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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Burundi: Ein Tag der Angst
> Burundis Präsident bläst zur Wiederwahl, die Opposition will das
> verhindern. Mancherorts wagt sich kaum jemand in die Wahlkabine.
Bild: Wahllokal in Kamenge, Hochburg der Regierungspartei in Burundis Hauptstad…
Bujumbura taz | Die Leiche ist mit einem weißen Tuch zugedeckt. Deutlich
sichtbar liegt sie auf der Straße. Hunderte Menschen stehen in Nyakabiga,
einem Viertel der burundischen Hauptstadt Bujumbura, um den Toten herum,
stumm, fassungslos. „Jemand hat sie in der Nacht aus einem Auto geworfen“,
sagt einer. Den Leuten ist Furcht und Müdigkeit anzusehen. „Wir haben
Angst“, gibt ein junger Mann zu. Seine Lippen beben, seine Hände zittern.
Die ganze Nacht zum Dienstag, Burundis Wahltag, hallen in der Hauptstadt
Schüsse. Granaten fliegen. Zwei Menschen sterben. Als die Sonne am Morgen
aufgeht und die Wahllokale öffnen, wagen sich die Menschen nur zaghaft aus
den Häusern. Der Psychoterror zeigt Wirkung.
Diesmal scheint es die mittlerweile bewaffnete Opposition zu sein, die die
Bevölkerung einschüchtern will. Fast alle Oppositionellen haben ihre
Kandidatur zurückgezogen. „Sie haben uns gesagt, wir sollen heute nicht
wählen, denn die Wahl sei verfassungswidrig“, sagt der junge Mann in
Nyakabiga.
Auch er war Teil der Protestbewegung, als im April und Mai gegen die dritte
Amtszeit von Präsident Pierre Nkurunziza demonstriert wurde. Die Proteste
wurden mit Gewalt niedergeschlagen, fast 100 Menschen starben. Jetzt
radikalisieren sich Teile der Opposition. Sie wollen dafür sorgen, dass die
Wahlbeteiligung möglichst niedrig bleibt.
In einem Wahllokal im Viertel Cibitoke am Stadtrand von Bujumbura, vor
Monaten eine Hochburg der Proteste gegen Nkurunziza, haben von rund 2.000
registrierten Wählern bis kurz vor Schließung nur 276 ihre Stimme
abgegeben. Fast alle waren Polizisten oder Soldaten der Armee. In anderen
oppositionellen Vierteln, in Mutakura und Musaga, dasselbe: Überall fast
leere Wahllokale. Stimmzettel in die Plastikboxen werfen meist Uniformierte
oder deren Frauen.
Im regierungstreuen Stadtteil Kamenge hingegen, gleich neben Cibitoke
gelegen und traditionell eine Hochburg von Burundis heute regierenden
Hutu-Rebellen, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Von rund 3.150
registrierten Wählern haben um 9 Uhr morgens bereits 636 gewählt.
Doch dies ist mit den langen Schlangen, die bei den vergangenen Wahlen 2010
vor diesem Grundschulgebäude zu sehen waren, nicht vergleichbar. Hinter
vorgehaltener Hand berichten Leute, dass sie indirekt gezwungen wurden,
wählen zu gehen. Es werde kontrolliert.
## Junge Männer mit Sonnenbrillen
In Kamenge sind viele hochrangige Regierungsmitglieder zu Hause, Generäle
der Polizei, der Armee und des Geheimdienstes. In einer Kneipe direkt um
die Ecke sieht man Offiziere schon am frühen Morgen Bier trinken. In der
Grundschule mit dem Wahlbüro wird man das Gefühl nicht los, dass die jungen
Männer in Sonnenbrillen, die da scheinbar untätig herumsitzen, genau
beobachten, wer zur Stimmabgabe auftaucht und wer nicht. Sobald
Journalisten Wähler interviewen wollen, kommen sie näher.
Unterdessen tragen in Nyakabiga, wo die Leiche liegt, junge Männer Steine
zusammen und werfen sie auf die Straße, damit Autos nicht mehr passieren
können. Autoreifen brennen. Polizisten mit Maschinengewehren warten in
sicherer Entfernung auf Befehle.
Eine ältere Frau kommt angelaufen. Ihr Sohn sei vergangene Nacht nicht nach
Hause zurückgekehrt, schluchzt sie. Sie guckt nach, ob unter dem weißen
Tuch ihr Sohn liegt.
Er ist es nicht. Erleichtert sinkt sie auf die Knie. Ein Mann neben ihr
schüttelt fassungslos den Kopf: „Was für ein Terror“, murmelt er.
21 Jul 2015
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Burundi
Pierre Nkurunziza
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