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# taz.de -- Stromversorgung in der Ukraine: Zwischen AKWs und Blackout
> Die Stromversorgung in der Ukraine wird fragiler. Im Winter sind große
> Ausfälle zu erwarten. Umweltschützer fordern einen Strategiewechsel.
Bild: Notbeleuchtung in Kyjiw während eines teilweisen Stromausfalls im Mai 20…
Kyjiw taz | Eines gilt als sicher in der Ukraine: Der nächste Winter wird
schlimmer werden als der vergangene. Hatten im vergangenen Winter die
Heizungen landesweit weitgehend funktioniert, könnte es diesen Winter zu
großflächigen Ausfällen bei der zentralen Versorgung der Wohnungen mit
Heizwasser kommen. Umweltschützer und Energieexperten fordern daher ein
Umdenken der staatlichen Energiepolitik: weg von Großprojekten wie Atom-
und Kohlekraftwerken, hin zu dezentralen Einheiten erneuerbarer
Energiequellen.
Stechender Rauch hing einen ganzen Tag über der ostukrainischen Stadt Kriwi
Rih. Über der Koksfabrik des Unternehmens Arcelor hatte sich eine dicke
Rauchwolke gebildet, Anwohner klagten über einen stechenden Geruch,
Halsbeschwerden und Kopfschmerzen. Ursache des Unfalls war eine wegen
akutem Strommangel erforderliche Schnellabschaltung der
Produktionsmaschinen des Werkes.
Mit derartigen Unfällen wird in der Ukraine in den nächsten Monaten noch
öfter zu rechnen sein. In der Folge der Zerstörung von Einrichtungen der
ukrainischen Energieversorgung durch Russland sitzen schon jetzt die
meisten Bewohner des Landes jeden Tag für mehrere Stunden ohne Strom in
ihren Wohnungen. Doch das Schlimmste kommt noch. Vor dem Krieg standen der
Ukraine 53 Gigawatt Strom zur Verfügung, aktuell sind es nur noch 9,
Tendenz fallend. Dies berichtet der ukrainische Energieexperte Maxim Bevz
im Gespräch mit der taz. Er fürchtet eine humanitäre Katastrophe im
bevorstehenden Winter in der Ukraine.
Mehrstündige Stromausfälle könne man noch ertragen, so der Experte, der als
Projektmanager ein Jahrzehnt in der ukrainischen Gas- und Ölindustrie
beschäftigt war, anschließend in Zusammenarbeit mit der Europäischen Bank
für Wiederaufbau und Entwicklung Projekte betreute und sich in der Ukraine
für den Ausbau der erneuerbaren Energien, eine dezentrale Energieversorgung
und Energieeffizienz einsetzt.
Wenn es an Strom fehle, würden auch die Pumpen nicht bedient, die die
Wohnungen zentral beheizen, so Bevz. Und auch die mit Strom bedienten
Pumpen, die die Wohnungen mit Wasser versorgen, würden in großem Stil
ausfallen. Und das bedeute, dass der Wasserhahn bei den Bewohnern höherer
Stockwerke auf eine Umdrehung nicht reagiere, die Bewohner der oberen
Stockwerke sich also das Wasser in den unteren Stockwerken werden holen
müssen.
## Neue AKWs
Zwar habe die Ukraine auch eigenes Gas. 2.500 Gasbohrstellen pumpen
landeseigenes Gas in die Höhe. Doch es seien komplizierte und
energieintensive Prozesse, die sicherstellten, dass die Gasnetze nur unter
einem entsprechenden Druck funktionierten. Und zur Aufrechterhaltung dieses
Drucks brauche man auch Strom. „Ohne Gas sind wir schnell in einer
humanitären Katastrophe“, so Bevz.
Er kann nicht verstehen, warum die Ukraine jetzt auf [1][neue
Atomkraftwerke] setzt. Diese verschlängen viel Geld und seien erst in
einigen Jahren am Netz. „Doch wir müssen jetzt durch den Winter kommen. Ab
dem 15. Oktober beginnt die Heizperiode. Wir haben nur noch gut drei Monate
Zeit, um uns darauf vorzubereiten.“ so Bevz. Die Ukraine brauche mehr
erneuerbare Energie. Diese sei auch nicht so anfällig auf russische
Luftangriffe.
„Russland hat gar nicht so viele Raketen und Drohnen, wie wir Solarzellen
haben“ argumentiert er. Auch Greenpeace kritisiert die nicht ausreichende
Bereitschaft der ukrainischen Regierung, der erneuerbaren Energie in der
Ukraine zum Durchbruch zu verhelfen. Die Ukraine könnte in den kommenden
drei Jahren fünfmal mehr Solarenergie installieren, als die Regierung im
sogenannten „Ukraine-Plan“ bislang vorsieht.
Zu diesem Ergebnis kommt eine von Greenpeace beauftragte Studie
„Solarenergie-[2][Marshallplan für die Ukraine]“ des
Wirtschaftsberatungsunternehmens „Berlin Economics“. Dieser weitaus
stärkere Ausbau würde helfen, die Energiekrise des Landes zu bewältigen,
und er wäre ökonomisch vorteilhaft.
## Mehr Solarenergie
Die Wissenschaftler:innen von Berlin Economics kommen zu dem Schluss,
dass ein Ausbau der Solarenergie in der Ukraine bis 2027 insgesamt 3,6
Gigawatt neu installierte Leistung liefert, also fünfmal mehr, als der
„Ukraine-Plan“ mit erwarteten 0,7 Gigawatt vorsieht. Bis 2030 könnte die
installierte Leistung bei der Solarenergie sogar auf insgesamt 14 Gigawatt
gegenüber heute (5,6 Gigawatt) anwachsen, so Greenpeace unter Berufung auf
die Studie.
Und in einem weiteren von Greenpeace in Auftrag gegebenen Gutachten kommt
das Institute for Sustainable Futures an der Technischen Universität in
Sydney zu dem Schluss, dass das Land nur ein Hundertstel seiner
Landesfläche nutzen müsste für erneuerbare Energien, um den gesamten
Strombedarf mit Solar- und Windenergie zu decken. Ja, es ließe sich sogar
ein Überschuss erzielen und 20.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
Zum Vergleich: der geplante Bau von vier AKW wird, so der Atomkonzern
Energoatom auf seinem Telegram-Kanal, nur [3][9.000 neue Arbeitsplätze
bringen]. 60-mal höher, als die ukrainische Regierung schätzt, so Andree
Böhling von Greenpeace, sei das Potenzial für Solarenergie in der Ukraine.
Noch überzeugender wirken konkrete Hilfen beim Ausbau der erneuerbaren
Energien. Über ihre Tochter „DEG Impulse“ ko-finanziert die DEG – Deutsc…
Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH jetzt ein Vorhaben des
deutschen Mittelständlers A. Reiter GmbH, der an seinem ukrainischen
Standort eine Photovoltaikanlage installiert.
Die Anlage soll im Jahr 600.000 kWh grünen Strom erzeugen und so den
Produktionsbetrieb am Standort sicherstellen. Zudem soll ein Drittel der
erzeugten Solarenergie in das ukrainische Stromnetz eingespeist werden. Die
Firma investiert dazu selbst rund 494.000 EUR, die DEG steuert aus Mitteln
des develoPPP-Programms des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ebenso viel bei.
15 Jul 2024
## LINKS
[1] /Mit-Unterstuetzung-von-US-Firmen/!6003173
[2] https://act.gp/4aRchOE
[3] https://t.me/energoatom_ua/18359
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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