Stück vom Kuchen ab. Das funktioniert aber nur, | |
| solange es etwas zu verteilen gibt. | |
| In rohstoffreichen Ländern wie Kongo ist der Kuchen in Form von Mineralien | |
| unerschöpflich. In Burundi selbst gibt es nicht viel zu vergeben: Der Staat | |
| finanziert sich durch Hilfsgelder. Die sind jedoch aufgrund der | |
| Verfassungskrise eingefroren. Anscheinend hat Burundis Nationalbank einfach | |
| Geld drucken lassen: Seit einigen Wochen sind nagelneue Scheine im Umlauf. | |
| Drogen und Waffen nehmen inzwischen neue Routen in der Region. Der Kuchen | |
| geht zur Neige und jeder muss schauen, wie er überlebt. In der | |
| Führungsriege gab es daher Streit: Sollte Nkurunziza weitere fünf Jahre im | |
| Amt bleiben oder nicht? Das Ergebnis war ein Militärputsch im Mai, der von | |
| loyalen Einheiten niedergeschlagen wurde. | |
| Seit dem gescheiterten Coup setzen sich immer mehr von Nkurunzizas engsten | |
| Mitstreitern ins Ausland ab oder laufen zur Opposition über. Selbst den | |
| eigenen Truppen kann der Präsident nicht mehr trauen. Er braucht neue | |
| Freunde. | |
| Vom Präsidentenpalast auf einem Hügel über der Hauptstadt Bujumbura kann | |
| Nkurunziza die kongolesischen Berge jenseits des Tanganjika-Sees sehen. Mit | |
| dem Präsidenten des Nachbarlandes, Joseph Kabila, verbindet Nkurunziza eine | |
| enge Freundschaft: Im Kongokrieg 1998–2003 kämpfte der burundische CNDD-FDD | |
| als Söldnertruppe auf Seiten Kabilas gegen Ruanda. | |
| ## Unheilvolle Freundschaft | |
| Heute schickt Kabila umgekehrt Hilfe nach Burundi: Geld und angeblich auch | |
| Milizen wie die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur | |
| Befreiung Ruandas), die sich aus den Tätern des Genozids 1994 zusammensetzt | |
| und seit 20 Jahren im Ostkongo wütet. | |
| Die FDLR unterhält enge Verbindungen zur burundischen CNDD-FDD, seit beide | |
| gemeinsam im Kongokrieg kämpften. Bei General Adolphe tauscht sie Gold | |
| gegen Waffen. Sollten ihre Hutu-Kämpfer jetzt Präsident Nkurunziza | |
| verteidigen, erwarten sie im Gegenzug wohl burundische Unterstützung gegen | |
| ihren Erzfeind, Ruandas Tutsi-Präsident Paul Kagame. | |
| So steht nicht nur Burundi am Scheideweg zwischen Krieg und Frieden, | |
| sondern die ganze Region. Knapp 150.000 Burundier suchen derzeit in | |
| Nachbarländern Schutz, die Mehrheit in Ruanda. Dort fürchtet man, dass mit | |
| den Flüchtlingen auch die Feinde heimlich eindringen. Ob das stimmt, ist | |
| relativ unwichtig. Die Paranoia in dieser Weltregion ist so groß, dass | |
| allein auf Basis von Gerüchten Entscheidungen getroffen werden. | |
| Rund um die Großen Seen im Herzen Afrikas tobt seit 25 Jahren ein Krieg | |
| nach dem anderen. Kein Land wurde verschont. Alle aktuellen Präsidenten | |
| sind durch Rebellionen an die Macht gekommen. Und auch wenn alle sich | |
| bemühten, ihre Rebellengruppen in zivile Regierungen zu verwandeln, so | |
| leben Siegermentalität und Kampfgeist in den Köpfen fort. Waffen und | |
| Camouflage sind immer dabei, wenn einer dieser Präsidenten auftritt, selbst | |
| wenn sie Anzug und Krawatte oder Jeans und T-Shirt tragen. | |
| Es ist leicht in der Region, den Teufel der Gewalt an die Wand zu malen: Ob | |
| die Massaker in Burundi ab 1993, der Genozid an den Tutsi 1994 in Ruanda, | |
| der lange Bürgerkrieg in Norduganda oder der seit Jahrzehnten schwelende | |
| brutale Konflikt im Osten Kongos – Gewalt haben alle zur Genüge erlebt. | |
| ## Säbelrasseln in Ruanda | |
| Ruandas Sicherheitsapparat rasselt jetzt gewaltig mit den Säbeln. Die Armee | |
| fuhr entlang der Grenze auf. Als es vergangene Woche im Norden Burundis zu | |
| ersten Kämpfen kam, hieß es sofort: Ruanda trainiere burundische Rebellen. | |
| Dieselbe Logik griff schon 2012 im Kongo, als die Tutsi-Rebellen der M23 | |
| (Bewegung des 23.März) Präsident Kabila den Krieg erklärten und dieser | |
| Ruanda dafür verantwortlich machte. Die geschlagene M23 sitzt heute in | |
| Ruanda und Uganda und ist mit den neuen burundischen Rebellen solidarisch. | |
| Die Waffenbrüder-Mentalität spaltet die Region und vereint sie zugleich. | |
| Da muss jetzt der Haudegen Yoweri Museveni eingreifen. Ugandas 70-Jähriger | |
| Präsident, seit fast 30 Jahren an der Macht, greift ein, wo immer es | |
| kriselt in der Region: Ugandische Soldaten stehen in Somalia, Südsudan und | |
| in der Zentralafrikanischen Republik; wo immer eine Rebellion scheitert, | |
| lädt er die Krieger nach Uganda ein, um sich da auszuruhen. | |
| Uganda ist als Fluchtort auch für burundische Oppositionelle bekannt. Das | |
| Land liegt strategisch im Zentrum Ostafrikas, profitiert vom Warenhandel | |
| quer durch die Wirtschaftsgemeinschaft – allerdings nur, solange Frieden | |
| herrscht. Krieg in Burundi würde die wirtschaftliche Entwicklung gefährden, | |
| ausgerechnet bevor Präsident Museveni sich 2016 im eigenen Land zur | |
| Wiederwahl stellt. | |
| Vergangene Woche kam Ugandas Präsident daher mit dem Auto nach Burundi | |
| eingefahren, begleitet von Hunderten von Soldaten. Zuvor hatte er einen | |
| Abstecher bei Ruandas Präsident Kagame eingelegt, der ihm eine „klare | |
| Nachricht“ unbekannten Inhalts an Nkurunziza mit auf den Weg gab. | |
| Vorstellbar ist eine Warnung vor einer Allianz mit dem Erzfeind FDLR. | |
| Jüngst haben Kenia, Uganda und Ruanda eine gemeinsame Eingreiftruppe | |
| aufgebaut, die im Verteidigungsfall unter Mandat der Afrikanischen Union | |
| (AU) intervenieren darf: Sollte die FDLR von Burundi aus tatsächlich Ruanda | |
| angreifen, könnte dies der Ernstfall sein. | |
| Das will Museveni nicht riskieren. Sein Verteidigungsminister Chrispus | |
| Kiyonga führt jetzt drei Tage lang in einem Hotel der burundischen | |
| Hauptstadt Verhandlungen mit Regierung und Opposition in Burundi. Es geht | |
| um den Wahltermin, um Sicherheitsgarantien und um internationale | |
| Beobachter. | |
| ## Viele Fragen im Raum | |
| Am Sonntag tauchte die burundische Regierungsdelegation nicht mehr auf und | |
| ging auch nicht ans Telefon. Sind die Verhandlungen damit gescheitert? | |
| „Nein“, behauptet Kiyonga am Sonntagnachmittag. „Wir werden geduldig sein… | |
| Nun stehen viele Fragen im Raum. Zieht Nkurunziza die Präsidentschaftswahl | |
| am Dienstag knallhart durch? Gelingt es Uganda, zuvor Burundis Regierung | |
| zurück an den Verhandlungstisch zu holen? Oder greift die Opposition | |
| frustriert zu den Waffen und versucht, den Präsidenten erneut zu stürzen? | |
| Alle wissen: Das Risiko, dass die Region der Großen Seen erneut im Chaos | |
| versinkt, ist enorm hoch. | |
| 19 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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