# taz.de -- Synagogen-Neubau in Hamburg: Mut zur Lücke | |
> Die Machbarkeitsstudie zum Synagogen-Neubau in Hamburger Grindelviertel | |
> liegt vor. Nun soll ein Wettbewerb klären, wie das Gebäude aussehen wird. | |
Bild: Mahnwache auf dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz in Hamburg am 9. Novemb… | |
HAMBURG taz | Solche Termine nimmt Peter Tschentscher derzeit wohl | |
besonders gerne wahr: Als Hamburgs Erster Bürgermeister am Dienstag vor die | |
Presse trat, waren weder die Lasten [1][heizender oder Strom | |
verbrauchender] Landeskinder zu mildern, noch wollte ihn irgendwer nach den | |
[2][lästigen Cum-Ex-Steuermilliarden] befragen. | |
Trotzdem ging es um Geld, unter anderem wenigstens: Kosten wird es die | |
Stadt ja schon etwas, wenn gleich neben dem Universitätscampus [3][wieder | |
eine Synagoge errichtet wird]. Auf dem Weg dorthin war die [4][nun | |
vorgestellte Machbarkeitsstudie] eine wichtige Etappe. Ihre Quintessenz: | |
Die Synagoge soll kommen und das dorthin, wo von 1906 bis 1939 | |
Norddeutschlands größte stand; gestalterisch soll sie sich an der damaligen | |
orientieren – aber keine Rekonstruktion werden. | |
Gerade um diese gestalterische Frage hatte es durchaus Dissens gegeben: Zu | |
viel Nostalgie sahen manche Kritiker*innen als untauglichen Versuch, | |
eine Kontinuität gerade da zu behaupten, wo das Menschheitsverbrechen | |
Schoah sie verunmögliche. Die Jüdische Gemeinde verbat sich wiederholt, in | |
der Sache reingeredet zu bekommen – teils auch noch von Außenstehenden. | |
Umstritten sei da gar nichts innerhalb der Gemeinde, das zu betonen war | |
ihrem Ersten Vorsitzenden, Philipp Stricharz, nun erkennbar wichtig. So zu | |
tun, als wäre nichts gewesen, das wäre das falsche Signal, sagte wiederum | |
der Architekt Wolfgang Lorch, dessen Büro die Studie erstellt hat. | |
Ganz gleich, wie es am Ende aussehen könnte: Bis dieses erklärte Zeichen | |
lebendigen Judentums wirklich steht, wird es noch dauern: Hamburgs | |
Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sprach am Dienstag davon, dass ein nun | |
anzuschiebender Architekturwettbewerb im Herbst kommenden Jahres zum | |
Abschluss gebracht werden könnte – ein reichlich optimistisches Szenario. | |
## Breites politisches Bündnis | |
Zur Rückkehr jüdischen Lebens ins Hamburger Grindelviertel bekannt hatte | |
sich ein ungewöhnlich breites politisches Bündnis [5][schon Anfang 2020]: | |
Damals beauftragten alle Bürgerschaftsfraktionen – außer jener der AfD – | |
den Senat damit, die Jüdische Gemeinde „nach Kräften zu unterstützen“. D… | |
wiederum hatte wiederholt den Wunsch geäußert, die alte Wunde am früheren | |
Bornplatz zu schließen. | |
Dass die Unterstützung durch die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft sich | |
nicht in Lippenbekenntnissen erschöpfte, war wiederum auch eine Reaktion | |
auf den [6][antisemitischen Terroranschlag in Halle] im Oktober 2019. | |
Inzwischen gibt es seitens des Bundes eine Zusage über 65 Millionen Euro | |
für den Bau; dass die Stadt ebenso viel beisteuern werde, galt immer als | |
ausgemacht. Jetzt sagte Tschentscher, mit der neuen Studie im Rücken | |
könnten die tatsächlich erforderlichen Mittel ja überhaupt erst ermittelt | |
werden: Wie teuer das Projekt am Ende werden könnte, ist also nicht klar. | |
Gleichwohl konnte der Gemeindevorsitzende jetzt von einem „realistischen, | |
zeitnah umzusetzenden Vorhaben“ sprechen. In der Anmutung also angelehnt an | |
die alte Synagoge, soll die neue nicht wieder deren bis zu 1.400 Gläubigen | |
Platz bieten; die Rede ist von rund 600 Plätzen, was den heutigen Bedarf | |
übersteigt: Stricharz äußerte sachten Optimismus, dass so „ein attraktives | |
Gebäude am attraktiven Ort“ dazu führen könnte, dass mehr jüdische Mensch… | |
in der Gemeinde aktiv werden. | |
Genau genommen sollen sogar zwei Synagogen entstehen: neben der prominenten | |
orthodoxen auch eine für den liberalen beziehungsweise Reformflügel der | |
Hamburger Einheitsgemeinde; zu unterscheiden ist der von der ebenfalls | |
existierenden Liberalen Jüdischen Gemeinde. Die war nun auch nicht zum | |
Pressetermin geladen. | |
## Öffnung und Offenheit | |
Am heutigen Joseph-Carlebach-Platz, wo bereits eine jüdische Schule und | |
Kita stehen, sollen auch eine Bibliothek und Tagungsräume eine Heimat | |
finden, zudem einige Wohnungen, etwa für den heutigen Rabbiner Shlomo | |
Bistritzky. Ein Café werde sich zur Stadt hin öffnen. | |
Stricharz versprach eine Offenheit, wie sie für jüdische Gemeinden | |
hierzulande nicht selbstverständlich ist. Anders als derzeit um die | |
erwähnte Schule herum – oder die bestehende, geradezu diskret gelegene | |
Synagoge aus den 1960er-Jahren –, sollen auf dem Bornplatz keine Zäune oder | |
Mauern zu sehen sein, dafür ein modernes Sicherheitskonzept zur Anwendung | |
kommen. Aber auch bis dahin wird es noch dauern. | |
7 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-Chefin-Esken-ueber-Entlastungen/!5863826 | |
[2] /Abgeordneter-ueber-Scholz-und-Cum-Ex/!5871983 | |
[3] /Synagogen-Initative-in-Hamburg/!5637335 | |
[4] https://www.jghh.org/Machbarkeitsstudie-Bornplatzsynagoge | |
[5] /Hamburgs-Parlament-ungewohnt-einig/!5657166 | |
[6] /Halle/!t5013586 | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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