# taz.de -- Unabhängige Medien in Russland: Kampf um die Nachrichten | |
> Die russische Aufsichtsbehörde setzt unabhängige Medien unter Druck. | |
> Begriffe wie „Überfall“, „Kriegserklärung“ und „Invasion“ sind … | |
Bild: Die russische Polizei nimmt am Donnerstag in Moskau Menschen fest, die ge… | |
MOSKAU taz | Russlands mediale Aufsichtsbehörde „Roskomnadsor“ mahnt die | |
letzten unabhängigen russischen Medien, Gebrauch und „Verbreitung von | |
unverlässlichen, für die Öffentlichkeit bedeutenden Informationen“ zu | |
vermeiden. Zu [1][diesen Medien zählen die Nowaja Gaseta], die am Tag des | |
Überfalls in einer russisch-ukrainischen Ausgabe erschien. Darüber hinaus | |
wurden auch Rundfunksender Echo Moskau verwarnt, der TV-Sender Doschd, der | |
unabhängige Medienbeobachter Mediazona und die New Times. Echo Moskau warnt | |
in einem Jingle die Hörer halbstündlich davor, unbestätigten Informationen | |
Vertrauen zu schenken. | |
Begriffe wie [2][„Überfall“, „Kriegserklärung“ und „Invasion“ sin… | |
Ende letzter Woche verboten]. Die Behörde fordert Medien auf, die Seiten zu | |
löschen, die diese Begriffe verwenden. Moskau ist darum bemüht, trotz | |
breitflächigen Einmarsches, den Überfall auf die Ukraine wie eine | |
unbedeutendere „Strafaktion“ aussehen zu lassen. Den Medien wird | |
vorgeworfen, „unzutreffende Informationen über den Beschuss ukrainischer | |
Städte und zivile Opfer“ zu verbreiten. Verlässliche Informationen, so die | |
Aufsichtsbehörde, seien nur in „offiziellen Ausgaben“ zu finden. | |
Immer mehr russische Bürger wenden sich seit dem Feldzug gegen die Ukraine | |
indes anderen Informationsquellen zu, schrieb der US-Sender Radio Svoboda. | |
Die Aufsichtsbehörde „Roskomnadsor“ soll bereits Strafen in Höhe von 5 | |
Millionen Rubel (52.000 Euro) gegen den Sender verfügt haben. Das | |
russische Verteidigungsministerium bezichtigte die Nowaja Gaseta bereits | |
Ende der Woche, „Fake-Informationen“ zu verbreiten, die angeblich von | |
ukrainischen „Nationalisten“ und dem Geheimdienst SBU vorbereitet und | |
verbreitet würden. | |
Die Nowaja Gaseta wandte sich über Telegram an das Ministerium mit der | |
Bitte, Verlustzahlen während des Einmarsches bekannt zu geben. „Wenn wir | |
Ihre Informationen veröffentlichen sollen, müssen Sie uns diese zugänglich | |
machen“, schrieb die Zeitung am Freitag. Das Schreiben wurde vom | |
Ministerium nicht beantwortet. | |
## Protest gegen den Krieg lauter | |
Am Freitag gingen auch verschiedene russische Provider gegen den | |
Twitter-Dienst vor. Der unabhängige Internetdienst NetBlock teilte bereits | |
vorher mit, bei der Nutzung Twitters sei mit erheblichen Einschränkungen zu | |
rechnen. NetBlock erklärte das mit dem Vorgehen gegen soziale Medien und | |
Plattformen in Verbindung mit dem Ukrainekonflikt. Am Donnerstag hatte die | |
russische Medienaufsicht überdies bereits gewarnt, Facebook hätte die | |
offiziellen Seiten staatlicher Infoanbieter blockiert. Darunter fielen der | |
TV-Militärsender Swesda (Zvesda) und die staatliche Agentur RIA Novosti. | |
Der [3][Protest gegen den Krieg ist in den letzten Tagen in Russland] | |
lauter geworden. Die Polizei nahm in den ersten beiden Kriegstagen rund | |
2.000 Menschen in 60 Städten landesweit fest. Die Sicherheitskräfte seien | |
mit beispielloser Härte vorgegangen, berichteten Beobachter in den sozialen | |
Medien. Rund 100 Journalisten wandten sich mit einem offenen Brief an die | |
Öffentlichkeit. Unter ihnen waren auch Mitarbeiter der staatlichen Agentur | |
TASS und des Propagandasenders RT (Russia Today). Der TV-Moderator Iwan | |
Urgant vom Ersten Kanal sprach sich am Donnerstag gegen den Krieg aus. Am | |
Freitag war er nicht mehr Chef der eigenen Show. | |
Dass der Krieg der russischen Gesellschaft nicht gleichgültig ist, belegt | |
eine Petition, die der 80-jährige Menschenrechtler Lew Ponomarew auf | |
change.org lanciert. Demnächst könnten 1 Million Unterschriften von | |
Kriegsgegnern zusammenkommen. Eine vergleichbare Petition hatte es in der | |
russischen Geschichte bislang nicht gegeben. Gleichwohl hat nach dem | |
Vorgehen des Kreml gegen den Oppositionellen Alexei Nawalny Anfang 2021 der | |
sichtbare Protest in Russland nachgelassen. | |
Verlustzahlen lassen sich auf beiden Seiten nicht bestätigen. | |
Offensichtlich scheinen die Invasoren jedoch damit gerechnet zu haben, | |
wesentlich schneller voranzukommen. Angeblich soll Moskau bereits am | |
vierten Kriegstag frische Kräfte in das besetzte Gebiet beordern. Russland | |
gibt die Verluste nicht bekannt. Sie scheinen höher zu sein, als erwartet. | |
27 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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