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# taz.de -- Tesla-Fabrik in Brandenburg: Nur Elektro reicht nicht
> In Brandenburg will Tesla in Rekordzeit seine Gigafactory für E-Autos
> bauen. Doch für eine nachhaltige Verkehrswende ist das nicht genug.
Bild: Ein Straßenschild steht schon: In Grünheide zieht Tesla seine Gigafacto…
Planierraupen rattern über den Boden, Schaufelbagger schütten Sand auf,
Lkws fahren hin und her, mehr als ein Dutzend Kräne warten auf dem riesigen
Gelände auf ihren Einsatz. An einem Samstag Mitte August laufen die
Arbeiten auf der Baustelle an der Autobahn 10 im brandenburgischen
Grünheide auf Hochtouren. Die Rohbauten für die großen Hallen stehen schon.
Und auch das Straßenschild an einer der Zufahrten: „Teslastraße“ ist
darauf zu lesen.
Rund 40 Kilometer von Berlin-Mitte entfernt entsteht eine „Gigafactory für
Elektroautos“, so nennt es Tesla-Gründer Elon Musk. Überraschend hatte der
im vergangenen Herbst bei einer Gala in der Hauptstadt angekündigt, dass er
[1][im märkischen Grünheide] Elektroautos für den europäischen Markt
produzieren will. „Die besten Autos der Welt sind made in Germany“,
begründete er die Standortwahl. Der Fabrikbau liegt voll im Plan, teilt
Tesla auf Anfrage mit. Ab dem 1. Juli 2021 sollen hier die ersten
vollelektrischen Teslas Model Y vom Band laufen. Klappt alles wie geplant,
werden in Brandenburg dann jährlich 500.000 der Mittelklasse-SUVs
produziert.
Tesla-Autos sind längst zum Statussymbol für ökologisch versierte
Gutverdienende geworden. Laut dem Bergisch-Gladbacher Institut Center of
Automotive Management hat Tesla im vergangenen Jahr im weltweiten Vergleich
die chinesische Konkurrenz abgehängt, in Europa hat in den ersten sechs
Monaten nur Renault mehr E-Autos verkauft. Auch hier will Tesla der
unumstrittene Marktführer werden.
Im Mai begannen die Bauarbeiten in Grünheide, nachdem der Kiefernwald
gerodet wurde. Aktivist:innen hatten das mit Baumbesetzungen zu verhindert
versucht. Sie haben Spuren hinterlassen. „Tesla hau ab“, steht mit
verblasster grüner Farbe auf einem Radweg, der zur Baustelle führt. „Tesla
Fledermäuse getötet i. A. Vogel Grüne“ ist auf einem weißen Zettel zu
lesen, der an einer Schranke hängt. Axel Vogel, auf den der Satz anspielt,
ist Landesumweltminister in Brandenburg und von den Grünen. Sein
Ministerium hat dem vorzeitigen Baustart zugestimmt, obwohl die
obligatorische Bürgerbeteiligung noch nicht abgeschlossen ist. Rechtlich
sei das möglich, sagt seine Sprecherin. Die Grünen wollen die Fabrik
unbedingt.
Ist Elon Musk zu glauben, dann ist Tesla die Lösung der Mobilität im 21.
Jahrhundert und Grünheide ein Ort der Zukunft. Doch wie ökologisch sind
E-Autos wirklich?
## Schönrechnen der Klimabilanz
Nicht nur Tesla baut Fahrzeuge mit Batterieantrieb. Alle Hersteller haben
E-Autos oder zumindest ein Hybridmodell – das sind Fahrzeuge, die sowohl
mit Verbrennermotor als auch mit Elektroantrieb ausgestattet sind – im
Programm. Die Anschaffung wird staatlich großzügig gefördert. Vor der
Coronapandemie hat die Bundesregierung eine Prämie für E-Autos eingeführt,
die mit dem Wirtschaftsprogramm gegen die Krise angehoben worden ist. Beim
Kauf eines E-Autos gibt es einen staatlichen Zuschuss von bis zu 6.000 Euro
plus Herstellerrabatt.
Der Grund für die großzügige Förderung: Ab dem kommenden Jahr müssen
Autohersteller mit hohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe rechnen, wenn
ihre verkauften Flotten – nicht das einzelne Fahrzeug – rechnerisch den
EU-Grenzwert von einem Ausstoß von durchschnittlich 95 Gramm Kohlendioxid
pro Kilometer und Auto nicht einhalten. In den kommenden Jahren werden
diese Grenzwerte noch verschärft.
Für Tesla ist das kein Problem, aber für andere Autohersteller. Im ersten
Halbjahr 2020 lag der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß laut
Kraftfahrtbundesamt bei Neuwagen bei 150,4 Gramm pro Kilometer.
Mit elektronisch betriebenen Modellen können sich Autokonzerne die
Klimabilanz ihrer Fahrzeugflotte schönrechnen. Sie dürfen die E-Autos so
verbuchen, als würden gar keine Emissionen entstehen. Auf der einen Seite
stimmt das: Beim Fahren selbst gibt es keine Abgase – und damit weder
Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide, noch Kohlendioxid-Emissionen.
Andererseits gilt das nicht für die Produktion der Autos und vor allem
nicht für die des Stroms, mit denen die Batterien geladen werden. Das macht
die Rechnung kompliziert.
## Der Strommix
Die Klimabilanz von E-Autos hängt maßgeblich vom Strom ab, mit dem sie
fahren. Wie gut oder schlecht die Bilanz aussieht, dazu gibt es
unterschiedliche Studien. Erst im Juni machte [2][ein Papier des Kieler
Instituts für Weltwirtschaft] von sich reden. Der Titel: „Elektromobilität
und Klimaschutz: Die große Fehlkalkulation“. Elektroautos würden sagenhafte
73 Prozent mehr Treibhausgase verursachen als moderne Diesel-Pkws.
„Elektroautos fahren heutzutage de facto mit 100 Prozent Kohlestrom“, sagt
einer der Forscher, Ulrich Schmidt. „Der erhöhte Strombedarf erfordert die
zusätzliche Nutzung fossiler Energieträger.“
Die Studie ist in der Fachwelt umstritten. Das Fraunhofer-Institut für
System- und Innovationsforschung kritisiert deren Methodik scharf. So sei
der Vergleich zwischen E-Autos und Diesel-Fahrzeugen schief: Für E-Autos
werde mit 100 Prozent Kohlestrom der ungünstigste Strommix angesetzt,
während bei Dieselmotoren vom Durchschnitt der Ölförderung ausgegangen
werde. Werden auch hier die schlechtesten Werte angesetzt, ergibt sich ein
anderes Bild. Für seine Prognosen geht das Kieler Institut außerdem davon
aus, dass fossile Energieträger zur Hälfte des Jahrhunderts nach wie vor 40
Prozent des Stroms hervorbringen – dabei will die EU bis dahin klimaneutral
sein.
Wissenschaftlich unumstritten ist aber, dass erst eine funktionierende
Energiewende die Elektromobilität sinnvoll macht. Wenn man die als
gegeben annimmt, schneiden E-Autos besser ab als fossil betriebene Wagen.
Zu diesem Schluss kam auch der Thinktank [3][Agora Verkehrswende] im
vergangenen Dezember. Für eine Studie hat Agora Emissionen der
verschiedenen Technologien über den kompletten Produktzyklus miteinander
vergleichen lassen – also von der Herstellung über die Nutzungsphase bis
zum Verschrotten und Recycling des Fahrzeugs.
Es gibt dabei zwei große Stellschrauben: Der Strom, der in die Produktion
fließt, und der, mit dem getankt wird. Studienergebnisse zeigen, dass für
die Herstellung von E-Autos zwischen 70 und 130 Prozent mehr Energie
benötigt wird, als für die Herstellung von Benzinern oder Dieseln.
Batteriezellen werden zudem oft in China, Japan oder Korea hergestellt, wo
fossile Energieträger (noch) einen großen Anteil am Strommix ausmachen.
Schaut man sich nur die Produktion an, haben E-Autos also einen deutlich
höheren CO2-Fußabdruck als vergleichbare Verbrenner.
Aber: E-Autos können das im Fahrbetrieb wieder wettmachen. Bliebe der
Strommix so, wie er 2016 war, fiele die Einsparung allerdings gering aus.
Nach 150.000 Kilometern Laufleistung lägen die Gesamt-CO2-Emissionen des
E-Autos um 12 Prozent unter denen eines vergleichbaren Benziners und um 3
Prozent unter denen eines vergleichbaren Diesels. Wenn Deutschland jedoch
seine Ziele einhält und den Anteil erneuerbarer Energien im Strommix auf 65
Prozent bringt, sieht das schon anders aus. Dann wären E-Autos nach den
150.000 Kilometern Laufleistung um 24 Prozent klimafreundlicher als
Benziner und um 16 Prozent CO2-ärmer als Diesel. Geht man von reinem
Solarstrom beim Tanken aus, könnte gegenüber den Verbrennern sogar knapp
die Hälfte Treibhausgase eingespart werden. „Mit dem batterieelektrischen
Antrieb existiert eine marktreife Technologie, um den Klimaschutz im
Verkehr jetzt voranzutreiben“, sagt Agora-Chef Christian Hochfeld.
Wenn sich zusätzlich auch der Strommix der Produktion verbessert,
verbessern sich die Werte automatisch weiter. Tesla baut in Brandenburg
auch Batterien. Das Unternehmen hat sich auch deshalb für den Standort
entschieden, weil hier der Ausbau erneuerbarer Energien recht weit
fortgeschritten ist – die Voraussetzungen für eine möglichst nachhaltige
Produktion also gut sind.
## Die Rohstoffe
Und nicht nur die Stromherkunft ist bei E-Autos ein Problem. Vor allem für
die Herstellung der Batterien werden Rohstoffe gebraucht, die unter
katastrophalen menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen
abgebaut werden, warnen Entwicklungsorganisationen und ökologisch
orientierte NGOs. Sie fordern: Hersteller sollen gesetzlich dazu
verpflichtet werden, beim Abbau bestimmte Standards einzuhalten, etwa in
Bezug auf die Umwelt und die Rechte der Arbeiter:innen.
Auch die Verfügbarkeit der Rohstoffe ist ein Problem. Der Thinktank Agora
Verkehrswende warnte schon vor drei Jahren vor einem steigenden Bedarf,
sollten sich Elektroantriebe weltweit durchsetzen. So werde die Nachfrage
nach Kobalt, Nickel, Lithium und Grafit deutlich steigen, der von Lithium
auf knapp 160.000 Tonnen im Jahr 2030 und sogar 500.000 Tonnen im Jahr
2050. Dabei werden derzeit im Jahr nur 35.000 Tonnen produziert. Die
Gewinnung von Lithium ist mit einem enormen Wasserverbrauch verbunden,
Dürren und Versalzung der Böden können eine Folge sein – was Bauern und
Bäuerinnen etwa in Chile oder Bolivien bedroht.
Pro Batterie benötigen die Hersteller derzeit auch etwa 15 Kilogramm
Kobalt. Die Nachfrage der Autoindustrie wird nach Ansicht der Expert:innen
von Agora Verkehrswende auch hier explodiere, und auch der Grafitbedarf
wird deutlich steigen. Dabei richtet der konventionelle Bergbau weltweit
Schäden an: Kinderarbeit gehört oft zum Geschäft. Die Bevölkerung in den
betroffenen Regionen klagt über verschmutztes Wasser, zerstörte
Landschaften. Beim Nickelabbau etwa in Indonesien und auf den Philippinen
wird saures Grubenwasser freigesetzt, das in Böden, Flüsse und Grundwasser
gelangt.
## Die Lebensdauer
Wasser ist auch ein kritischer Faktor für die Tesla-Fabrik in Brandenburg.
Kritiker:innen fürchten, dass die Produktion zu Wasserknappheit in der
Region führen kann – auch der Zuzug von Tausenden Beschäftigten könnte das
bewirken. Tesla hat im Laufe der Planung die ursprünglich beantragte Menge
um 30 Prozent heruntergesetzt und geht derzeit von jährlich benötigten 1,4
Millionen Kubikmetern aus. Nach Angaben der Landesregierung soll das früher
vorgesehene gasbetriebene Zentralheizungssystem der Fabrik durch die
Einführung von Wärmepumpen sowie Wasserkühler durch Luftkühler ersetzt
werden. Dadurch sollen der Energieverbrauch und die Emissionen insgesamt
sinken.
Das große Plus in der Ökobilanz von E-Fahrzeugen ist ihre Lebensdauer. Die
ist sehr viel länger als die eines konventionellen Pkw. Herkömmliche
Fahrzeuge sind auf maximal rund 250.000 Kilometer ausgelegt. „Damit ist ein
E-Auto gerade mal eingefahren“, sagt der Autoexperte Hans Lawitzke, der den
europäischen Betriebsrat von Ford in Strategiefragen berät. Ein Elektroauto
kann mehr als eine Million Kilometer laufen. Dass herkömmliche Motoren eine
längere Laufleistung erreichen, ist derzeit nicht möglich – wegen des hohen
Verschleißes durch die andauernden Mini-Explosionen in ihrem Inneren. Hinzu
kommt: Die meisten Verschleißteile wie Keilriemen, Ölfilter oder
Zündkerzen, die Verbrennerautos brauchen, haben E-Autos nicht.
Die Umstellung auf E-Autos hat auch Auswirkungen auf Arbeitsplätze. Für die
Produktion werden rund ein Drittel weniger Beschäftigte gebraucht als für
herkömmliche Fahrzeuge. Bei Tesla in Brandenburg sollen jedoch bis zu
12.000 neue Arbeitsplätze entstehen – während in der deutschen Autobranche
im großen Stil Stellen abgebaut werden.
Auch Teslas deutsche Konkurrenz setzt, wenn auch mit erheblicher
Verzögerung, auf E-Autos. [4][Im VW-Werk Zwickau] werden seit Ende Juni nur
noch E-Autos hergestellt. Dort arbeiten heute so viele Beschäftigte wie
früher, als dort nur Verbrenner hergestellt wurden. Das ist möglich, weil
dort jetzt sehr viel mehr Autos hergestellt werden. Die Strategie, den
Bedarf an weniger Beschäftigten durch eine Steigerung der Produktionszahlen
auszugleichen, funktioniert aber nur sehr eingeschränkt. Denn der weltweite
Bedarf an Autos wird sich nicht im gleichen Maße steigern lassen.
„International ist dafür gar nicht genügend Kaufkraft vorhanden“, sagt
Lawitzke.
## Die Ladeinfrastrukur
Die Reichweiten von E-Autos werden derweil immer größer, neue Modelle
kommen auf 500 Kilometer. In Deutschland gibt es für derzeit knapp über
180.000 reine E-Autos mehr als 21.000 öffentlich zugängliche Ladesäulen.
Künftig sollen Tankstellen mindestens eine Ladesäule vorhalten müssen.
Das Aufladen dauert allerdings weitaus länger als das Tanken. An
Haushaltssteckdosen braucht die Batterien mehr als zwölf Stunden, an einer
Schnellladestation möglicherweise nur eine halbe Stunde. Das Fehlen einer
flächendeckenden Infrastruktur für das Aufladen von Batterien gilt als
eines der großen Hindernisse, die Bürger:innen vom Kauf eines E-Autos
abhalten. Dieses Argument lässt Verkehrsexperte Müller-Görnert vom VCD
nicht gelten. „Nur 10 Prozent aller Fahrten sind länger als 100 Kilometer“,
sagt er. Die meisten Fahrer:innen können zwei bis drei Tage fahren, ohne
die Batterien laden zu müssen. Und das passiert dann idealerweise am
Arbeits- oder Wohnort, nicht an einer Ladesäule unterwegs.
Die Bundesregierung will die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte
bis zum Jahr 2030 Zug um Zug auf eine Million erhöhen. Dann soll es nach
dem Willen der Bundesregierung in Deutschland 10 Millionen zugelassene
E-Fahrzeuge geben. So viele Ladesäulen seien gar nicht nötig, sagt
Müller-Görnert. Ein Drittel der geplanten Menge würde reichen. „Die
Ladeinfrastruktur muss verbessert werden, aber gezielt“, sagt er.
## Der Preis
Bis zum Jahr 2030 wird sich der Markt zugunsten der E-Mobilität längst
gedreht haben, ist Autoexperte Lawitzke überzeugt. „E-Autos werden den
Markt von oben aufrollen“, sagt er. Denn die Batterien für E-Autos werden
sehr schnell viel leistungsfähiger und damit auch viel billiger, als sie
heute sind.
Tesla ist hier im Vorteil. Das Unternehmen will in Brandenburg auch die
Batterien selbst herstellen. Ohnehin produziert Tesla fast alles selbst und
ist kaum auf Zulieferer angewiesen. „Das ermöglicht eine gute
Qualitätskontrolle“, sagt Lawitzke. Und eine größere Unabhängigkeit, die
sich über kurz oder lang auch im Preis niederschlägt: VW, Mercedes, BMW und
Co haben in den vergangenen Jahren so viel ausgelagert wie möglich, um
Kosten zu senken. Das rächt sich jetzt.
Der Umbau der Branche führt dazu, dass manche Zulieferer bereits aus der
Fertigung bestimmter Produkte aussteigen, etwa von Teilen für
Dieselmotoren. Verbleibende Hersteller haben so mehr Marktmacht und können
die Preise erhöhen – das macht konventionelle Autos teurer.
„Elektrofahrzeuge werden sich in wenigen Jahren aus ökonomischen Gründen
durchsetzen und Verbrenner verdrängen“, ist Lawitzke überzeugt.
Das legen auch die Prognosen von Bloomberg New Energy Finance (Bnef) nahe.
Dem Tochterunternehmen der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge kosten
Elektroautos schon im Jahr 2022 nur noch so viel wie gleichwertige Autos
mit Verbrennungsmotor. Das gilt zuerst nur für Oberklassewagen in der EU,
Bnef erwartet aber, dass kleinere Autos und andere Länder schnell
nachziehen.
## Die Verkehrswende
Ob E-Autos dann Teil ökologischer und gesellschaftlicher Lösungen oder
Probleme sind, wird auch von der Verkehrswende abhängen. Den heutigen
Bestand von mehr als 47 Millionen Pkws in Deutschland eins zu eins durch
E-Fahrzeuge zu ersetzen, sollte keine Option sein, betont Müller-Görnert
vom VCD. Es müsse darum gehen, den Straßenraum neu zu verteilen, etwa
zugunsten autofreier Innenstädte. „Wir müssen den Autobestand verringern
und andere Formen von Mobilität voranbringen, bei denen Menschen nicht auf
ein eigenes Auto angewiesen sind“, sagt Müller-Görnert. Das neue Tesla-Werk
begrüßt er trotzdem, als Schub für die Elektromobilität.
Marie Klee von [5][„Sand in Getriebe“] sieht das anders. Die Gruppe
blockiert im Namen der Klimagerechtigkeit immer wieder fossile
Infrastruktur, vor allem im Verkehrsbereich. „Unser aktuelles
Mobilitätssystem ist auch im Tesla Model Y nur auf Kosten von Natur und
Gesellschaft andernorts möglich“, kritisiert die Aktivistin. „Statt einer
reinen Antriebswende brauchen wir eine radikale Transformation des
Mobilitätssystems: weg vom autofixierten Individualverkehr, hin zu kurzen
Wegen und nachhaltigem öffentlichen Verkehr.“ Die Autoindustrie müsse sich
umstellen auf die Produktion von Straßenbahnen, Elektrobussen und
-lieferwagen. Klee geht es auch darum, dass Tesla in Brandenburg nicht
irgendwelche Autos baut. Ein Tesla-SUV verbraucht mehr Energie als ein
Kleinwagen, das ist bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen nicht anders als
bei Verbrennern. Klee sagt: „Ein E-Motor ist keine Rechtfertigung dafür,
schwere Prestigekarren zu bauen.“
Genau damit will Elon Musk im brandenburgischen Grünheide jedoch möglichst
schnell beginnen. Die Umrisse seiner Fabrik sind bereits gut erkennbar –
obwohl das Genehmigungsverfahren [6][noch nicht abgeschlossen] ist. Im
September soll die gesetzlich vorgeschriebene Bürger:innenanhörung zu dem
Fabrikbau stattfinden. Bekommt Tesla doch keine Erlaubnis für die Fabrik,
muss die Firma den Rückbau auf eigene Kosten vornehmen.
Doch damit rechnet niemand. Die im Rekordtempo hochgezogene Fabrik ist ein
Gegenentwurf zur nah gelegenen Ewigkeitsbaustelle Flughafen
Berlin-Brandenburg. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium
Thomas Bareiß findet das Tesla-Projekt deshalb vorbildlich – nicht nur weil
es den deutschen Automarkt aufmischen dürfte, sondern auch, weil es
Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen in Deutschland „revolutionieren“
könnte.
23 Aug 2020
## LINKS
[1] /Tesla-und-die-Megafabrik-und-Corona/!5669156&s=Gr%C3%BCnheide/
[2] https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/kiel-policy-briefs/2020/elektromob…
[3] https://www.agora-verkehrswende.de/
[4] /Volkswagen-startet-Produktion/!5679707&s=Zwickau/
[5] https://sand-im-getriebe.mobi/
[6] /Tesla-baut-schon--ohne-Baugenehmigung/!5695222&s=Gr%C3%BCnheide/
## AUTOREN
Anja Krüger
Susanne Schwarz
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