| # taz.de -- Umweltbehörde kennt Baumbestand nicht: Abgeholzt und wegsortiert | |
| > In Hamburg wurden 30.000 Bäume gefällt und nicht nachgepflanzt. | |
| > Recherchiert hat das ein Abgeordneter. Die Umweltbehörde selbst hat | |
| > keinen Durchblick. | |
| Bild: In irgendeiner Statistik stehen auch sie: gefällte Bäume 2020 in Hambur… | |
| Eine Zahl machte in Hamburg in der letzten Woche Schlagzeilen: 30.000 Bäume | |
| wurden von 2015 bis 2022 gefällt und nicht nachgepflanzt. Das ist nicht nur | |
| deshalb interessant, weil die allermeisten Menschen Bäume mögen und es doof | |
| finden, wenn sie futsch gehen. Interessant ist vor allem, wie diese Zahl | |
| überhaupt ans Licht kam. | |
| Der Baumbestand wird in Hamburg nämlich keineswegs einheitlich oder gar | |
| zentral erfasst. Straßenbäume, Privatbäume und Bäume in öffentlichen | |
| Grünanlagen sind drei verschiedene Kategorien, in denen gezählt wird – und | |
| zwar je nach Kategorie bei der Umweltbehörde oder den sieben Bezirksämtern. | |
| Der Bürgerschaftsabgeordnete Sandro Kappe (CDU) hat sich hinter das Thema | |
| geklemmt und Dutzende Kleine Anfragen zum Baumbestand gestellt. Über 200 | |
| Zeilen umfasst die Excel-Tabelle, in der er die Ergebnisse fein säuberlich | |
| zusammengetragen hat. Das Ergebnis: Zwischen 2015 und 2022 ist ein Loch von | |
| 29.016 Bäumen entstanden. Dabei fehlen noch Zahlen über Bäume auf | |
| Privatgrundstücken in Wandsbek und Harburg, weil die Bezirksämter diese | |
| nicht erheben. Mit dieser Dunkelziffer muss das Defizit laut Kappe bei | |
| mindestens 30.000 Bäumen liegen. | |
| Wie es dazu kommen konnte? Die Umweltbehörde betont in ihrer Antwort auf | |
| eine taz-Anfrage, dass der grüne Senator 2015 ein „schweres Erbe“ | |
| angetreten habe und das jährliche Defizit gegenüber den Jahren vor 2015 | |
| schon [1][deutlich gesenkt wurde]. | |
| Kurios ist, dass der Straßenbaumbestand in den vergangenen Jahren laut | |
| Behörde sogar „aus diversen Gründen angestiegen“ sein soll – obwohl in … | |
| vergangenen zehn Jahren kontinuierlich mehr Straßenbäume gefällt als | |
| gepflanzt wurden. Kappe kennt zumindest einen Grund dafür, wie die Behörde | |
| zu einer positiven Bilanz kommt: In den letzten Jahren widmete sie Bäume | |
| aus öffentlichen Grünflächen kurzerhand zu Straßenbäumen um. „Umwidmungen | |
| machen schätzungsweise den kleinsten Teil der Menge an neu hinzugekommen | |
| Straßenbäumen aus“, kontert die Umweltbehörde. Trotzdem bleibt unklar, | |
| woher die neuen Straßenbäume kommen. | |
| Die Straßenbäume sind jedoch keineswegs das größte Problem in Sachen | |
| Baumschwund: Die mit Abstand meisten Bäume werden nicht von der Stadt, | |
| sondern auf privaten Grundstücken gefällt. Selbst ohne die beiden größten | |
| Hamburger Bezirke Harburg und Wandsbek gehen 19.237 der verlorenen Bäume | |
| darauf zurück, dass Stadtbürger*innen sich mit einer Ausgleichszahlung | |
| von der Pflicht freikauften, von ihnen gefällte Bäume nachzupflanzen. | |
| CDU-Politiker Kappe findet, dass die Stadt die Ausgleichszahlungen nutzen | |
| sollte, um Bäume auf öffentlichen Flächen nachzupflanzen. Das ist nicht so | |
| leicht, sagt die Umweltbehörde. Denn „neben den verfügbaren Mitteln sind es | |
| personelle Kapazitäten, die Verfügbarkeit von Pflanzfirmen und den | |
| passenden Gehölzen in den Baumschulen sowie geeignete freie Baumstandorte“, | |
| von denen die Nachpflanzungen abhingen. | |
| Aber selbst das verfügbare Geld reicht hinten und vorne nicht: Der Senat | |
| sieht für die Nachpflanzung von Straßenbäumen jedes Jahr 500.000 Euro vor. | |
| Ein neuer Straßenbaum kostet im Mittel etwa 2.750 Euro. Der Etat reicht | |
| jährlich also gerade einmal für 181 Straßenbäume – obwohl pro Jahr | |
| durchschnittlich mehr als zehnmal so viele [2][gefällt werden]. Selbst mit | |
| den Ausgleichszahlungen von Privatpersonen schafft die Stadt es aber nicht, | |
| die gefällten Straßenbäume nachzupflanzen – von den verlorenen Privatbäum… | |
| ganz zu schweigen. | |
| Es wirft kein gutes Licht auf die [3][Umweltbehörde], dass die Zahlen über | |
| die Bäume in Hamburg so schwer zugänglich und undurchsichtig sind. Ihr | |
| „Bäumchen wechsel dich“-Spiel dürfte dabei eher dazu beitragen, dass man | |
| den Baum vor lauter Statistik nicht mehr sieht, als den Baumbestand in | |
| Hamburg zu schützen. | |
| 9 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marta Ahmedov | |
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