# taz.de -- Tesla-Fabrik in Brandenburg: Pfahlbauten in Grünheide | |
> Tesla darf in Grünheide mit Rodungs- und Fundamentarbeiten beginnen. | |
> Bürgerinitiative fürchtet um Trinkwasserversorgung, Ministerium prüft. | |
Bild: Bauarbeiten auf dem Tesla-Gelände. Die untere Wasserbehörde verhängte … | |
BERLIN taz | Wie es auf dem Gelände der künftigen Tesla-Autofabrik vor den | |
Toren Berlins aussieht, davon kann sich die Öffentlichkeit auf Youtube ein | |
Bild machen: Mit einer Drohne filmt ein Teenager aus Grünheide immer wieder | |
das mehrere hundert Hektar große Baufeld an der A10, Tesla-Chef Elon Musk | |
hat ihm ein Okay dafür gegeben. Die Videos zeigen eine riesige Freifläche, | |
wo vor Monaten dichter Kiefernforst stand. | |
Eine Baugenehmigung hat Tesla bislang nicht, weil die Bürgerbeteiligung | |
noch nicht abgeschlossen ist – Rodungs- und Fundamentarbeiten durften | |
allerdings unter Vorbehalt starten. Am Dienstag erlaubte das zuständige | |
Landesamt für Umwelt (LfU) weitere Rohbaumaßnahmen und die Errichtung von | |
Verkehrswegen auf dem Areal. | |
Im Mai waren auf den Videos allerdings Arbeiten zu sehen, für die der | |
E-Auto-Hersteller keine Erlaubnis hatte: Betonpfähle wurden zu Testzwecken | |
in den Untergrund gerammt. Die untere Wasserbehörde stoppte das, verhängte | |
ein Ordnungsgeld und pochte auf einen entsprechenden Antrag, den die | |
Musk-Leute offenbar nachreichten. Dabei wurde klar: Tesla plante, die | |
gesamte Fabrik auf bis zu 15.000 solcher Betonpfähle zu setzen, um ihr auf | |
dem weichen märkischen Sand Halt zu geben. | |
In den Unterlagen, die Anfang des Jahres im Rahmen des Zulassungsverfahrens | |
öffentlich ausgelegt worden waren, war keine Rede von diesen Pfählen | |
gewesen, die im Grundriss 40 mal 40 Zentimeter messen und mindestens 16 | |
Meter tief im Boden verschwinden. Dass sie bei einem gewaltigen Projekt wie | |
der Tesla-Fabrik notwendig sein würden, hätte eigentlich klar sein müssen, | |
meint die Bürgerinitiative Grünheide Gegen Gigafactory (BI GGG), die die | |
Ansiedlung verhindern will. | |
## Pfähle sind das Problem | |
„Bei so großen Gebäuden geht das in dieser Region gar nicht anders“, sagt | |
Sprecher Steffen Schorcht Tatsächlich habe das US-Unternehmen gleich zu | |
Beginn des Projekts ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. „Es | |
liegt nahe, dass Tesla nicht alle bekannten Unterlagen eingereicht hat, | |
sondern nur so viel wie unbedingt nötig für den vorzeitigen Baubeginn“, so | |
Schorcht. Er ist sicher: Bei Bekanntwerden der geplanten Pfahlgründung wäre | |
die Rodung nicht zugelassen worden. | |
Mittlerweile hat Tesla die Unterlagen in Teilen korrigiert und am 2. Juli | |
neu ausgelegt. Die Pfähle tauchen jetzt in den Akten auf, es sollen | |
allerdings deutlich weniger werden als ursprünglich vorgesehen. Derweil | |
bekam Brandenburgs grüner Umweltminister Axel Vogel Besuch: Ende Juni | |
empfing er Schorcht und weitere Mitglieder der BI GGG, darunter einen | |
Geologen, in seinem Büro, sowie auch VertreterInnen der Grünen Liga und des | |
Brandenburger Nabu. Bei dem zweistündigen Austausch – „aus unserer Sicht | |
sehr sachlich und konstruktiv“, so Schorcht – erklärte man dem Minister, | |
welche Probleme man mit den Pfählen hat. | |
Das Tesla-Werk liegt zu großen Teilen in einem Trinkwasserschutzgebiet des | |
Wasserwerks Erkner. Die Pfähle werden in die oberste Grundwasserschicht | |
eindringen. Das Trinkwasser wird zwar aus einer tieferen Schicht gewonnen, | |
allerdings sieht die Initiative eine Gefahr, die das von Tesla in Auftrag | |
gegebene hydrogeologische Gutachten nicht thematisiert: Noch weiter unten | |
liegen Salzwasserschichten, die ins Trinkwasser aufsteigen und dieses | |
kontaminieren könnten. | |
Durch die großflächige Bodenversiegelung, möglicherweise aber auch dadurch, | |
dass die Pfähle wie eine Spundwand wirken, könne der obere Boden | |
trockenfallen, argumentiert die Bürgerinitiative – dann würde tieferes | |
Wasser quasi angesaugt. „Die Tonschicht, die das Salzwasser abschirmt, ist | |
an manchen Stellen durchbrochen“, sagt Schorcht, „es gibt lokale Hotspots, | |
wo es ohnehin nach oben dringt“. Ausgerechnet in Freienbrink in direkter | |
Umgebung des Tesla-Geländes sei das der Fall. Welche Auswirkungen die | |
Pfahlarbeiten auf den Untergrund hätten, sei darüber hinaus völlig offen, | |
dazu gebe es kein Gutachten. | |
## Umstrittene Grundwasserqualität | |
Die Bürgerinitiative sagt: Dem Umweltminister und seinen Beamten sei diese | |
Problematik nicht bekannt gewesen. Vogel habe nun zugesichert, sie | |
umfassend zu prüfen. Auf taz-Anfrage bestätigt das Ministerium, dass man | |
mit der unteren Wasserbehörde im Gespräch sei. Auch wolle Vogel die | |
Initiative noch einmal vor Ort treffen. Im Übrigen nehme das | |
Genehmigungsverfahren seinen Lauf: Bis 3. August können die Unterlagen | |
eingesehen, bis zum 3. September Einwendungen an das Landesamt für Umwelt | |
gerichtet werden. Davon könne auch die Bürgerinitiative Gebrauch machen. | |
Am 23. September findet der öffentliche Erörterungstermin in Erkner statt, | |
der im März coronabedingt ausfallen musste. Ob die von Tesla präsentierte | |
Gutachter-Aussage, es könne „kein nennenswerter Einfluss der Pfähle […] a… | |
den Grundwasserleiter erkannt werden“, ausreicht, wird sich zeigen müssen. | |
Beim Bund für Umwelt und Naturschutz, der den Vorgang ebenfalls begleitet, | |
ist man nicht so skeptisch wie bei der Bürgerinitiative: „Für mich hat | |
Tesla bisher überzeugend dargelegt, dass der Grundwasserfluss nicht | |
beeinträchtigt wird“, sagt Naturschutzreferent Axel Heinzel-Berndt. | |
Eine andere Frage sei die nach der Grundwasserqualität. Der Beton der | |
Pfähle könne chemisch reagieren, unerwünschte Stoffe könnten ausgewaschen | |
werden: „Wir werden darauf achten, dass dann eine Oberflächenbehandlung | |
erfolgen muss.“ | |
Dass grundsätzlich das Risiko eines Aufstiegs von Salzwasser besteht, sieht | |
Heinzel-Berndt aber auch – wenn im Wasserschutzgebiet zu große Mengen | |
Trinkwasser gefördert werden. Was schon in naher Zukunft passieren könnte: | |
„Die Versorgung in Grünheide war schon immer angespannt. Und Tesla will | |
dort potenziell 2 Millionen Autos im Jahr produzieren“, sagt | |
Heinzel-Berndt, „das ist ja jetzt nur der erste Bauabschnitt.“ Der | |
Wasserverband Strausberg-Erkner beteuere zwar, er könne den mittlerweile | |
von 372 auf 238 Kubikmeter pro Stunde herunterkorrigierten Bedarf | |
absichern, aber der gelte eben nur für den Auftakt von 500.000 Autos im | |
Jahr. | |
Wenn es so käme, halte der BUND die Trinkwasserversorgung rund um Grünheide | |
für nicht mehr gegeben, erklärt der Referent. Auch die Spree, die südlich | |
vorbeifließt, führe mittlerweile zu wenig Wasser, weil vieles in die | |
ehemaligen Tagebaue der Lausitz abfließe – der Rest sei, ebenfalls durch | |
den Bergbau, mit Sulfaten und anderen Stoffen belastet. „Wir sagen: Für | |
weitere Bauabschnitte wird man eine Überleitung aus der Oder ins | |
Einzugsgebiet der Spree erwägen müssen“, so Heinzel-Berndt. | |
14 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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