# taz.de -- Urteil zu Kontrollen nach Hautfarbe: Gericht verbietet Polizei-Rass… | |
> Noch im März hatte ein Gericht es für zulässig erklärt, wenn Menschen | |
> wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert werden. In der Revision wurde das | |
> Urteil nun für nichtig erklärt. | |
Bild: Der weiße Zug ist bestimmt nicht illegal. | |
FREIBURG taz | In Deutschland darf niemand nur deshalb kontrolliert werden, | |
weil er eine dunkle Hautfarbe hat. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) | |
Koblenz festgestellt. Derlei Polizeikontrollen verstoßen gegen das | |
Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes, betonten die Richter. | |
Der damals 25-jährige Aaron K. (Name geändert) fuhr im Dezember 2010 mit | |
einem Regionalzug von Kassel nach Frankfurt. Er hatte sich einen Tee geholt | |
und war auf dem Rückweg zu seinem Sitzplatz, als eine Polizeistreife seinen | |
Ausweis verlangte. Der dunkelhäutige K., deutscher Staatsbürger und | |
Architekturstudent, fühlte sich diskriminiert und weigerte sich, den | |
Ausweis zu zeigen. | |
Auf beiden Seiten gingen die Emotionen hoch. K. sagte, die Kontrolle | |
erinnere ihn an NS-Methoden, darauf zeigte ihn einer der Polizisten wegen | |
Beleidigung an. Das Amtsgericht Kassel verurteilte K. tatsächlich zu einer | |
Geldstrafe unter Vorbehalt. Erst das Oberlandesgericht Frankfurt sprach K. | |
im März 2012 frei: Der Vergleich sei angesichts der ihm schikanös | |
erscheinenden Kontrolle noch von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen. | |
Im Beleidigungsprozess hatte die Polizei die Kontrolle zunächst mit der | |
Gefahr islamistischer Anschläge gerechtfertigt. Auf die Frage, warum gerade | |
K. seinen Ausweis zeigen musste, sagte ein Polizist aber ganz offen, dass | |
er unter anderem nach der Hautfarbe auswähle, wen er nach dem Ausweis | |
frage. Nun klagte Aaron K. gegen die Bundespolizei auf Feststellung, dass | |
die Kontrolle rechtswidrig war. Im März 2012 entschied das | |
Verwaltungsgericht Koblenz dann, die Kontrolle sei in Ordnung gewesen. Um | |
unerlaubte Einreisen zu verhindern, dürfe die Bundespolizei in Zügen | |
Stichproben „nach dem äußeren Erscheinungsbild“ vornehmen. | |
## Entschuldigung im „Namen der Bundesrepublik“ | |
Hiergegen ging K.s Anwalt Sven Adam aus Göttingen in Berufung. Gleich in | |
der mündlichen Verhandlung machte die Vorsitzende Richterin Dagmar Wünsch | |
klar, dass Kontrollen nach Hautfarbe gegen das Gleichbehandlungsgebot des | |
Grundgesetzes verstoßen. Daraufhin nahm die Bundespolizei eine Auszeit und | |
räumte dann ein, dass die Kontrolle rechtswidrig war. „Im Namen der | |
Bundesrepublik Deutschland“ entschuldigte sich die Polizei bei dem | |
Studenten. K.s Anwalt erklärte daraufhin die Sache für erledigt. | |
Das OVG musste nur noch über die Kosten entscheiden, die zur Gänze die | |
Staatskasse zahlen muss. In diesem Beschluss heißt es auch, dass die | |
Kontrolle von Beginn an „rechtswidrig“ war. Das anderslautende Urteil der | |
Vorinstanz wurde zugleich für „wirkungslos“ erklärt. | |
„Damit ist dem racial profiling durch die Bundespolizei der Boden | |
entzogen“, sagte Anwalt Adam am Dienstag der taz. „Nun muss die | |
Bundesregierung sicherstellen, dass diese Praxis von der Bundespolizei | |
nicht mehr angewandt wird“, erklärte das Deutsche Institut für | |
Menschenrechte. Auch Amnesty International und die Initiative Schwarzer | |
Deutscher begrüßten das Urteil. (Az. 7 A 10532/12) | |
30 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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