# taz.de -- Umwandlungswelle in Berlin: Wer schließt das Scheunentor? | |
> Seit Mai gilt das neue Baugesetzbuch, das Umwandlungen in Eigentum | |
> faktisch unmöglich macht. Doch nun müsste der Senat tätig werden. | |
Bild: Noch ist das Scheunentor offen | |
BERLIN taz | Es könnte der lang ersehnte Schutz sein für Mieterinnen und | |
Mieter, deren Hausbesitzer Mietwohnungen in Eigentum umwandeln wollen. Als | |
der Bundestag im Mai das Baulandmobilisierungsgesetz verabschiedete, gab er | |
den Ländern auch die Möglichkeit an die Hand, ein Schlupfloch zu schließen, | |
das in Berlin immer wieder auch als „Scheunentor“ bezeichnet worden war. | |
Zwar sind Umwandlungen in Milieuschutzgebieten seit 2015 generell | |
genehmigungspflichtig. Wenn sich die Eigentümer aber verpflichten, eine | |
umgewandelte Wohnung sieben Jahre lang nur den Mieterinnen und Mietern zum | |
Verkauf anzubieten, dann steht ihnen das Tor offen. Von 2015 bis 2019 | |
wurden nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen | |
72.629 Mietwohnungen in den mittlerweile 69 Milieuschutzgebieten in | |
Eigentumswohnungen umgewandelt. | |
Das könnte sich bald ändern, denn im neuen Paragraf 250 des Baugesetzbuches | |
ist geregelt, dass eine Umwandlung nur noch genehmigt werden darf, wenn | |
zwei Drittel der Mieterinnen und Mieter ihre Wohnung selbst kaufen wollen. | |
Doch diesen „Selbstkauf“ haben von 2015 bis 2019 nur 0,3 Prozent aller | |
Mieterinnen und Mieter in Anspruch genommen. Mit dieser Regelung wäre das | |
Scheunentor dann zu, wenn auch noch nicht völlig verriegelt, um im Bild zu | |
bleiben. | |
## Länder in der Pflicht | |
Die Frage ist jetzt nur noch, wer es schließt. Denn der Bund hat bei der | |
Verabschiedung des Baulandmobilisierungsgesetzes, das zugleich eine Novelle | |
des Baugesetzbuches ist, ausdrücklich die Länder in die Pflicht genommen. | |
Sie müssen mit Landesverordnungen zunächst begründen, in welchen Kommunen | |
ein angespannter Wohnungsmarkt herrscht. In einer zweiten Verordnung müssen | |
die Länder zudem bestimmen, ab welcher Wohnungszahl in einem Gebäude der | |
neue Paragraf zur Anwendung kommt. Denn das hat der Bund bewusst offen | |
gelassen und lediglich eine Spanne von 3 bis 15 Wohnungen genannt. | |
Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg können dann auch die Umwandlung von | |
kleinen Mietshäusern ausbremsen, Flächenländer wie Bayern dagegen ihre | |
mittelständischen Eigentümer in Ruhe lassen. Und ganz nebenbei auch | |
einfacher die Außenbereiche der Dörfer bebauen, denn auch das gehört zum | |
Kompromiss zwischen CDU und SPD. | |
Anders als in Hamburg hat der rot-rot-grüne Senat in Berlin bislang aber | |
noch keine der beiden Verordnungen verabschiedet. Der Pankower | |
SPD-Abgeordnete Klaus Mindrup, der den Kompromiss zwischen CDU und SPD im | |
Bund wesentlich mitverhandelt hat, kann das nicht verstehen. „Es kommt auf | |
jeden Tag an“, sagt Mindrup der taz. „Jeden Tag werden in Berlin | |
Umwandlungsanträge gestellt.“ Vom neuen Gesetz verspricht sich Mindrup | |
einiges: „Ich gehe davon aus, dass damit alle Umwandlungen tot sind.“ | |
Das Unverständnis von Mindrup gegenüber dem Senat kommt nicht von ungefähr. | |
Bereits am 5. Mai hat er den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) | |
auf die Dringlichkeit der Verordnungen hingewiesen. Entsprechend den neuen | |
Paragraden im Baugesetzbuch, schrieb Mindrup, „muss Berlin für die | |
Anwendung des Gesetzes selbst tätig werden. Ich möchte Sie bitten, dies im | |
Senat zu thematisieren, und hoffe auf eine breite Unterstützung für einen | |
starken Umwandlungsschutz in Berlin.“ | |
Auch Florian Schmidt, grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, | |
sieht die Notwendigkeit, schnell zu handeln. Per Twitter hatte sich | |
Schmidt bei Mindrup für dessen Engagement bedankt. Doch bislang hat der | |
Senat keine Verordnung erlassen. „Wir gehen davon aus, dass die | |
Senatsvorlage am Dienstag in die Senatssitzung eingebracht wird“, sagte | |
eine Sprecherin von Bausenator Sebastian Scheel (Linkspartei). Danach müsse | |
sich noch der Rat der Bürgermeister mit dem Thema befassen. | |
Dabei kann das Land nicht nur Umwandlungen deutlich erschweren. Auch beim | |
Vorkaufsrecht sieht das neue Gesetz eine wichtige Verbesserung vor. Wenn | |
ein Bezirk in einem Milieuschutzgebiet zugunsten einer Genossenschaft oder | |
einer Wohnungsbaugesellschaft das Vorkaufsrecht zieht, muss die Käuferin | |
dann nicht mehr den ursprünglichen Preis zahlen, sondern nur den deutlich | |
niedrigeren Verkehrswert. | |
18 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
Erik Peter | |
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