# taz.de -- Proteste in Moskau: Putins bizarre Parallelwelt | |
> Mit keinem Wort erwähnt der Chef im Kreml Nawalny oder die Ukraine. Dabei | |
> zeichnet sich Putins nächster Akt schon ab. Und Europa schaut zu. | |
Bild: Während Putin seine Rede hält, fordern Tausende „Freiheit für Nawaln… | |
Sie ist schon bizarr, die Parallelwelt des Wladimir Putin. In seiner Rede | |
an die Nation, mit der Russlands Präsident alljährlich seine Untertanen | |
beglückt, verlor er erwartungsgemäß kein Wort über den inhaftierten | |
[1][Kremlkritiker Alexei Nawalny]. Gleichzeitig schaffen es seine | |
Unterstützer*innen landesweit wieder Tausende zu Protesten auf die | |
Straße zu bringen. Das straft all jene Lügen, die „die Bewegung“ bereits | |
tot gesagt hatten. | |
Denn es geht eben nicht nur um „Freiheit für Nawalny“, dessen Leben nach | |
einem mehrwöchigen Hungerstreik am seidenen Faden hängt, sondern um | |
demokratische Rechte für alle Russ*innen. Dass diese Erkenntnis | |
mittlerweile auch den Kreml erreicht hat, zeigt das [2][brutale Vorgehen | |
gegen die Demonstrant*innen]: Über tausend Festnahmen, und das vielfach | |
schon, bevor die Kundgebungen überhaupt begonnen hatten. | |
Selbst an Schüler*innen vergreift sich die Staatsmacht, die unter dem | |
Vorwurf des Extremismus einfach eingesammelt werden. Mindestens genauso | |
aufschlussreich waren die Botschaften, die der Kremlchef an das Ausland | |
richtete. Die Warnung vor gleichwertigen und harten Reaktionen, sollte eine | |
„rote Linie“ überschritten werden, ist eine unverhohlene, durchaus ernst zu | |
nehmende Drohung. | |
Dabei ist das genau das, was Russland selbst dieser Tage mit einem massiven | |
Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine vorführt. Und es ist beileibe | |
kein Zufall, dass Putin ein angeblich vereiteltes Attentat auf den | |
belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko ins Feld führt. Das könnte | |
bereits die schrille Begleitmusik zu dem Treffen der beiden Staatschefs an | |
diesem Donnerstag in Moskau sein. | |
Denn das gesellige Beisammensein könnte mit einer freundlichen Einladung | |
Moskaus an Lukaschenko enden, den Nachbarn einzugemeinden. Ohnehin ist | |
Lukaschenko schon längst nur noch ein [3][Herrscher von Putins Gnaden], der | |
dem Kreml wie eine reife Frucht geradewegs in den Schoß fällt. | |
Sollte es tatsächlich so kommen, wäre für die Belaruss*innen wohl | |
endgültig eine „rote Linie“ überschritten. Und dann? Zumindest vom Westen | |
hätten die Menschen in Belarus in diesem Fall wohl kaum Unterstützung zu | |
erwarten, von den üblichen Solidaritätsadressen einmal abgesehen. Das ist, | |
vor allem für Europa, ein echtes Armutszeugnis. | |
22 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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