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# taz.de -- Ende der Tesla-Erörterung: „Das gehört nicht hierher“
> Hunderte Einwendungen gab es gegen Tesla Grünheide: Aus geplanten drei
> Tagen Erörterung wurden acht. Jetzt will das Land „seine Hausaufgaben
> machen“.
Bild: Schauplatz des achttägigen Showdowns: die Stadthalle Erkner
Erkner/Grünheide taz | Die Schlingnatter ist ein scheues Reptil, sonnt sich
am liebsten ungestört und gilt als gefährdet: Am achten Erörterungstag im
Genehmigungsverfahren für die Tesla-Autofabrik in Grünheide warfen
BürgerInnen Fragen auf, ob wirklich alles unternommen worden sei, um die im
Rodungsgebiet lebenden Individuen von Schlingnatter und Zauneidechse zu
dokumentieren und anschließend umzusiedeln, wie es das
Bundesnaturschutzgesetz vorschreibt.
„Schlingnattern haben nur alle zwei Jahre Nachwuchs“, erläuterte eine der
rund 30 EinwenderInnen, die nach einer Woche noch in die Stadthalle Erkner
gekommen waren. Bei der Kartierung habe man nur den Waldrand unter die Lupe
genommen, die Art habe aber einen viel größeren Aktionsradius. Man hätte
also fast flächendeckend Fallen aufstellen müssen, um die Tiere dann
anderswo auszusetzen. Das sei nicht geschehen. Nicht nur in diesem Fall
widersprachen die VertreterInnen des Brandenburger Landesamts für Umwelt
(LfU) der Einwendung auf fachlicher Ebene, nahmen den entsprechenden
Prüfantrag aber auf.
Deutlich wurde bei dieser Teildebatte, dass sich die Kritik von
Bürgerinitiativen und einzelnen AnwohnerInnen oft in einen Bereich
hineinbewegte, für den andere Behörden zuständig sind, wie
Versammlungsleiter André Zschiegner vom LfU immer wieder betonte: die –
korrekte oder regelverletzende – Umsetzung der bereits zugelassenen
Baumaßnahmen. Etwa dass ein Schuttberg auf dem Gelände, optimales Habitat
für Reptilien, mutmaßlich vorschnell abgeräumt wurde. „Wenn Sie meinen, da
liegt ein Fehlverhalten des Investors vor, müssen Sie eine
Ordnungswidrigkeitsanzeige machen. In den Rahmen des Genehmigungsverfahrens
gehört das nicht“, beschied Ziegner.
## „Wichtige Hinweise“
414 Einwendungen standen zur Erörterung, und dass die Veranstaltung, die
ursprünglich drei Tage dauern sollte, am Freitag enden würde, danach sah es
angesichts der hitzig geführten Dialoge am Vormittag nicht aus. Und doch:
Am Abend konnte Frauke Zelt, Sprecherin des Ministeriums für
Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, dies verkünden. Insbesondere die
Themen Wasserversorgung, Teil-Lage im Wasserschutzgebiet, Artenschutz,
Waldumwandlung und verkehrliche Erschließung seien „ausführlich und zum
Teil emotional diskutiert“ worden, so Zelt. Das LfU als Genehmigungsbehörde
habe „wichtige Hinweise“ zu den Einwendungen gewonnen, es werde nun alle
„unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse abschließend prüfen“ und dann
über Teslas Antrag entscheiden.
Zur Erinnerung: Es geht um die Genehmigung des Baus einer SUV-Fabrik im
Berliner Speckgürtel, aus der nach dem Willen des US-Unternehmens Tesla ab
1. Juli 2021 die ersten von jährlich 500.000 Exemplaren des „Model Y“
rollen sollen. Von bis zu 6.000 Arbeitsplätzen ist die Rede, was von Anfang
an die Augen der politisch Verantwortlichen zum Leuchten brachte.
Fördermillionen wurden in Aussicht gestellt. Auch den Bau von Batterien in
Brandenburg hat Tesla-Chef Elon Musk bereits angekündigt.
Viele BürgerInnen, die sich zum Teil in Initiativen wie „Grünheide gegen
Gigafactory – GGG“ zusammengeschlossen haben, teilen die
Ansiedlungseuphorie nicht. Neben den Verlusten bei Tierarten, belästigenden
oder gesundheitsgefährdenden Emissionen von Lärm und Lösungsmitteln oder
einem drohenden Verkehrskollaps fürchten sie vor allem um Qualität und
verfügbare Menge des im Landkreis geförderten Trinkwassers. Immerhin will
Tesla im Jahr ganze 1,4 Millionen Kubikmeter verbrauchen, laut einem
früheren Antrag sollten es sogar 3,3 Millionen Kubikmeter sein.
Die Bürgerinitiative warnt aber auch davor, dass die durch das riesige Werk
entstehende Bodenversiegelung die Schichtung des Grundwassers negativ
beeinflussen könnte. Schlimmstenfalls drohe die Versalzung. Auf der
Erörterung wurde ausgiebig über dieses Thema gestritten, ein aus Sicht der
EinwenderInnen paradoxes Signal war aber ausgerechnet am Vorabend des
Auftakttermins vom Wasserverband Strausberg-Erkner gekommen – der gab
grünes Licht für Teslas Antrag auf Entnahme der 1,4 Millionen Kubikmeter.
Derweil wächst in Grünheide schon die „Giga-Fabrik“ aus dem Sand, dank
mittlerweile schon fünf „Zulassungen vorzeitigen Maßnahmenbeginns“, die d…
LfU erteilt hat, weil es die Genehmigung ohnehin für aussichtsreich hält.
Nun soll das Amt die Einwendungen gründlich prüfen. „Jede Menge
Hausaufgaben“ habe man mitbekommen, sagte LfU-Mann Zschiegner zum Schluss.
Seine Behörde könnte sich Monate Zeit dafür lassen, was aber
unwahrscheinlich ist. Einerseits ließ der erste – nach einigen Tagen
ausgetauschte – Versammlungsleiter, Ulrich Stock, gleich zu Beginn
durchblicken, die Chancen für das Verfahren stünden sehr gut. Andererseits
würde eine Verzögerung bedeuten, dass die Fabrik zum Zeitpunkt der
Genehmigung praktisch fertig ist. Denn Tesla baut unter Verwendung
vorgefertigter Betonteile rasend schnell, eine sechste vorzeitige Zulassung
ist schon auf dem Weg.
## Schwer zu reagieren
Für den Anwalt Thorsten Deppner, der die an der Erörterung beteiligten
Naturschutzverbände vertrat, stand das gesamte bisherige
Genehmigungsverfahren unter dem bedenklichen Motto „Beschleunigung über
alles“. Tesla habe eine Art „rollende Planung“ betrieben, immer wieder
Unterlagen unvollständig vorgelegt oder noch einmal überarbeitet. „Das
macht es uns schwer, angemessen darauf zu reagieren.“ Änderungen im
laufenden Verfahren seien „normal, aber nicht in diesem Ausmaß“. Das LfU
habe zudem die nötige Transparenz vermissen lassen. Im Auftrag der Verbände
hat Deppner darum einen Antrag auf Wiederholung des Erörterungstermins
gestellt.
Nadine Rothmaier vom Nabiu-Kreisverband Fürstenwalde bemängelte, der
US-Investor habe es immer wieder vermieden, einen Ausblick in die Zukunft
zu geben, sprich: die geplanten Ausbaustufen. „Wir sind hier dörflich
geprägt und mit einer riesigen Ansiedlung konfrontiert, die Politik und
Tesla geben uns da keine Antworten.“
Anwohner und Initiativmitglied Steffen Schorcht bewertete es positiv, dass
viele Menschen auf der Erörterung „zum ersten Mal überhaupt Gelegenheit
hatten, Tesla anzusprechen“. Er stellte das Genehmigungsverfahren in einen
Zusammenhang mit dem Einheitsjubiläum: „Dass eine solche Fabrik in einem
westdeutschen Bundesland so durchgedrückt worden wäre, kann ich mir nicht
vorstellen.“
4 Oct 2020
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Tesla
Grünheide
Naturschutz
Brandenburg
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