| # taz.de -- Tesla und die AfD: Populisten in die Produktion | |
| > Bis zu 10.000 Arbeitsplätze will Tesla in Grünheide schaffen. Was würde | |
| > das für die Region bedeuten? Den Anfang vom Ende der AfD? | |
| Bild: Das gerodete Teslagelände bei Grünheide | |
| Es kommt nicht oft vor, dass ein AfD-Frontmann als Umweltschützer auftritt. | |
| In Grünheide, wo südöstlich von Berlin im kommenden Jahr die ersten Tesla | |
| E-Autos vom Band rollen sollen, versuchen aber auch Rechtspopulisten, mit | |
| Umweltthemen zu punkten. „Tesla gräbt uns das Wasser ab“, hieß es auf ein… | |
| Demo-Plakat, das Christoph Berndt, AfD-Landtagsabgeordneter und Chef der | |
| rechten Cottbusser Bürgerinitiative „Zukunft Heimat“, Anfang des Jahres | |
| twitterte. Berndt selbst kommentierte den Protest mit den Worten: „Ich kann | |
| die Skepsis gegen das Projekt ‚Gigafactory Berlin‘ sehr gut | |
| nachvollziehen.“ | |
| Die Demonstration gegen die Rodung des Kiefernforstes, an der Christoph | |
| Berndt twitternd dabei war, fand am 18. Januar statt. Kurz darauf erklärte | |
| der Organisator des Anti-Tesla-Protests, Steffen Schorcht, dass man zwar | |
| gegen das Tesla-Werk, aber auch gegen die AfD sei. Die Demonstrationen | |
| wurden ausgesetzt. „Ein harter Schlag für die Partei“, kommentierte der | |
| Leiter des RBB-Studios in Frankfurt (Oder), Andreas Oppermann. „Damit ist | |
| es ihr nicht gelungen, gesellschaftlichen Protest zu vereinnahmen.“ | |
| Doch die AfD hat das Thema Tesla nicht aufgegeben. Als einzige Partei im | |
| Brandenburger Landtag wehrt sie sich gegen die Ansiedlung des | |
| Elektroautobauers, der auf dem Gelände zwischen Fangschleuse und dem | |
| Güterverteilzentrum Freienbrink bis zu 10.000 Arbeitsplätze schaffen will. | |
| Allerdings sind die Argumente teilweise abstrus. Mit der Fabrik würde | |
| Kinderarbeit im Kongo unterstützt, hieß es von einem AfDler bei einer | |
| Fragestunde im Landkreis Oder-Spree. | |
| ## Schlimmer als Dieselautos | |
| Berlins AfD-Chef Georg Pazderski behauptete, Elektroautos seien „größere | |
| Klimasünder als Dieselautos“, und der verkehrspolitische Sprecher der | |
| Partei im Bundestag, Dirk Spaniel, meint: „Die mögliche Hybris schillernder | |
| Unternehmer sollte nicht mit Steuergeld befeuert werden.“ | |
| Ende Januar meldete sich schließlich auch der brandenburgische | |
| AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz zu Wort und warnte vor einem | |
| „Tesla-Hype“. Die Ansiedlungspolitik für Großprojekte sei bisher | |
| gescheitert, sagte er und nannte als Beispiele die Chipfabrik in Frankfurt | |
| (Oder) und den Cargolifter. | |
| Was aber, wenn Tesla ein Erfolg wird? Wenn das Unternehmen von Elon Musk, | |
| trotz des gegenwärtigen Produktionsstopps in Kalifornien, halbwegs durch | |
| die Coronakrise kommt und der Region im Osten Brandenburgs tatsächlich | |
| einen Aufschwung bringt? Bedeutet das dann auch ein Scheitern der AfD, die | |
| im Landkreis Oder-Spree bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 18,4 Prozent | |
| geholt hat? | |
| Dem Rechtsextremismusforscher Gideon Botsch sind bei den AfD-Positionen zu | |
| Tesla zwei Grundmuster aufgefallen. „Einmal geht es darum, Stimmung gegen | |
| Zuzug zu machen, wie es auch Christoph Berndt mit seiner Bürgerinitiative | |
| in Cottbus immer wieder versucht“, sagt Botsch, der am Moses Mendelssohn | |
| Zentrum der Universität Potsdam forscht. | |
| Zum anderen seien die Gegnerschaft gegen Elektroautos und das Festhalten an | |
| der heimischen Autoindustrie ein Beispiel dafür, dass man eine | |
| rückwärtsgewandte, ländliche Idylle propagiere. „Der AfD geht es gar nicht | |
| darum, in der Region ein Zukunftsthema stark zu machen“, betont Botsch. Das | |
| sehe man auch in der Lausitz, wo es kaum Konzepte der Partei für den | |
| Strukturwandel gebe. „Manchmal denke ich, die wollen im Grunde abgehängt | |
| bleiben.“ | |
| Um Arbeitsplätze geht es der Partei jedenfalls nicht in Sachen Tesla, hat | |
| Botsch beobachtet. „Das entspricht auch nicht den Motiven ihrer Wähler.“ | |
| Die seien nicht unbedingt arbeitslos, sondern oft Handwerker. | |
| Botschs Fazit: „Die AfD ist in diesen Fragen nur ein meckernder alter Mann, | |
| der am Rand steht und rummosert, aber keine eigenen Gegenkonzepte vorweisen | |
| kann“, meint Botsch. „Zu ihrem Aufregerthema kann sie das nicht machen, | |
| aber ich sehe keinen Grund, warum es ihr schaden sollte.“ | |
| Das sieht Timm Beichelt etwas anders. „Was die Auswirkungen von Tesla | |
| angeht, muss man bei den verschiedenen Wählergruppen der AfD | |
| differenzieren“, sagt Beichelt, Professor für Europa-Studien an der | |
| Viadrina in Frankfurt (Oder). „Während sich der harte Kern der | |
| fremdenfeindlichen AfD-Wähler vielleicht bestärkt sieht, gewinnen | |
| Protestwähler und ehemalige Industriearbeiter dem möglicherweise auch etwas | |
| Gutes ab.“ Beichelt will deshalb nicht ausschließen, dass Tesla „einen Keil | |
| in die AfD treiben könnte“. | |
| Allerdings würden die Auswirkungen des E-Autowerks nicht bis an die | |
| Peripherie, etwa bis nach Eisenhüttenstadt, reichen. „Das stärkt eher | |
| Berlin und den Speckgürtel, zu dem dann neben Erkner auch Fürstenwalde | |
| gehören dürfte“, sagt Beichelt. Dort erwartet er einen erheblichen Zuzug, | |
| zum Beispiel auch von Facharbeitern, die gerade in der westdeutschen | |
| Automobilbranche ihren Job verlieren. | |
| Doch dieser Zuzug muss nicht unbedingt Abwehrreaktionen in der Region | |
| hervorrufen, sondern kann auch die Stimmung verändern. „Wenn in manchen | |
| Dörfern wieder der Bus fährt, ein Dorfladen aufmacht und der Schützenverein | |
| neue Mitglieder bekommt“, sagt Beichelt, „kann es sein, dass sich | |
| Protestwähler umorientieren.“ | |
| 24 Mar 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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