# taz.de -- Ungerechte Lastenverteilung: Superreiche entrichten kaum Steuern | |
> Die Mittelschicht zahlt, Milliardäre zahlen nicht. Eine neue Studie des | |
> EU Tax Observatory zeigt, wie ungerecht Steuern weltweit erhoben werden. | |
Bild: Profitiert davon, dass Superreiche kaum Steuern zahlen: Tesla- und X-Eign… | |
BERLIN taz | Was haben die jüngsten internationalen Steuerreformen | |
gebracht? Konnten sie die Steuerflucht bekämpfen? Das wusste bisher | |
niemand. Seit 2017 gibt es den automatischen Austausch von Bankdaten, und | |
2021 wurde eine [1][globale Mindeststeuer für Unternehmen] eingeführt. | |
Jetzt haben Ökonomen des EU Tax Observatory die Resultate erstmals | |
bilanziert. | |
Immerhin einen Erfolg gibt es zu vermelden: Für reiche Privatpersonen ist | |
es schwieriger geworden, ihr Vermögen in Steueroasen zu verstecken, weil | |
der internationale Datenaustausch tatsächlich greift. Die individuelle | |
Steuerflucht sei um etwa zwei Drittel zurückgegangen. Für den | |
[2][französischen Ökonomen Gabriel Zucman] beweist das: „Steuerflucht lässt | |
sich effizient bekämpfen, wenn es den politischen Willen gibt.“ | |
Zucman leitet das EU Tax Observatory, das an der Paris School of Economics | |
angesiedelt ist und von der EU teilweise finanziert wird. Zucman ist eine | |
Art Wunderkind der Wirtschaftswissenschaften. Der heute 36-jährige hat | |
bereits vor zehn Jahren bahnbrechende Studien zur globalen Steuerflucht | |
vorgelegt, wofür ihm jetzt die John-Bates-Clark-Medaille verliehen wurde. | |
Neben dem Nobelpreis ist diese Medaille die wichtigste Auszeichnung in der | |
Ökonomie. | |
An Zucmans neuer Studie haben weltweit rund hundert Wissenschaftler | |
mitgewirkt. Eines ihrer weiteren Ergebnisse ist, dass die globale | |
Mindeststeuer für multinationale Konzerne bisher ein Flop ist. Der Plan sah | |
vor, dass alle Konzerne mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern zahlen sollten, | |
was das weltweite Aufkommen um knapp zehn Prozent steigern sollte. Doch die | |
Einnahmen haben global nur um etwa drei Prozent zugenommen, weil zahlreiche | |
neue Schlupflöcher geschaffen wurden. | |
## Krasse Ungerechtigkeit gefährdet Demokratie | |
Das größte Problem ist jedoch, dass die Milliardäre kaum besteuert werden – | |
woran vor allem ihre Heimatländer schuld sind. Die Superreichen dürfen zu | |
Hause Holdings gründen und dort ihr Einkommen verstecken. Die Steuerlast | |
für die Milliardäre entspricht lächerlichen 0 bis 0,5 Prozent ihres | |
Gesamtvermögens. | |
Die Mittelschicht zahlt, die Milliardäre nicht. „Diese krasse | |
Ungerechtigkeit gefährdet unsere Demokratie“, warnt Nobelpreisträger Joseph | |
Stiglitz, der ein Vorwort zur Studie beigesteuert hat. | |
Zucman schlägt daher vor, eine globale Mindeststeuer auch für Milliardäre | |
einzuführen, die zwei Prozent des Vermögens entspricht. „Das ist der | |
logisch nächste Schritt nach der globalen Mindeststeuer für Unternehmen.“ | |
Weltweit wären weniger als 3.000 Milliardäre betroffen – was aber jährlich | |
knapp 250 Milliarden Dollar an Steuern bringen würde. | |
Parallel zur Studie erscheint ein „Atlas der Steueroasen“, der erstmals die | |
Steuerflucht in jedem Land dokumentiert [3][(atlas-offshore-world.org)]. | |
Das Ergebnis: Deutschland verliert bei den Gewinnsteuern mehr Einnahmen als | |
jedes andere Land auf dieser Welt, denn der Schwund liegt hierzulande bei | |
26,2 Prozent. In Großbritannien fehlen 25,1 Prozent, in Costa Rica 24,8 | |
Prozent und in Ungarn 24,5 Prozent. In den USA hingegen beträgt die | |
Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit nur 11,9 Prozent.Auch bei den | |
Steueroasen führt Europa, wie dem Atlas zu entnehmen ist: Irland, die | |
Niederlande, Luxemburg und die Schweiz helfen Unternehmen sehr gern dabei, | |
Steuern zu vermeiden. | |
23 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Globale-Mindeststeuer-fuer-Unternehmen/!5783871 | |
[2] /Staroekonom-tritt-in-EU-Dienst/!5728735 | |
[3] https://atlas-offshore.world/ | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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