| # taz.de -- Tesla-Fabrik in Brandenburg: Mit Worten gegen das Ufo | |
| > Mehr als 400 Einwendungen sind gegen den Bau der Tesla-Fabrik in | |
| > Grünheide eingegangen. Seit Mittwoch werden sie in der Stadthalle Erkner | |
| > diskutiert. | |
| Bild: Warten auf Einlass: Tesla-Kritiker am Mittwoch vor der Stadthalle Erkner | |
| Erkner/Berlin taz | Vor dem Eingang der Stadthalle in Erker hat sich | |
| zwischen Würstchen- und Kaffeestand eine lange Schlange gebildet. Etwa 110 | |
| Menschen sind an diesem Mittwochmorgen in die Gemeinde am Stadtrand Berlins | |
| gekommen, alle sind sie Gegner der Tesla Gigafactory [1][im nahen | |
| Grünheide.] In der Halle sollen in den folgenden drei Tagen ihre | |
| Einwendungen gegen den in Rekordzeit zu errichtenden Bau diskutiert werden; | |
| dieser Erörterungstermin ist Teil des sogenannten | |
| Planfeststellungsverfahrens. | |
| Die Stimmung ist maximal hitzig. Die meisten, die hier in der Schlange auf | |
| ihren Einlass warten und zu sprechen bereit sind, regen sich zunächst | |
| einmal darüber auf, dass die Erörterung wegen der Coronapandemie unter | |
| Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet – nur die Presse darf in einem | |
| Zelt nebenan die Diskussion verfolgen. Viele fühlen sich außerdem | |
| verschaukelt, weil es Vorabgenehmigungen für den Tesla-Bau gab; | |
| schließlich, so die Begründung der Behörden in Brandenburg, sei die die | |
| endgültige Genehmigung noch in diesem Winter sehr wahrscheinlich. | |
| Die Folge: Der Baufortschritt in Grünheide [2][kommt sichtbar gut voran]. | |
| Viele Bäume wurden gerodet, erste Betonklötze stehen schon da und stellen | |
| die Sinnhaftigkeit einer Bürgerbefragung zu diesem Zeitpunkt wie diese | |
| schwer in Frage. | |
| Das Thema, gegen das die meisten hier ganz offiziell einen Einwand erhoben | |
| haben, ist ganz klar das Wasser. Auch, wenn am Dienstag dieser Woche der | |
| Wasserverband Strausberg-Erkner, der sich zunächst kritisch gezeigt hatte, | |
| dem Erschließungsvertrag für das Tesla-Gelände zugestimmt hat: Etwa zwei | |
| Drittel des von Tesla erworbenen Grundstücks liegen in einem so genannten | |
| Trinkwasserschutzgebiet, wie viele Menschen in der Schlage unermüdlich | |
| betonen. Die Fabrik allein wird etwa so viel Wasser verbrauchen wie eine | |
| 40.000-Einwohner-Stadt. | |
| Es ist nur einer von vielen Superlativen hier im märkischen Sand kurz vor | |
| den Toren Berlins. Erst Ende vergangenen Jahres war überhaupt bekannt | |
| geworden, dass der exzentrische amerikanische Autobauer in Brandenburg | |
| investieren will, und bereits ab Sommer kommenden Jahres sollen dort | |
| 500.000 der meist recht groß dimensionierten Elektroautos vom Band laufen. | |
| Gebaut werden sie von bis zu 12.000 Personen – wohlgemerkt in der ersten | |
| von drei weiteren Ausbaustufen, über die bislang wenig bekannt ist und die | |
| dann auch noch einmal neu genehmigt werden müssen. | |
| Nicht alle der Tesla-MitarbeiterInnen werden nach Berlin oder Polen | |
| pendeln: Es werden sich Menschen rund um Grünheide ansiedeln, Häuser, | |
| Kitas, Schulen und Straßen gebaut und Flächen versiegelt werden. Die | |
| drohenden Veränderungen sind – bisweilen beängstigend – groß. | |
| ## Mehr Bäume bedroht als bisher geplant | |
| Dazu kommt: Eigentlich sollten die Einwände der BürgerInnen schon im | |
| Frühjahr gehört und besprochen werden. Doch dann kam Corona. Im Juli legte | |
| Tesla einen neuen Antrag mit leichten Änderungen vor, die vor allem das | |
| Design der Fabrik und neue Pfahlgründungen wegen des Sandbodens betrafen. | |
| Außerdem sollten nun insgesamt 190 Hektar Wald gefällt werden, 40 Hektar | |
| mehr als geplant. Bis 3. September wurden weitere Einwendungen gemacht, und | |
| nun hat das Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) von den insgesamt 406 | |
| Einwendungen all jene ausgewählt, die, so Anhörungsleiter Ulrich Stock vom | |
| LfU, „für den Antragsgegenstand von Bedeutung sind“. | |
| Endlich, gegen 11 Uhr, beginnt die Erörterung – nur um nach einer Stunde | |
| auch schon wieder unterbrochen zu werden. Der Vizechef der Naturfreunde | |
| Berlin, Uwe Hiksch, fordert die Ablösung von Versammlungsleiter Stock. | |
| Dieser habe den Medien bereits gesagt, wie das Ergebnis der Erörterung sein | |
| werde. Außerdem, so andere Tesla-Kritiker, werde das Protokoll von einer | |
| Firma angefertigt, die von Tesla und nicht etwa vom Land beauftragt wurde. | |
| Nach etwa 20 Minuten weist Stock den Befangenheitsantrag ab, die | |
| MitarbeiterInnen des LfU würden zudem die Tonaufnahmen mit dem Protokoll | |
| abgleichen. | |
| Wieder kommen Einwände zum Verfahren selbst, es geht auf Mittag zu, und | |
| Stock merkt an, die Stadthalle sei nur für drei Tage reserviert. Die | |
| längste Erörterung, die er miterlebt habe, sei die um den Bau der | |
| Schweinemastanlage in Haßleben gewesen, die am Ende nicht genehmigt wurde. | |
| Damals dauerte die Erörterung elf Tage. | |
| Nach der Mittagspause und der Abweisung eines weiteren | |
| Befangenheitsantrages geht es endlich zur Sache. Tesla-Teammitglied | |
| Alexander Riederer setzt erst einmal einen kurzen Werbeblock zur Schönheit | |
| der zukünftigen Fabrik und Überarbeitung des Kühlungssystem ab. Letztere | |
| führe dazu, dass 30 Prozent weniger Wasser verbraucht werde als anfangs | |
| gedacht. Dann steht er mehr schlecht als recht Rede und Antwort. | |
| Anders als im ersten Antrag aufgeführt, sei keine Batteriefertigung | |
| vorgesehen und auch keine Fertigung von Kunststoffteilen. Tiefbrunnen | |
| werden gebohrt, eine Teststrecke unter freiem Himmel, um „Quietsch- und | |
| Klappergeräusche“ ausfindig zu machen, sei leider unabdingbar – allerdings | |
| gehe von dieser kein Lärm für die AnwohnerInnen aus. | |
| Leider kann Riederer weder wirklich viel über die Emissionen in der | |
| Lackiererei sagen noch über die von Tesla-Chef Elon Musk angekündigten | |
| Rave-Keller auf dem Gelände. Immer wieder reagieren die Tesla-Kritiker | |
| reichlich empört über die Art und Weise, in welcher Art und Weise Riederer | |
| über ihre Fragen hinweg geht. | |
| Kurz vor Redaktionsschluss wird die Erörterung dann noch einmal | |
| unterbrochen: wegen eines weiteren Befangenheitsantrags. Und es ist | |
| ziemlich klar: Die beiden weiteren Tage zur Erörterung dürfte es brauchen, | |
| vielleicht auch noch mehr. Denn nach wie vor wirkt Tesla wie ein Ufo, das | |
| da in Brandenburg landen will. Der Clash der Kulturen, der daraus | |
| resultiert, hat gerade erst begonnen. | |
| 23 Sep 2020 | |
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| [1] /Tesla-und-die-Megafabrik-und-Corona/!5669156 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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